Mülheim. Das Kunstmuseum in Mülheim vergibt zum zweiten Mal ein Stipendium: Der 31-jährige Julian Reiser malt selbst und lässt malen – mit einer Maschine.
So stellt man sich ein Künstleratelier vor: Auf einer Staffelei steht ein angefangenes Bild, auf dem Boden liegen unzählige Farbtuben und Pinsel herum und auf dem Regal thront – eine Mikrowelle. Auch der inspirierteste Künstler hat zwischendurch schließlich Hunger...
In einem hellen, rund 20 Quadratmeter großen Raum in Obergeschoss von Schloß Styrum hat sich Julian Reiser bestens eingerichtet. Seit April arbeitet er hier – als Stipendiat des Mülheimer Kunstmuseums. Bereits zum zweiten Mal hat das Museum ein Stipendium vergeben. Der junge Maler folgt auf die Fotografin Tabea Borchardt, bekommt für ein Jahr kostenlos ein Atelier gestellt. Außerdem darf er am Ende seiner Schaffenszeit in Mülheim eine Austellung im Museum Temporär ausrichten.
Experten-Jury suchte Wunschkandidaten aus
„Ausgeschrieben hatten wir das Stipendium an den Kunstakademien in Düsseldorf, Essen und Münster. Eine Reihe an Bewerbern reichte Mappen ein, eine Jury suchte den Wunschkandidaten aus“, erläutert Simone Scholten vom Kunstmuseum das Vergabeverfahren. Zum Auswahlgremium zählten unter anderem Museumsleiterin Dr. Beate Reese und Frank Baudy, Amtsleiter im Kulturbetrieb der Stadt Mülheim.
Julian Reiser (31) hat im vergangenen Jahr sein Studium an der Kunstakademie Münster beendet und ist derzeit noch Meisterschüler von Prof. Klaus Merkel. Der gebürtige Bochumer malt, mit Ölfarben - mal abstrakt, dann aber auch gegenständlich.
Reiser malt selbst – und lässt malen
„Ich arbeite immer in Reihen, widme mich für einige Zeit einer Sache, schließe sie dann aber auch ab und beginne etwas Neues“, berichtet der Künstler. Reiser malt selbst – er lässt aber auch malen. Eine computergesteuerte Fräse, in die ein Pinsel integriert wurde, trägt die Farbe auf die Leinwand auf und bearbeitet die Oberfläche des Bildes.
„Der Künstler hat die Idee, die Maschine führt aus. Die Arbeiten sind auch die Visualisierung eines Arbeitsprozesses, der erst in unserer Zeit entstanden ist“, erklärt Simone Scholten.
Arbeit ist eines seiner Themen
Arbeit ist ein Thema, das den heutigen Gelsenkirchener beschäftigt. „Was ist Arbeit? Was ist uns an der Arbeit wichtig? Was ist der Wert meiner Arbeit?“, sind Fragen, die er sich stellt und künstlerisch zu beantworten sucht. Auch über die gesellschaftlichen Verwerfungen der Gegenwart mache er sich Gedanken, sagt er.
Seine jüngsten Bilder spiegeln Umbrüche und Parallelitäten zu vergangenen Epochen. „Ich docke stilistisch an die Romantik an. Damals kamen als Reaktion auf die Industrialisierung viele Ängste auf. Wir sind heute in einer ähnlichen Lage, müssen uns vielen neuen Herausforderungen stellen, vielleicht ein neues Wertesystem aufbauen“, so Julian Reiser.
Reiser hat ein Konzept, wenn er malt
Altmeisterliche romantische Motive – etwa ein Reiter auf einem sich aufbäumenden Pferd – bildet er auf seinen Bildern ab, setzt sie in einen anderen Kontext, integriert unerwartete Elemente ins Bild, um einen anderen Blickwinkel zu schaffen. „Wenn ich etwas male, dann ist es vorbereitet. Ich habe ein Konzept, fertige Zeichnungen an, entwickle Entwürfe“, beschreibt der Stipendiat seine Arbeitsweise.
Mehrere Gruppen- und zwei Einzelausstellungen hat Julian Reiser schon gehabt (Grevener Kunstverein, Kunstakademie Münster), momentan läuft die dritte in Berlin. In der Kienzle Art Foundation stellt er mit seinem Studienkollegen Malte Frey Bilder aus, hinter denen eine einfache, aber spannende Idee steckt. „Wir haben uns gegenseitig Aufträge für Arbeiten gegeben – zum Beispiel „Male fünf Grashalme!“ oder „Male dein schlechtestes Bild nochmal!“, berichtet Reiser schmunzelnd.
Auch zwei Preise hat der junge Künstler schon erhalten – und sich ein weiteres Stipendium gesichert, am Cité Internationale des Arts in Paris. Jetzt soll ihn aber erstmal Atmosphäre im Styrumer Schloss inspirieren.