Über den Verlust für Mülheim äußert sich Museumsleiterin Dr. Beate Reese im Interview.

Allein über 200 Gemälde, ein komplexes, druckgrafisches Werk, das sich nur schwer in Zahlen fassen lässt, kistenweise Veröffentlichungen, Skizzen, Mappen, Modelle und mehr: Das komplette Œuvre des bedeutenden und vielseitigen Künstlers Werner Graeff geht aus Mülheim weg. Im Museum der Landeshauptstadt Wiesbaden bleibt das Graeff-Archiv zusammen.

Wie sehen Sie den Abzug des wichtigen Werkes?

Reese: Das finde ich bedauerlich, dass der Nachlass nach Wiesbaden geht. Als ich hier angefangen habe, war alles schon unter Dach und Fach. Aber ich denke, dass er da sicherlich gut aufgehoben ist, weil dort ganz andere Möglichkeiten bestehen, ihn aufzubewahren, ihn wissenschaftlich zu betrachten und restauratorisch aufzuarbeiten. Als Landesmuseum hat Wiesbaden ganz andere Mittel.

Das heißt, es ist viel Arbeit?

Wenn man einen Nachlass verwahrt, heißt das natürlich auch, dass man ihn betreut. Ihn nicht nur irgendwo hinstellt, sondern aktiv bearbeitet und publiziert. Wiesbaden hat eigens dafür eine Mitarbeiterin, die sich um den Nachlass Graeff kümmert. Übrigens verfügt Wiesbaden bereits über andere große Nachlässe wie den von Friedrich Vordemberge-Gildewart, der wie Werner Graeff auch Bezüge zur De Stijl-Gruppe hat.

Mülheim hätte also weder Mittel noch die personellen Möglichkeiten, Nachlässe zu pflegen?

Wir haben hier nicht die Möglichkeiten, einen Nachlass in diesem Umfang zu verwahren – im Moment jedenfalls nicht. Wie sich das in Zukunft darstellen wird, muss sich zeigen. Wir haben keinen Restaurator am Haus, der kommt über Auftrag. Das ist ein wichtiger Punkt, wenn man einen Nachlass hat, wo alles aufbereitet werden muss.

Bevor das Werk weggeht, hat der Förderverein schnell noch einige Graeff-Gemälde fürs Kunstmuseum gekauft?

Ja. Mir war es wichtig, dass wir Werner Graeff in Mülheim halten oder behalten, seine Arbeiten im Besitz der Sammlung haben. Deshalb haben wir jetzt kurzfristig dank des Förderkreises die Gelegenheit wahrgenommen, und noch Arbeiten erwerben können, bevor der Nachlass weggeht.

Wie viele Graeff-Werke besitzt das Museum noch?

Wir haben jetzt noch sechs Gemälde erwerben können. Aber wir haben bereits ein großes Konvolut Grafik im Bestand und es gibt schon vier Arbeiten im Haus. Somit hätten wir zehn Gemälde, ein großes Konvolut an Grafiken und noch ein paar kleine Skulpturen. So dass wir einen repräsentativen Querschnitt zeigen können. Und mit Max Burchartz können wir ihm einen sehr engen Geistes- und Weggefährten zur Seite stellen.

Die Museen fangen damit an, den künstlerischen Aufbruch nach dem Krieg aufzuarbeiten.

Ja. Das Problem bei Werner Graeff ist, dass sein Frühwerk komplett zerstört oder verschollen ist. Er gehörte zu der Generation von Künstlern, die emigrieren musste. Man hat sich bisher bei diesen Künstlern vorzugsweise für das Frühwerk interessiert, für Bauhaus, für diese Hauptphasen, weniger für die Spätwerke dieser Künstler. Das ändert sich jetzt langsam.