Mülheim. Bis 2030 soll die Armut in Deutschland halbiert werden. Großstädte wie Mülheim stehen unter Druck. Was neben Sozialleistungen auf sie zukommt.
Die Armut wird Mülheim in den kommenden Jahren stark beschäftigen. Deutschland soll laut UN-Agenda bis 2030 die Zahl der armen Menschen halbieren. Die Großlast dieser Aufgabe wird den Kommunen zufallen, denn die Ursachen von Armut – Sozialleistungen, Kinder- und Jugendarmut – liegen in der Zuständigkeit der Großstädte.
Dabei sieht es gerade hier nicht rosig aus: In den NRW-Großstädten wird die Armut in den nächsten Jahrzehnten deutlich ansteigen, warnt die aktuelle Armutsstudie der Bertelsmann-Stiftung über „Nachhaltige Kommunen“. Der Deutsche Städtetag sieht die 13 Ruhrgebietskommunen mit mehr als 100.000 Einwohnern und einem Berg an Altschulden, Kassenkrediten und zum Teil hoher Arbeitslosigkeit in der Bredouille. Mülheim ist als Stadt mit vielen alleinerziehenden Eltern, die auf Hartz IV oder Sozialhilfe angewiesen sind, und steigenden Mietpreisen unter den Großstädten unter Zugzwang.
Sozialdezernent spricht von gespaltener Stadt
Auch der neue Sozialdezernent Marc Buchholz sieht Mülheim als „eine sozial gespaltene Stadt. Von Armut betroffene Menschen leben oftmals räumlich konzentriert in mehrfach belasteten Stadtteilen im Norden der Stadt.“
Insbesondere sind in Mülheim ein Drittel der Kinder unter sechs Jahren zumindest von relativer Armut betroffen, etwa weil ihre Familien von Hartz IV oder von Teilzeitarbeit leben müssen. Und Kinderbetreuung teuer ist. Im Bereich der Kinderarmut bewegt sich die Ruhrstadt laut Bertelsmannstudie deutlich über dem Bundesmittel. Konkret: Während dort knapp jedes vierte Kind von Armut betroffen ist, ist es hier bereits jedes dritte.
15 Prozent der Mülheimer brauchen Grundsicherung
Und auch bei der Zahl an Sozialhilfeempfängern liegt die Stadt über dem Bundesmittelfeld (13,7 Prozent). Im März zählte die Sozialagentur zwar gut 4,6 Prozent weniger Menschen, die eine Grundsicherung bezogen (SGB II). Doch sind es immer noch 19.991 „Regelleistungsberechtigte“ – das ist ein Quote von gut 15 Prozent. Die scheinbar niedrige Quote trügt jedoch, wenn man in die Quartiere schaut. Sozialforscher warnen vor einer weiteren Verstetigung der Armut in bestimmten Mülheimer Stadtgebieten wie Styrum, Eppinghofen und Stadtmitte, wo bereits 40 Prozent der Bewohner von Hartz IV bzw. der Grundsicherung leben.
Auf die Stadt kommen schwere Zeiten zu, wenn sie nicht gezielt gegen die verschiedenen Formen der Armut steuert. „Die Herausforderung ist daher eine soziale Stadtpolitik, die der sozialen und räumlichen Spaltung der Stadt entgegenwirkt und Teilhabe für alle benachteiligte Bevölkerungsgruppen ermöglicht“, so der Sozialdezernent.
Aus eigener Kraft leben können
Buchholz sieht einige Projekte am Start, um Armut zu bekämpfen wie das Mülheimer Bildungsnetzwerk MH/0/25 für Kinder und Jugendliche. Eher vage bleibt es jedoch bei den Betroffenen von Sozialleistungen und Altersarmut. Hier will Buchholz „Arrangements schaffen, in denen Menschen in schwierigen Lebensverhältnissen unter gezielter und sorgfältig angesetzter, professioneller und ehrenamtlicher Unterstützung möglichst aus eigener Kraft ‚ihr Leben’ leben können.“
Älteren soll durch „ein engverknüpftes Netz möglichst vieler caritativer, bürgerschaftlich engagierter Menschen und gewerblicher Dienstleister, Wohnungsunternehmen und Religionsgemeinschaften und anderer gesellschaftlicher Gruppen“ geholfen werden, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.
>>>UN-Agenda: Ziele für nachhaltige Entwicklung
Im Herbst 2015 haben die Vereinten Nationen eine Agenda für nachhaltige Entwicklung verabschiedet. Die enthält 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung, die auf wirtschaftliche, ökologische und soziale Handlungsfelder ausgerichtet sind.
Der UN-Agenda 2030 zufolge, soll die Armut idealerweise in allen Ausprägungen bis 2030 beendet werden. Zumindest aber soll sie in Deutschland bis dahin halbiert werden.
In die Bewertung einer nachhaltigen Kommune fließen ein: die SGBII/SGB XII-Quote, Kinder- und Jugend- sowie Altersarmut.