Die Glocken der Evangelischen Gemeinde Broich schwingen am Sonntag für die Klimagerechtigkeit. Eine Aktion rund um den Globus

Drei schwere Glocken hängen hoch im Kirchturm an der Wilhelminenstraße. Die obere, nicht grundlos „Totenglocke” genannt, kommt sonst nur dann solistisch zum Einsatz, wenn jemand beerdigt wird. Am Sonntag jedoch schlägt sie für „Klimagerechtigkeit”, aus aktuellem Anlass, möglichst genau 350 Mal.

Die evangelische Kirchengemeinde Broich beteiligt sich, als einzige in der Stadt, an einer internationalen Kampagne, die der Ökumenische Rat der Kirchen ins Leben gerufen hat: „Countdown für Klimagerechtigkeit”. Dazu gehört das Geläut – seit jeher werden Glocken ja auch eingesetzt, um vor drohenden Gefahren zu warnen. Am 13. Dezember um 15 Uhr, wenn die Kopenhagener Klimaverhandlungen in die Zielgerade einbiegen und im Dom der dänischen Hauptstadt gerade ein ökumenischer Gottesdienst zu Ende geht, sollen rund um den Globus Kirchenglocken zu schwingen beginnen.

350 Schläge – diese Zahl ist nicht willkürlich gewählt, sondern steht für eine naturwissenschaftliche Erkenntnis, so die Initiatoren: 350 ppm (Teilchen pro Million) sei die Höchstgrenze für eine CO2-Konzentration in der Atmosphäre, die nach Ansicht vieler Experten noch als unproblematisch gelte. Derzeit sind wir bei 390 ppm (www.countdowntocopenhagen.de). Also muss etwas passieren.

Pfarrer der Kirche an der Wilhelmistraße: Klaus Rosorius.  Foto: Roy Glisson
Pfarrer der Kirche an der Wilhelmistraße: Klaus Rosorius. Foto: Roy Glisson © Waz FotoPool

Man kann es auch weit weniger wissenschaftlich ausdrücken. „Ich halte Klimaschutz für eine ganz entscheidende Sache. Denn dabei geht es auch um Bewahrung der Schöpfung”, meint Pfarrer Klaus Rosorius, der seit 1981 als Geistlicher in der Gemeinde Broich arbeitet. Umweltschutz habe ihn schon als Theologiestudent bewegt. Genau wie Gerechtigkeit, und beim Klimathema geht für ihn das eine nicht ohne das andere.

Denn: Die reichen Staaten wollten hinter ihren jetzigen Lebensstandard nicht mehr zurück, während Schwellenländer – insbesondere China und Indien – aufholen. „Sie beginnen aufzurüsten”, sagt der Pfarrer. „Wir als reiche Länder müssen bereit sein, uns zurückzunehmen. Wir müssen die ersten Schritte tun.” Daher trägt die Andacht, die am morgigen Sonntag um 14.30 Uhr in der Kirche an der Wilhelminenstraße stattfindet, den Titel „Klima der Gerechtigkeit”.

Christen, meint Rosorius, sollten Vorbild sein und sich möglichst klimafreundlich verhalten. Er selber versucht mit gutem Beispiel voranzugehen, vielmehr: zu fahren. „Fahrrad-Pfarrer” könnte man den schlanken Mann nennen, der seine Gemeinde gerne mit Schutzhelm und wetterfester Kleidung radelnd durchquert. Sein Auto, das er durchaus noch besitzt, bleibe „wenn irgend möglich” stehen. Zudem ist Klaus Rosorius „seit vielen, vielen Jahren” Vegetarier, aus mehreren Gründen, zu denen der Klimaschutz gehört.

Er lebt in einem Drei-Personen-Haushalt, gemeinsam mit Ehefrau und Sohn, und zu Hause versuchen sie, Energie zu sparen. „Wir heizen weniger, lüften vernünftig und sind schon lange bei einem Ökostrom-Anbieter.” Das gilt für die Broicher Gemeinde übrigens auch. Außerdem wurde, im Zuge einer Kirchenrenovierung, auch die Dämmung verbessert. Mit Fernwärme wird das Gotteshaus beheizt.

Um bei der Technik zu bleiben, da gibt es am Sonntag, wenn die Totenglocke vor der Klimakatastrophe warnt, ein kleines Problem: Wie gelingt es, genau 350 Mal zu läuten?

Die Küsterin, zuständige Frau am Ein- und Ausschaltknopf, hat mit Blick auf die Uhr nachgezählt und wird die Glocke nach etwa zwölf Minuten anhalten. „Dann werden es so ungefähr 350 Schläge sein”, sagt Pfarrer Rosorius. Weniger wären in diesem Fall besser.