Mülheim. Am Wochenende gab es wieder ein Quartiersfest am Hans-Böckler-Platz. Wer dort wohnt, hat kurze Wege, aber auch ein gewisses Einsamkeits-Risiko.

Gute Nachbarschaften gibt es immer weniger, ist die allgemeine Annahme. Wie lebendige Nachbarschaft aussehen kann, davon konnte man sich am Samstag beim Quartiersfest am Hans-Böckler-Platz überzeugen.

Zirkuspädagogin hilft bei akrobatischen Versuchen

Nachmittags standen zunächst noch die Kleinen im Mittelpunkt, sie versuchten sich auf der Wiese zwischen den Hochhäusern unter professioneller Anleitung der Zirkuspädagogin Heike Hartmann an ersten akrobatischen Versuchen. Auch bunte Teller, Diabolos und Devil-Sticks flogen bei frühlingshaften Temperaturen durch die Luft. Nebenan ließen die ganz Kleinen Seifenblasen steigen.

Eva ist mit ihren beiden Mädchen gekommen. Der Nachwuchs zeigt gerade sein künstlerisches Talent mit Kreide auf dem Boden, während ihre Mutter der Live-Musik auf der Bühne lauscht. Sie hat kein eigenes Auto und schätzt vor allem die zentrale Lage des Quartiers, die ermöglicht, dass sie überall schnell hinkommt. Gerade spielt die Oldie-Cover-Band „54er“. Zuvor hatte bereits das Mülheimer Kammer-Orchester seine Premiere unter freiem Himmel gegeben.

Eigener Chor aus dem Hans-Böckler-Hochhaus

Aber Musik gab es nicht nur von professioneller Seite, auch der Hans-Böckler-eigene Chor gab sich die Ehre. Der Trupp, der vor allem aus rüstigen Seniorinnen besteht, trifft sich zwei Mal im Monat zum Singen in der örtlichen Begegnungsstätte „Tenne“. Ins Leben gerufen hat den Chor Beate Gottwald, die selbst am Hans-Böckler-Platz wohnt und seit Jahren im Netzwerk der Generationen aktiv ist, das dieses Quartiersfest nun zum zweiten Mal organisiert.

Angebote wie dieses kommen im Quartier gut an. „Diese Projekte leben natürlich davon, dass die Bewohner sich beteiligen und Lust haben mitzumachen“, weiß Jörg Marx vom Netzwerk der Generationen. Als Sozialplaner und Projektentwickler im Sozialamt der Stadt kennt er das Quartier und die besondere Problematik dort genau. „Wir haben hier sehr viele ältere Anwohner“, erklärt er. Im höheren Alter, wenn die Familie nicht mehr in der Nähe wohnt und der Bekanntenkreis eher kleiner wird, bestehe immer das Risiko der Isolation. Dies gelte vor allem in einer solch großen Hausgemeinschaft wie in den Hochhäusern am Hans-Böckler-Platz, sollte man meinen. „Deshalb wollen wir auch mit Festen wie diesen, eine Möglichkeit der Begegnung schaffen“, so Marx.

Telefonkette unter den älteren Bewohnern

Seit rund vier Jahren arbeitet er mit seinen Kollegen an solchen Angeboten für das Quartier in der Mülheimer Innenstadt. Gemeinsam mit den Anwohnern versuchen sie in einer Quartierwerkstatt unter dem Motto „Was bewegt dich, was möchtest du bewegen?“ Bedarfe und Sorgen abzufragen und gemeinsam umzusetzen. Entstanden ist daraus beispielsweise eine Art „Telefonkette“ unter älteren Hausbewohnern.

Die Haupterkenntnis sei aber gewesen, dass ein Großteil der Bewohner gerne und schon seit vielen Jahren dort lebt. Sie schätzen unter anderem die kurzen Wege, wie etwa Marianne. „Mit dem Forum habe ich alle Einkaufsmöglichkeiten direkt vor der Tür“, sagt sie. Auch Barrierefreiheit sei ihr wichtig, so die Seniorin. „Man muss keine Treppe gehen, alles ist über den Aufzug erreichbar.“ Sogar mit einem Brötchenservice kann die Hochhaussiedlung aufwarten.

Senioren in Sorge um ihre Sicherheit

Das Thema Sicherheit, die Angst vor Überfällen, beschäftigt offenbar viele ältere Leute am Hans-Böckler-Platz.

Jörg Marx vom Netzwerk der Generationen betont, dass u.a. der SWB intensiv am Thema Sicherheit gearbeitet habe. Auf dem Gelände würden Unbefugte direkt angesprochen, zudem gebe es schon seit einiger Zeit einen Concierge-Service im Eingangsbereich der Häuser.