Ein süffisantes Grinsen schleicht sich auf mein Gesicht, als ich meinen elektrischen Rasierer am Morgen betrachte. „Heute nicht, Freundchen, behalt dein CO2 mal schön für dich”, denke ich mir. Eine ganze Woche lang habe ich mich jetzt mit Klimawandel und Erderwärmung beschäftigt, heute will ich die Probe aufs Exempel machen. Also fällt Rasieren heute aus, haben die Ärzte nicht mal davon gesungen, dass ein Drei-Tage-Bart sexy ist?
Verächtlich blicke ich auf die elektrische Zahnbürste meiner Freundin und greife mit der Selbstgewissheit eines wahren Öko-Heroen zur Handzahnbürste. Kostet nix, verbraucht nix, hält die Handgelenke geschmeidig, und was sie nicht schafft, schafft die Zahnseide. Die Klippen des Morgens sind solide umschifft. Tee und Kaffee fallen ebenfalls aus, später in der Redaktion werde ich mir ein Tässchen gönnen und den Verbrauch der Kaffeemaschine auf viele Schultern verteilen. Weil Adventszeit ist, genießen wir unser Frühstück im Kerzenschein. Ich fühle mich gut, Zeit für eine erste Zwischenbilanz.
Für jedes Lebesjahr müsste ich fünf Eichen pflanzen
Ich schmeiße den Computer an, um mit einem der vielen CO2-Rechner aus dem Internet meinen persönlichen Verbrauch festzustellen. Zwei-Personen-Haushalt, fast 15 Tonnen CO2 pro Jahr und Nase. Damit ist mein persönlicher Ausstoß schon sehr moderat. Doch ich lese, dass eine 120 Jahre alte, 35 Meter hohe Eiche etwa 3 Tonnen CO2 absorbiert. Für jedes Jahr, das ich auf diesem Planeten verbringe, müssen also irgendwo fünf dicke Eichen rumstehen. Ich nehme mir vor, mein eigenes 170-Eichen-Wäldchen aufzusuchen und die Natur um Verzeihung zu bitten.
game-over
Großer Fehler, wäre dies ein Videospiel, müsste „game-over” auf dem Bildschirm blinken. Computer, Internet – klimamäßig sind das ziemliche Todsünden. Jede Anfrage an eine Suchmaschine wird durch eines der Rechenzentren von Google & Co. gejagt, „Serverfarmen” sagt der Fachmann dazu. Tausende Computer rattern rund um die Uhr. Es gibt Berechnungen, nach denen jede Suche Emissionen von bis zu zehn Gramm CO2 auslöst. Um nach dieser Surf-Einlage in meinen grünen Fußabdruck zu passen, müsste wohl selbst Godzilla dicke Socken anziehen.
Das war wohl nichts, also ab ins Büro. Ich setze mich in die Straßenbahn, ein Auto habe ich ja gar nicht, und brause von Essen nach Mülheim. Schön ist der Anblick nicht, die Bahntrasse liegt mitten auf der A 40 und ermöglicht mir freien Blick auf den allmorgendlichen Verkehrsinfarkt. Jeder alleine im Auto, jeder schimpft auf den Vordermann, Motoren heulen unentwegt, voran geht es nicht. Und ich sinne über Energiesparbirnen?
Mehr Ernüchterung lauert im Büro. Es ist warm, die Heizungen laufen, trotzdem stehen Fenster auf Kipp'. Auf mehreren Computern flackern lustige 3D-Bildschirmschoner. Sie sind seit mindestens 20 Minuten nicht benutzt worden. Fenster zu, Heizung um einen Strich runter, alle unbenutzten Computer aus, der Kaffee bleibt sicher auch in der Thermoskanne warm.
Muss meine Jeans mehr reisen als ich?
Ich merke, wie viel Energie ich einfach durch gesunden Menschenverstand einsparen kann. Muss alles in der Wohnung auf „Standby” stehen? Brauche ich Klamotten und Nahrung aus „Niedriglohnländern”, in denen es dunkel wird, wenn ich zur Arbeit gehe. Ich finde nicht, dass meine Jeans oder mein Mittagessen mehr Fernreisen unternehmen sollten als ich.
62,24 Euro für mein Gewissen
Endspurt, eines habe ich mir für heute noch vorgenommen, Klimaschutz soll schließlich nicht nur ein Projekt für einen Tag sein. Ich stiefele in einen Baumarkt und will prüfen, wie ich mit kleinem Budget großen Effekt erzielen kann. Lange suchen muss ich nicht. Den Restposten-Stapel mit den „guten alten Glühbirnen”, die uns die herzlosen Brüsseler Bürokraten ja genommen haben, lasse ich links liegen. Acht Lampen kommen zu Hause regelmäßig zum Einsatz, also wandern acht Energiesparleuchten in den Einkaufskorb. Kosten zwar 62,24 Euro, aber weil ich mir Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben habe, ist mir klar, dass ich durch den geringeren Energieverbrauch die höheren Anschaffungskosten schon nach wenigen Monaten reingeholt habe.
Fazit. Eigentlich ist Klimaschutz nicht so wild. Ich friere nicht, ich habe auf nichts Wichtiges verzichtet und ich fühle mich auch nicht in meinen Bürgerrechten beschnitten. Halbwegs zufrieden gucke ich auf meinen Computer-Bildschirm, die Geschichte ist fertig. Wie hat schon Peter Lustig immer am Ende seiner Sendung gesagt? Abschalten!