Mülheim. Das erste Mülheimer Rathaus mit Kaiser-Wilhelm-Denkmal haben viele Leser erkannt. Offensichtlich existieren mehrere Radierungen mit der Ansicht.
Einige alte Ansichten, die wir in unserer Serie zeigen, sind harte Brocken. Aber es gibt zum Glück immer eine Mülheimerin oder einen Mülheimer, der die gezeigte Ecke oder den Platz kennt. Viele Silhouetten haben sich längst verändert – sind oft schon mehrmals ganz neu bebaut worden. Dann wird es mit dem Wiedererkennen schwierig. Andere Aufnahmen können noch so alt sein: Da wissen unsere Leserinnen und Leser sofort Bescheid. So war es beim Rathausmarkt. Aber es ist der alte Marktplatz mit dem Rathaus, das bis 1890 am damaligen Notweg stand.
1916 war der größere Neubau der Architekten Großmann und Pfeifer fertig. Dieser prägende und umfassend restaurierte Bau heißt heute Historisches Rathaus und ist längst für alle Beamten und Angestellten zu klein.
Denkmal steht auf dem Kaiser-Wilhelm-Platz
„Die Zeichnung zeigt den Rathausmarkt mit Kriegerdenkmal und dem Vorgänger unseres heutigen Rathauses im Hintergrund“, schreibt Franz-Josef Hüls. „Das Kriegerdenkmal steht seit vielen Jahrzehnten auf dem Wilhelmplatz und wird eingerahmt von Wilhelmstraße, Dohne und Kampstraße – allerdings ohne Adler darauf“, ergänzt der langjährige Leser.
„Es handelt sich um den Marktplatz vor dem alten Rathaus (im Hintergrund) von 1842. Es wurde durch das neue Rathaus von 1915 abgelöst“, hat ebenso Hans-Georg Hötger erkannt. „Das Kaiser-Wilhelm-Denkmal (Wilhelm I) wurde im zweiten Kriegsjahr (1915) zum heutigen Wilhelmplatz an der Dohne versetzt.“ Hötger hat eine kolorierte Radierung von W. Weber beigefügt, die den Marktplatz um 1890 zeigt. „Es ist eine Radierung, auf der mehr Einzelheiten zu sehen sind (etwa zwei Hunde, ein Mädchen), die auf der Veröffentlichung in der Folge 106 fehlen.“
Straßenbahnschienen fehlen noch auf der Ansicht
„Beim abgebildeten Platz handelt es sich um den Rathausmarkt. Welch ein Augenschmaus gegenüber der heutigen Situation. Wahrscheinlich dargestellt in einer Zeit vor 1897, da zu diesem Zeitpunkt die Straßenbahn ihren Betrieb aufnahm und auf der jetzigen Friedrich-Ebert-Straße ansonsten Schienen zu sehen wären“, hat Peter Kölges bemerkt.
„Bei dem großen Gebäude mit der Uhr an der Fassade handelt es sich um das 1842 eingeweihte Rathaus. Es stand an der Stelle des Rathausmarkt-Flügels unseres jetzigen Rathauses“. Zur Verdeutlichung hat unser Leser ein Ansichtskartenbild mit dem Blick vom Rathaus aus beigefügt.
Schadow schuf das Ehrenmal 1873
„Das von Schadow 1873 geschaffene Denkmal ist ein Ehrenmal für die Gefallenen des Krieges 1870/71 (ausführlich auf der Homepage des Stadtarchivs, Mülheimer Zeitzeichen, Stichtag 2. September 1873 beschrieben). Es wurde 1917 abgebaut und ohne Adler auf dem Wilhelmplatz Ecke Dohne/Wilhelmstraße/Kampstraße wieder aufgestellt“, hat Kölges ermittelt.
„Was die Rollschuhe angeht: Ab den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts gab es erste Vorläufer, jedoch kam es zur großen Verbreitung erst nach 1883, als die Kugelschleifmaschine erfunden wurde. Erst diese erlaubte eine kostengünstige Fabrikation von Kugellagern“, fügt der Leser hinzu.
Am 30. Dezember 1903 tagte der Rat zum letzten Mal im ersten Rathaus
Das Original der Radierung von W. Weber hat Gaby Reßmann. Oder ist es eine von mehreren „Originalen“? Mehrere Mülheimer haben Radierungen mit dieser Ansicht. Aber alle Besitzer erkennen den Platz mit dem ersten Mülheimer Rathaus.
Am 30. Dezember 1903 tagte der Mülheimer Rat zum letzten Mal im ersten Rathaus der Stadt. Es wurde in den Jahren 1841/42 errichtetet. Nach dem Amtsantritt des Oberbürgermeisters Paul Lembke im Frühjahr 1904 wuchs die Absicht, ein neues Rathaus für die Stadt zu bauen. 1908, Mülheim feierte sein 100-jähriges Stadtbestehen, beschloss der Rat, einen Architektenwettbewerb für ein neues Rathaus auszurichten. Er reagierte damit auf zunehmende Anforderungen der schnell wachsenden Stadt. 1908 überschritt Mülheim die Marke von 100.000 Einwohnern und wurde Großstadt. Anfang der 1970er Jahre waren es rund 194.000 Einwohner. Danach schrumpfte die Zahl auf 172.740 Ende 2018.