Mülheim. Jutta Tappe hat kein Theologie-Studium absolviert, wird aber in Zukunft trotzdem predigen, trauen, beerdigen. Das alles macht sie ehrenamtlich.

„Ich habe die kleinen Hinweise Gottes damals leider nicht gesehen.“ Erst jetzt, mit knapp 45 Jahren, verwirklicht Jutta Tappe ihren Traum. Beim Gottesdienst am Sonntag in der Petrikirche wurde die Mülheimerin offiziell als Prädikantin in ihr Amt eingeführt.

Ab sofort darf sie alle Aufgaben durchführen, die auch hauptberufliche Pfarrer und Pfarrerinnen erledigen. Wie zum Beispiel predigen. Vier bis fünf Mal im Jahr wird sie den Gottesdienst leiten und dabei predigen können, schätzt Tappe. „Früher, vor allem zur Zeit des Krieges, waren Prädikanten dafür da, um personelle Engstellen aufzufüllen und in Kirchen auszuhelfen, in denen ein Pfarrer fehlte, weil er zum Beispiel an der Front war“, erklärt Superintendent Gerald Hillebrand, der die Ordination, also die offizielle Einführung, leitete.

Prädikantin der rheinischen Landeskirche

Bei Bedarf werde Tappe in Zukunft in der Petrikirche, aber auch in anderen Kirchen im Stadtgebiet und darüber hinaus aushelfen. Natürlich könne sie dabei auch Wünsche äußern. Mögliche Einsatzgebiete sind im Gebiet der Rheinischen Landeskirche. Dort wurde sie ausgebildet und sammelte Fachwissen über das Amt der Prädikantin.

Zehn Prädikanten gibt es in Mülheim

In Mülheim gibt es laut Superintendent Gerald Hillebrand zehn Prädikanten.

Viele Voraussetzungen für das Amt gibt es nicht. Die Interessenten bräuchten eine Empfehlung und natürlich auch die Bereitschaft, das Amt auszuführen, so Hillebrand. „Zusätzlich müssen sie die Weiterbildung durchlaufen.“

Die Grundausbildung dauert etwa eineinhalb Jahre. Neben der theoretischen Ausbildung finden auch praktische Übungen statt.

Doch nicht nur Gottesdienste stehen auf der Agenda der 44-Jährigen. Auch Trauungen und Taufen darf sie durchführen. „Nur bei Beerdigungen könnte es neben dem Beruf zeitlich nicht passen – diese finden ja meistens an Werktagen statt“, so Hillebrand. „Aber wenn der Wunsch da ist, kann das natürlich auch ermöglicht werden.“ Generell gebe es keinen Unterschied zwischen Pfarrern und Prädikanten, so der Superintendent. „Es gibt da kein Zweiklassensystem.“

Pfarrerin Annegret Cohen begleitete Jutta Tappe als Mentorin

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„Mein Arbeitgeber steht meiner neuen Aufgabe zum Glück sehr offen gegenüber“, so Tappe. Beim Diakoniewerk arbeitet sie in der Öffentlichkeitsarbeit. Nach einem klassischen BWL-Studium habe sie vor drei Jahren erkannt, dass sie doch in die Kirche möchte, vor Leuten predigen, Gottesdienste halten. „Für ein Theologiestudium war es dann leider schon zu spät.“ Deshalb entschied sie sich für das Amt der Prädikantin. Drei Jahre durchlief sie nun berufsbegleitend eine Weiterbildung, bei der sie von Pfarrerin Annegret Cohen als Mentorin begleitet wurde.

Während der drei Jahre wurde Tappe auf ihre Zeit als Prädikantin vorbereitet. „Wir haben Predigten besprochen, Trauungen und liturgische Lesungen vorbereitet“, so Cohen. „Es ist nicht so einfach, mal eben die Petrikirche mit Leben zu füllen, das braucht eine gewisse Vorbereitung und Unterstützung.“ Diese habe Tappe auch von der Gemeinde erfahren, die gerne ein Feedback gibt, so die Pfarrerin.

Besondere Beziehung zur Petrikirche

„Meinen gesamten Jahresurlaub habe ich für diese Weiterbildung investiert“, so Tappe. Das sei jedoch die Ausnahme, weiß Superintendent Hillebrand. „Frau Tappe hat sich privat noch weitergebildet.“ So lernte sie in der Laientheologenausbildung unter anderem viel über die Kirchengeschichte und Ethik.

Dass sie nun in der Petrikirche als Prädikantin eingeführt wurde, freut die Mülheimerin besonders. „Ich wurde hier getauft, konfirmiert und getraut – ich habe einfach eine sehr starke Bindung zu der Kirche.“