Gemeindepfarrer haben im Advent eine Menge Arbeit, dafür aber wenigstens zu Weihnachten ein volles Haus. Sie glauben: Besser, die Menschen besuchen ein Mal im Jahr die Kirche, als kein Mal.
In der Heißener Friedenskirche wird seit nunmehr elf Jahren, immer am Nachmittag des 24. Dezember, die „Weihnachtsfamilie” gegeben. Ein Schauspiel, das jährlich fortgeschrieben wird, während die Hauptdarsteller bislang dieselben blieben.
Michael Manz, Pfarrer der evangelischen Gemeinde, gibt den Vater. In weiteren Rollen: Mutter, Tochter, Schwiegerpapa samt neuer, jüngerer Frau. Das Stück steht im Zentrum des Familiengottesdienstes an Heiligabend: Es ersetzt die Predigt, hat offenbar zahlreiche Fans und klingt nach einem großen Spaß.
Alles in allem jedoch erlebt Manz die Adventszeit als ausgesprochen arbeitsintensiv. Sie begann bereits am 23. November, als er – zur Eröffnung der Festtagsbeleuchtung – einige Worte im nahegelegenen Rhein-Ruhr-Zentrum sprach. Offenbar hat er die Leute erreicht: „Viele sind stehengeblieben und haben zugehört.” Ebenfalls im Einkaufszentrum, im rummeligen Festival Garden, gastiert der Geistliche am 13. Dezember, begleitet von einem Gospelchor. Und dann stehen kurz vor Weihnachten u.a. auch noch drei Schulgottesdienste an.
Sein Terminplan am Heiligen Abend beginnt für Manz mit mehreren Visiten in Seniorenheimen und endet, nach drei vollwertigen Gottesdiensten, mit einem traditionellen Glühwein zu nächtlicher Stunde. Der Einsatz lohnt sich, denn er erreicht eine Menge Menschen: „Beim Familiengottesdienst stehen die Leute auch auf der Empore.” Die Kapazitäten des vergleichsweise kleinen Gotteshauses am Humboldthain, das etwa 300 Menschen fasst, werden voll ausgeschöpft.
Michael Manz freut sich über jeden – auch über Besucher, die er sonst das ganze Jahr über nicht sieht: „Besser ein Mal in den Gottesdienst gehen als kein Mal. Wenn es für die Leute Tradition ist, zu Weihnachten gehört, dann ist das doch wunderschön!”
Falls sich bei dieser Gelegenheit eine persönliche Begegnung ergibt, würden sich nicht wenige wundern: darüber, dass der Pfarrer ihren Namen noch kennt.
Den Glauben feiern
Wenn in der katholischen Gemeinde St. Barbara heute abend groß gefeiert wird, mit Gottesdienst und Festmenü für über 100 Gäste, hat das nicht direkt mit der Vorweihnachtszeit zu tun. Zufällig fällt der Gedenktag der Schutzpatronin alljährlich in den Advent. Und der ereignisreiche Dezember erreicht in Dümpten einen ersten Höhepunkt.
Der Veranstaltungskalender füllt sich in diesen Wochen. Es gibt, ebenso wie in der Fastenzeit, zusätzliche Angebote, etwa Andachten am Donnerstagabend, die von Laien gestaltet werden. Oder „Frühschicht”-Gottesdienste, die ihrem Namen gerecht werden, denn man trifft sich mittwochs um sechs, frühstückt später gemeinsam. 40 Teilnehmer habe er lange vor Sonnenaufgang schon begrüßen können, sagt Manfred von Schwartzenberg, der Pastor.
Offenbar probieren sie in St. Barbara auch Ungewohntes aus. Weiteres Beispiel: Gottesdienste für kleine Leute, Krabbelkinder, vorbereitet von Müttern. Mit einem solchen Kindertreff („die sind immer rappelvoll”) wird auch an Heiligabend um 11 Uhr der Gottesdienstreigen eröffnet.
Grundsätzlich aber „setzen die Leute an Weihnachten lieber auf das Vertraute”, weiß der Pfarrer aus jahrzehntelanger Berufserfahrung. So seien seine Versuche mit modern gestalteten Krippen – etwa: aufgebaut in einem Abflussrohr, symbolträchtig dekoriert mit Müll – „sehr skeptisch” aufgenommen worden. „Die Menschen möchten lieber etwas Schnuckeliges sehen.”
Es werden auch hier nicht wenige sein, die das Gotteshaus am Schildberg nur zu den Weihnachtsfeiertagen aufsuchen. „Der Besuch verdichtet sich sehr stark.” Der Pfarrer nimmt es mit Humor: „Sie gehören zu unseren regelmäßigen Gottesdienstbesuchern: einmal im Jahr.” Er legt aber auch sehr ernsthaft und glaubwürdig dar, wie er eine Kirchengemeinde versteht und erlebt: Von „verschiedenen Kreisen” spricht er, mit „unterschiedlicher Nähe zum Altar”. In diesem Sinne gehören für ihn auch die Außenstehenden zum großen Ganzen.
Manfred von Schwartzenberg ist nicht nur Pastor der Gemeinde St. Barbara, sondern auch verantwortlicher Geistlicher der gleichnamigen Groß-Pfarrei, die 20 000 Mitglieder zählt. Was sind diese Wochen für ihn: die härteste Arbeitszeit im Jahr? „Absolut nicht.” Er genieße es, Advent und Weihnachten zu durchleben, „den Glauben zu feiern”.