Mülheim. Auf der Drehscheibe am Mülheimer Ringlokschuppen wurde am Sonntag „La Traviata“ aufgeführt - kostenlos, im Kleinformat, aber mit großen Gefühlen.

Ein Streichquartett ersetzt das Orchester, das Ensemble ist auf drei Stimmen reduziert, und als Bühnenbild reichen ein paar Quadratmeter roter Stoff. Bei der Aufführung von „La Traviata“ auf der Drehscheibe am Ringlokschuppen war alles mindestens eine Nummer kleiner als bei einer normalen Oper. Drama und große Gefühle gab es dennoch.

Als „Oper im Espresso-Format“ beschreibt der in Kaarst ansässige Verein „Music to go“ sein Konzept. Auf das Wesentliche konzentriert und extrem mobil angelegt, kann diese „Traviata“ praktisch überall aufgeführt werden, im Freibad, in einer Bahnunterführung oder auf einem Marktplatz. Bei freiem Eintritt war die Freiluft-Vorstellung gut besucht.

Harte Arbeit für das Profi-Ensemble

Das Ganze ist natürlich eine nette Sommer-Idee, charmant und ein bisschen augenzwinkernd präsentiert. Aber es ist auch harte Arbeit für das professionelle Ensemble um die Sopranistin und Initiatorin Désirée Brodka. Auf der offenen Bühne gibt es keinen Resonanzraum wie in einem klassischen Konzerthaus, als

Open-Air-Oper am Ringlokschuppen in Mülheim: Die Künstler spielten und sangen ohne elektronische Verstärkung.
Open-Air-Oper am Ringlokschuppen in Mülheim: Die Künstler spielten und sangen ohne elektronische Verstärkung. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Schutz für das Streichquartett diente lediglich ein weißes Party-Zelt. Und so musste das unverstärkt spielende und singende Ensemble damit leben, dass der Wind die Töne hin und wieder weg zu tragen schien. Auch von Gläserklappern, Polizeisirenen oder dem Lärm eines Flugzeugmotors ließ sich niemand irritieren.

Inszenierung auf rund 80 Minuten reduziert

Auf rund 80 Minuten war die „Espresso-Inszenierung“ der Oper von Guiseppe Verdi eingedampft. Désirée Brodka sang nicht nur die Partie der Violetta Valéry, sondern skizzierte in ihrer Moderation auch die Handlung. Zunächst perlend und kokettierend stellte sie eine weltgewandte, lebensfrohe Frau vor. Doch ihre stärksten Momente hatte die Sängerin in den dramatischen und todesnahen Momenten.

Carlos Moreno Pelizari, der diese Partie schon in seiner chilenischen Heimat und an deutschen Opernhäusern gesungen hat, verlieh dem Alfredo Germont Feuer und Leidenschaft. Zugleich ließ er aber auch das Maß an Pathos aufscheinen, das seine spätere Eifersucht bereits früh ankündigte.

Streichquartett klang überraschend groß

Der lettische Bariton Agris Hartmanis deutete in jedem Ton die Verankerung des Vaters Giorgio Germont in der scheinbaren Vernunft der überkommenen Moral an. Verblüffend „groß“ klang das von Katharina Storck geleitete Streichquartett, das die musikalische Bearbeitung von Dr. Raphael Töne mit Energie und Esprit umsetzte.