Mülheim.. . Eva Rottmann hat mit „Die Eisbärin“ ein Stück zu Internet, Youtubern, Videos geschrieben. Es ist jetzt bei den Mülheimer Kinder-Stücken zu sehen.

Das Klassenzimmerstück „Die Eisbärin“ von Eva Rottmann wird heute und morgen in zwei Mülheimer Schulen gespielt. Zu Gast ist das Theater Kanton Zürich. Die Autorin spricht über das Stück, ihre Arbeit und das Kindertheater:

Worum geht es in „Die Eisbärin“?

Eine circa 25-jährige Influencerin stürmt in ihr altes Klassenzimmer, um dort ein Video für ihren Youtube-Kanal zu drehen. Sie kämpft mit sinkenden Zahlen und erhofft sich durch den Prank (eine Art Streich, Anm. d. Red.) mehr Zuspruch. Während sie den Beitrag dreht, wird sie von ihrer Vergangenheit und der Erkenntnis eingeholt, dass die Fragen von damals sie heute noch begleiten. Die Identitätssuche im Spiegel der anderen, die Jagd nach Likes, Selbstinszenierung versus Authentizität, sind wichtige Themen des Stücks.

Das Stück wird im Klassenzimmer gespielt. Welche Unterschiede gibt es zum Spiel im Theatersaal?

Es war mir wichtig, ein Setting zu erfinden, das die Schüler dort abholt, wo sie sind, einen möglichst niederschwelligen Zugang zu schaffen. Einerseits inhaltlich, andererseits aber auch formal. Die Schüler nehmen das Setting in der Regel zu 100 Prozent an. Es ist laut und turbulent, wenn die Schauspielerin ins Klassenzimmer stürmt, sie muss da teilweise richtig gegen angehen. Für mich ist es vollkommen logisch, dass das passiert. Wir behaupten Realität an einem realen Ort und wir brechen mit den Regeln, die an diesem Ort bestehen. Dadurch fühlen sich die Schülerinnen und Schüler ermutigt, ebenfalls mit den Regeln zu brechen. Dass es sich „nur“ um ein Theaterstück handelt, kann hinterher meistens erst mal niemand glauben.

 
  © Paola Caputo

Sie sind zum ersten Mal für den Kinder-Stücke-Preis nominiert, worauf freuen Sie sich am meisten?

Auf die anderen Stücke und auf die Begegnungen mit anderen professionellen Theaterschaffenden.

Wo/wann schreiben Sie am besten?

Früher nur nachts, das geht, seitdem ich Kinder habe, nicht mehr gut. Ich schreibe oft draußen, auch im Winter. Und im Bett. Schreibtische habe ich nicht so gerne.

Was wünschen Sie für die Zukunft des Kindertheaters?

Mehr langfristige Kooperationen zwischen Theaterhäusern und Autoren. Geld für lange Recherchephasen, um mit Kindern und Jugendlichen Gespräche zu führen, ihre Realität kennenzulernen. Auch wenn es Fragen gibt, die für jede Generation von Heranwachsenden gleich sind, so verändern sich doch gewisse äußere und damit auch innere Parameter und ich finde es absolut notwendig, darüber informiert zu sein. Ich wünsche mir auch Probenprozesse, in denen Autoren und Ensemble – mit klarer Rollenverteilung, aber doch zusammen – an Stoff und Inszenierung arbeiten. Die Vorgehensweise „Autorin schreibt Stück, Regie inszeniert“ stimmt für mich nicht. Theater ist Kollektivkunst, ich verstehe nicht, warum oft eine Trennung besteht zwischen Autoren und Regisseuren. Ich wünsche mir, mehr Menschen kennenzulernen, die inhaltlich denken und kollaborieren wollen, um neue Formen zu finden, die das Theater dringend braucht.

Zur Person

>>Eva Rottmann (geb. 1983) studierte an der Zürcher Hochschule der Künste Theaterpädagogik. Schon im Studium erarbeitete sie mit Jugendlichen Theaterprojekte. 2007 schrieb sie ihr erstes Stück: „Eidechsen und Salamander“. Sie wurde mehrfach ausgezeichnet.

Rottmann schreibt auch Hörspiele. 2015 erschien ihr erstes Kinderbuch. Sie lebt in Zürich.