Mülheim. Leser erinnern sich an Kamele und Elefanten, die vom Saarner Bahnhof in die Manege geführt wurden. Warum aber die Anwohner den Abriss begrüßten.
Der ehemalige Saarner Bahnhof, der seit mehr als 40 Jahren aus dem Stadtbild verschwunden ist, weckt bei älteren Bewohnern des Dorfes Erinnerungen. Was sie damals alles zwischen Fahrkartenschalter und Rampe erlebt haben, möchten wir heute in unserer Serie zu alten Bildern aus der Stadt fortsetzen.
„Der frühere Bahnhof Mülheim-Saarn ist Ende der 1970er Jahre abgerissen worden, nachdem die Deutsche Bundesbahn (DB) nach 103 Jahren das letzte Stück der Unteren Ruhrtalbahn zwischen Saarn Mülheim–Speldorf stillgelegt hatt“, schreibt Heinz aus der Fünten. „Das Gebäude stand an der heutigen Straße ,Zum alten Bahnhof’. Damals gehörte sie zur Kahlenbergstraße, hatte die Postanschrift ,Kahlenbergstraße 21.’“
Eisblumen an Fenster und Wänden
Die Eltern Heinz aus der Füntens hatten von 1946 bis 1957 die Wohnung im Dachgeschoss. „Ich kann mich daran erinnern, dass ich als Zwölfjähriger meinem Vater geholfen habe, diese Wohnung als „Notwohnung“ nach dem Zweiten Weltkrieg bewohnbar zu machen.“
Das Dachgeschoss sei kaum isoliert gewesen. „In heißen Sommern war die Wohnung eine Sauna. In kalten Wintern hatten wir Eisblumen an den Fenstern sowie an Wänden aller Räume. Attraktiv an der Wohnung war aber der schöne freie Ausblick auf die Ruhr und auf den Kahlenberg“, blickt aus der Fünten zurück.
Verstärkte Züge waren immer sehr voll
„Ich erinnere mich, dass Ende der 1940er Jahre, als Pkw noch Mangelware waren, sehr viele Ausflügler in das Ruhrtal den Zug benutzten. An Samstagen und Sonntagen waren die Züge immer sehr voll, obwohl sie mit vielen Waggons verstärkt fuhren. 1973 habe ich ein Einfamilienhaus an der Otto-Pankok Straße gekauft und bin damit wieder in die unmittelbare Nähe des Saarner Bahnhofs gezogen.“
Der Personenverkehr wurde bereits 1968 eingestellt (am 4. oder 26. Mai, Anm. d. Red.). Der Güterbahnhof blieb noch im Betrieb. Auf dem nahe gelegenen Kirmesplatz gastierte öfter ein Zirkus. Die Wagen wurden mit der Bahn transportiert und im Güterbahnhof Saarn abgeladen. Große Zirkus-Tiere wurden zu Fuß über die Straße geführt und kamen an unserem Haus vorbei. Vorher wurden wir gebeten, unsere Autos wegzustellen. Diese hätten einen Elefantentritt wohl nicht überstanden. Für unsere Kinder war es immer ein großes Ereignis, wenn sie aus unmittelbarer Nähe beobachten konnten,wie Kamele und Elefanten aus unserem Vorgarten gefressen haben.“, erinnert sich der WAZ-Leser.
Treff für Motorrad-Rocker
„Bahnhöfe wie der in Saarn gab es in Preußen sehr viele. Sie sahen alle gleich aus. Es bestand daher kein Grund, ihn zu erhalten, als er unbewohnbar geworden war. Wir Anwohner haben seinen Abriss vielmehr begrüßt, da er begann, sich zu einem Treff für Motorrad-Rocker zu entwickeln“, resümiert Heinz aus der Fünten.
Den ehemaligen Saarner Bahnhof, an der Bahnstrecke Styrum, Broich, Saarn, Mintard, Kettwig vor der Brücke hat auch Henning Schulzke auf dem alten Foto erkannt. „Ich wohnte in den 1940er- und 1950er-Jahren in Menden (Stadtgärtnerei, Mendener Straße 61). Wenn wir Expressgut aufzugeben hatten, mussten wir den Saarner Bahnhof ansteuern.
Anschluss an Deutschland
Meine letzte Erinnerung an den Bahnhof steht im Zusammenhang mit einer Wander-Ruderfahrt des Wassersportvereins Mülheim auf der Mosel und dem Rhein – zusammen mit Sportkameraden aus Kettwig und Düsseldorf im Sommer 1953. Die Ruderfahrt startete in Trier, Mosel und rheinabwärts bis Köln. Von dort mit Lkw und Bootsanhänger nach Mülheim“, schreibt Schulzke in seinem Brief.
„Vor Antritt der Reise wurden die Boote (vier oder fünf – Vierer mit Steuermann) am Bahnhof Saarn auf Eisenbahntieflader verladen, um sie nach Trier-Bahnhof auf die Reise zu schicken. Später erhielten wir für die in diesem Jahr meist geruderten Wanderruder-Kilometer einen Pokal als Anerkennung. Für uns war damals der Saarner Bahnhof zwar nicht ,Anschluss in die Welt’, aber doch an Deutschland. Eine überaus gute Erinnerung“, blickt Henning Schulzke zurück.
Fotos von der Studienarbeit
Zwei Fotos aus seiner Studienarbeit hat Werner Heick geschickt. Er machte die Farbaufnahmen für seine Ingenieurarbeit. Dabei lichtete er im Sommer 1977 die komplette Brache rund um den noch stehenden Saarner Bahnhof und den ehemaligen Schrottplatz nebenan ab. Heute stehen auf dieser Fläche längst Häuser. Eine kleine Siedlung ist an der Kante des Bahndamms entstanden. Nur der Straßenname „Am alten Bahnhof“ erinnert noch an die Vergangenheit der Eisenbahn von Saarn in das weite Land.
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