Mülheim. Erster fester Ruhrübergang war die Kettenbrücke. Staat, Firmen, Stadt Mülheim stritten um die Finanzierung. 56 Jahre später wurde sie gesprengt.

Auf die Kettenbrücke müssen wir in unserer Serie noch einmal zurückkommen. Der Volksmund tauft sie auf diesen Namen, weil sie sichtbar an dicken Ketten über der Ruhr hing. „Sie hieß offiziell Friedrich-Wilhelms-Brücke und war damals das Wahrzeichen der Stadt Mülheim an der Ruhr“, hat Jens Roepstorff ermittelt. Der stellvertretende Leiter des Stadtarchivs: „Mit dem Brückenschlag entstand eine der wichtigsten Verkehrsverbindungen dieser Zeit. Mülheim wurde zum Knotenpunkt. Als erste Brücke der Region ermöglichte sie jederzeit die Querung der Ruhr, und sie konnte von allen Straßen der Umgebung ohne große Umwege genutzt werden.“

1835 begann die Planung der Königlichen Regierung

Zur Geschichte des Bauwerks: Bereits 1835 begann die Planung der Königlichen Regierung in Düsseldorf für den Bau einer Brücke über die Ruhr. Nach reichlichen Diskussionen wurde als verkehrsgünstigster Standort Mülheim als Mittelpunkt von fünf über die Ruhr führenden Straßen festgelegt. „Als kostengünstigste Bauweise wurde früh der Bau einer Kettenbrücke angestrebt“, hat Roepstorff in den alten Akten ermittelt.

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„Obwohl für eine Kettenbrücke die geringsten Baukosten zu erwarten waren, zogen sich die Verhandlungen mit der Stadt hin. Verschiedene Industrielle – auch Mathias Stinnes – machten der Stadt das Angebot, die Brücke auf eigene Rechnung zu erstellen. Dafür wollten sie die Brückengelder behalten. Letztendlich übernahm 1838 der preußische Staat die Kosten für den Brückenbau. Es dauerte weitere Jahre, bis August 1842 die Grundsteinlegung folgte“, hat der Stadtarchivar festgehalten.

Zwei Jahre Bauzeit waren recht kurz

„Die eigentliche Bauzeit war mit wenig mehr als zwei Jahren recht kurz. Die Eröffnung der Kettenbrücke am 13. November 1844 begleitete ein großer Festzug. In Reihen von sechs Personen, voran die Baubeamten und Techniker, ging es über die neue Brücke, gefolgt von zwei vierspännigen Kohlenwagen. Ebenso kontrolliert wie die Eröffnung gestaltete sich danach die Regelung des Verkehrs“, schreibt Jens Roepstorff.

Brückenbeamte überwachten das Einhalten der strengen Regeln

Die schicke Kettenbrücke von der Broicher Seite aus gesehen. Rechts der Turm der Petrikirche auf dem Hügel, im Vordergrund die alte Schlagd.
Die schicke Kettenbrücke von der Broicher Seite aus gesehen. Rechts der Turm der Petrikirche auf dem Hügel, im Vordergrund die alte Schlagd. © Foto: Stadtarchiv Mülheim

„Die an der Brückengeld-Hebestelle postierten Brückenbeamten hatten für die Einhaltung der strengen Regelungen zu sorgen. Laut Brückenordnung durften höchstens 1000 Personen gleichzeitig auf die Brücke“, steht in den Akten.

Nach 30 Jahren waren die Belastungen derart gewachsen, dass 1874/75 auf beiden Seiten und mittig unter der Fahrbahn Versteifungsträger aus Stahlfachwerk eingezogen wurden. Holzquerträger wurden gegen solche aus Stahl ersetzt. Diese Verstärker konnten die Entwicklung nicht aufhalten. Die Brücke konnte so zwar bis 1909 weiterbestehen, musste dann aber endgültig einer neuen Brücke mit breiterer Fahrbahn weichen.

Abschied mit einem Fackelzug

„Am 7. Oktober 1909 wurde die Kettenbrücke für den Abbruch stillgelegt. Mit einem Fackelzug über den 65 Jahre alten Ruhrübergang verabschiedeten sich die Mülheimer von diesem einzigartigen, seltenen und schönen Bauwerk. Vergeblich hatte man mit verschiedenen Gemeinden über die Übernahme der Konstruktion verhandelt.

Noch bis zum Vorabend der Sperrung hatten die Mülheimer gehofft, einen Käufer zu finden. Nach mehr als sechs Jahrzehnten mussten sie sich von ihrem Wahrzeichen verabschieden“, hat Jens Roepstorff verschiedene Quellen zusammengefasst.

Eine Notbrücke diente als Verbindung

Von der Sperrung der Kettenbrücke 1909 bis zur Einweihung der neuen Brücke am 24. Februar 1911 diente wenige Meter weiter eine Notbrücke als Verbindung. Voll Stolz zeugen Bilder und Postkarten vom Bau der neuen Schlossbrücke, mit der eine neue Epoche der Stadt begann: Mülheim wurde zum „Venedig der Ruhr“.

Ihre Erinnerungen und alten Fotos sind gefragt

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Mit dem Ziel, die Ruhr durch ein Ensemble von Bauten im Stil antiker Uferpaläste zu inszenieren, war die neue Schlossbrücke als monumentale Steinbrücke nun zentrales Element dieser Konzeption. Als steinerne Klammer verband sie Stadtbad und Brückenhaus auf der Stadtseite mit der Stadthalle und dem Verwaltungsgebäude der Wasserwerke am Broicher Ufer. Diese Bauten entstanden bis 1927.

Die zweite Brücke hält nur bis 1958

Die Steinbogen der Schlossbrücke hielten nur bis Ende 1958. Obwohl sie den 2. Weltkrieg unbeschädigt überstanden hatte, war sie schon wieder zu klein. Wie die Kettenbrücke entsprach sie „nicht mehr den gewachsenen Verkehrsanforderungen“, heißt es in den Begründungen zum Neubau der zweiten Schlossbrücke.