Mülheim. . Dachdecker Michael Klein berät an der Realschule Stadtmitte täglich Jugendliche. Er weiß, was in der Praxis zählt und wo die Grenzen liegen.
Nach vielen Stufen erreichen die Schüler der Realschule Stadtmitte das Büro von Michael Klein. Er sitzt im fünften Stock des Turms. Wer zu ihm kommt, macht einen Schritt in Richtung Karriere. Denn Klein ist seit Anfang des Jahres als Berufsberater an der Schule eingesetzt, er kommt aus der Praxis.
Bislang gab es die Beratung nur von den Lehrern, die auch vorne an der Tafel stehen und Noten verteilen. Oder mal an einem Tag von externen Beratern, die den jungen Menschen einen Überblick über Berufe geben wollen. Der Handwerksmeister, der in Duisburg einen Dachdeckerbetrieb führt, ist selbst noch berufstätig und weiß, wie es in der Arbeitswelt zugeht. Er kennt einen Arbeitstag im Betrieb, aus Sicht des Azubis und aus Sicht des Chefs. Das, was Lehrer ihren Schülern in der Theorie vermitteln, kann er von seiner langjährigen praktischen Erfahrung berichten.
Projekt von Bezirksregierung getragen
Das Projekt ist ein Angebot der Bezirksregierung an die Schulen. „Wir hatten dabei die Wahl zwischen einem Sozialarbeiter und einem Handwerksmeister. Durch unser Ganztagsangebot haben wir bereits drei Sozialarbeiter und so nun ein optimales Team“, freut sich Schulleiterin Sabine Dilbat. Hinzu kommt noch ein städtischer Begleiter, der aber nicht jeden Tag an der Oberstraße im Einsatz ist. Klein hat dagegen bis auf Weiteres eine Vollzeitstelle, was sowohl er als auch die Schule als großes Plus sehen. „Er ist in den Schulalltag integriert und kennt die Schüler besser“, sagt Sabine Dilbat.
Der Selbstständige, der seine Firma nun von außen delegiert, hat ein 100-seitiges Handbuch für Schüler, Lehrer und Eltern erstellt, was die aus seiner Sicht wichtigsten Punkte auf dem Weg in eine Ausbildung aufzählt. Bislang hat er rund 70 Schüler beraten. Das, was Lehrer zusätzlich zu ihrem Job machen. So sorgt Klein für große Entlastung an der Realschule und ist Teil des pädagogischen Berufsorientierungs-Team. Klein kommt aus der freien Wirtschaft und kann ganz anders mit den Schülern umgehen. „Ich habe den Vorteil, dass ich freier mit ihnen sprechen kann.“
Gespräche über eigene Schwächen
„Ich gebe keine Noten“, merkt er an. Dadurch ergebe sich ein ganz anderes Gespräch, über ihre Schwächen wollen Schüler vor Lehrern oft nur ungern sprechen. „Sie haben Bedenken, es würde in ihre Noten einfließen“, sagt Dominica Lünig, die die Berufsorientierung an der Realschule leitet.
Klein erklärt den Schülern die Möglichkeiten auf dem Ausbildungsmarkt und kann aus der Praxis erzählen. Oder faule Schüler mit vielen Fehlstunden warnen: „Ich mache ihnen klar: Mit dem Hinweis auf dem Zeugnis will euch keiner übernehmen. Solche Leute kann man nicht gebrauchen.“ Er muss kein Blatt vor den Mund nehmen und hat das Gefühl, dass die Schüler ihn verstehen. Er erklärt, dass es gerade in praktischen Berufen wichtig ist, aufmerksam zu sein: „Man muss bei der Sache bleiben, das fängt in der Schule an.“
Unbekannte Strukturen kennenlernen
Schüler sollen durch die Beratungsgespräche mit dem Handwerker erkennen, was sie später machen möchten. „Viele wissen es, können es aber nicht formulieren oder sehen die Wege nicht, die sie gehen müssen“, sagt Klein. Die Option, als Handwerker mit einem Meistertitel studieren zu können, würden ebenfalls die wenigsten kennen. Klein möchte die Schüler in Strukturen bringen, die sie nicht erkennen.
Die Schule möchte möglichst mehr als zehn Prozent der Schüler nach ihrem Abschluss in eine Ausbildung schicken können. Dies war zuletzt die Quote. Bislang haben sich bei Klein rund 40 Interessierte gemeldet. Wenn sie es alle schaffen sollten, hat sich der Weg gelohnt.
Berufsorientierung wird groß geschrieben
Die Realschule Stadtmitte hat ab der siebten Klasse einen Rahmenplan zur Berufsorientierung, die sie an vielen Stellen in den Alltag einbaut. Verstärkt ab der achten Klasse wird die Berufsberatung für die Schüler angeboten, ein Team aus drei Lehrern und Handwerksmeister Michael Klein.
Neben mehreren Praktika oder dem Girls- und Boys-Day gibt es unter anderem Speeddatings, eine Potenzialanalyse, einen Besuch bei der Agentur für Arbeit oder von Ausbildungsmessen und als Unterrichtsfächer Arbeits-, Wirtschafts- und Haushaltslehre.