Mülheim. . Die Sportler der Mülheimer Parkour Generation sind an vielen Stellen in der Stadt unterwegs. Es kommt auf mehr an als nur Körperbeherrschung.
Felix Schmitt nimmt Maß, Anlauf und springt über eine Lücke der hohen Mauer um die Petrikirche. Elegant und mit sicherer Landung im Anschluss. Was für Außenstehende riskant aussieht, ist für den 22-Jährigen quasi Alltag. Er ist einer der Aktiven aus der Mülheimer Parkour Generation (MHPKG).
Die Szene vor Ort ist groß und praktiziert das, was viele im Volksmund als Trendsport bezeichnen. Doch für die Traceure, wie die Parkourläufer genannt werden, ist es viel mehr. Felix Schmitt spricht gar von Lebenseinstellung. Er ist einer aus dem sechsköpfigen Team, das die MHPG leitet. Eine Gruppe mit öffentlichen Trainings, denen sich jeder anschließen kann.
Parkour auf kleinem Raum
Beim Parkour wird oft platt davon gesprochen, dass die Läufer möglichst geradlinig eine Strecke von A nach B laufen und dabei alle Hindernisse überwinden, die ihnen im Weg stehen. „Das geht eher auf den Ursprung zurück. Doch Parkour hat sich sehr verändert“, erklärt Kevin Rutkowski, der mit zehn Jahren Parkourlaufen zu den erfahrenen Sportlern aus der Mülheimer Szene gehört. Heutzutage und gerade in der Ruhrstadt bewegt sich Parkour oft auf kleinem Raum statt einer langen Route, in sogenannten Spots.
Die Spots suchen sich die Traceure selbst aus. Dort nutzen sie die Gegebenheiten, die sie vorfinden. Eins von vielen Beispielen in Mülheim ist die Schloßbrücke, gegenüber der Stadthalle. Dort bieten Steine, Geländer und Barrieren viele Möglichkeiten zum Springen, Stützen oder Balancieren. Das Repertoire der MHPKG-Sportler ist noch weitaus größer. „Es ist pure Körperbeherrschung, die bekommt man im Laufe der Zeit“, sagt Felix Schmitt.
Ständig neue Herausforderungen
Die Parkourläufer begeben sich für ihren Sport bewusst in Grenzbereiche, suchen ständig neue Herausforderungen. „Wir gehen aber alles vorher am Boden durch, Vorsicht und Achtsamkeit steht über allem“, merkt Kevin Rutkowski an. Kleinere Prellungen oder Schürfwunden bleiben nicht immer aus. Große Verletzungen seien aber ganz selten.
„Ich habe früher Fußball gespielt, da war ich häufiger verletzt“, erzählt etwa Tom Grieseler, der wie seine beiden Kollegen zum Leiterteam der MHPKG gehört. Manchmal fahren sie zu dritt einfach mit dem Auto los und halten Ausschau nach neuen Spots, an denen sie sich ausprobieren. „Manchmal nur fünf Minuten, dann geht es weiter. Manchmal länger“, sagt Kevin Rutkowski.
Kreativität ist gefragt
Eine Baustellenbake diente in Mülheim auch schon mal als Hindernis, die Parkourläufer lassen ihre Kreativität spielen. So führen sie auch Einsteiger an den Sport heran, sie begleiten ihre Ideen. „Jede Ortschaft bietet einen neuen Spielplatz“, beschreibt es Kevin Rutkowski.
Einsteiger sehen entweder Traceure im Stadtbild oder schauen sich Videos im Internet an, die sie inspirieren. So war es auch bei Tom Grieseler. Die Herausforderungen reizen ihn. „Wenn ich mit meiner Freundin spazieren gehe, kann es sein, dass ich an einer Stelle stehen bleibe und etwa ausprobiere. Man entwickelt ein geschultes Auge dafür“, gibt er zu. Er gibt demnächst auch Kurse in Kooperation mit dem Café Fox in Broich. Aktuell lehrt er Einsteiger gemeinsam mit Felix Schmitt an einer Essener Schule. Die Szenen sind ohnehin stadtübergreifend unterwegs, sie kennen sich im Ruhrgebiet.
Soziale Werte vermitteln
In Kooperation mit dem Sportservice und seinem Bereich Trendsport ist die MHPKG im Sommer bei den Ruhr Games im Duisburger Landschaftspark Nord vertreten. Jedes Jahr organisieren sie zudem die Ruhr Jam mit Workshops. Darüber hinaus wird von den Traceuren über die Turnerschaft Saarn und den Dümptener TV Parkour angeboten. Dort und auch beim öffentlichen Training ist die Gruppe auch pädagogisch unterwegs – nicht nur, was den Sport anbelangt. „Wir versuchen dabei, Werte zu vermitteln, Gewohnheiten mit auf den Weg zu geben“, erklärt Felix Schmitt.
Im Grunde leistet die MHPKG soziale Arbeit, bringt Jugendliche auf die eine Bahn mit Hindernissen, weg von der womöglich schiefen Bahn. Die Fähigkeiten, die Sportler beim Parkour lernen, können sie ebenso auf andere Lebenslagen übertragen: Verantwortung gegenüber sich selbst und mentale Stärke. „Parkour ist viel mehr Kopfsache als physische Anforderung. Man muss sich der Angst vor Bewegungen stellen, um ihnen und dem Ziel näher kommen“, erklären die Sportler.
Mülheimer Sportlerwaren im Fernsehen
Drei Mülheimer Parkourläufer waren zuletzt im Fernsehen, als sie bei der Sat1-Show „Catch“ teilnahmen: Kevin Rutkowski, Felix Schmitt und Jan Otterbeck.
Die Mülheimer Parkour Generation ist am besten über Facebook zu erreichen, wo es eine gleichnamige Seite gibt. Darüber kam auch die Anfrage vom Fernsehsender.