Mülheim. . Gesundheitsminister Laumann informiert sich im Haus Ruhrgarten in Mülheim über das Pflegekonzept mit Therapien und deutlich mehr Personal.
Zur Kaffeezeit herrscht am Mittwoch Rummel im Haus Ruhrgarten. Zwischen alten Leuten, die behutsam Kuchenteller auf ihren Rollatoren transportierten, erscheint plötzlich Karl-Josef Laumann, Landesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales, mit vielköpfiger Entourage. Die Evangelische Altenhilfe Mülheim, die das Pflegeheim betreibt, möchte Laumann von ihrem besonderen Konzept überzeugen und hat zum Fachgespräch geladen. Im Mittelpunkt: die Möglichkeiten, alte Menschen wieder so fit zu machen, dass sie nach Hause zurückkehren können.
Teilnehmer der Runde sind u.a. Vertreter von Diakonie, Pflegekassen, MDK, die Leitungen des Mülheimer Sozialamtes und der Heimaufsicht sowie der Neurologe Prof. Dr. Markus Jüptner, der Haus Ruhrgarten medizinisch begleitet.
Lichttherapie und Bewegungstraining
Ziel der Begegnung ist laut Pflegedienstleiter Oskar Dierbach, „die Kostenträger und den Minister aus erster Hand über die therapeutischen Möglichkeiten stationärer Pflege zu informieren“. Im Haus Ruhrgarten, das mit dem zugehörigen Haus Ruhrblick insgesamt 113 Pflegeplätze bietet, wird zum Beispiel Lichttherapie eingesetzt, um den Tag-Nacht-Rhythmus ohne Medikamente zu stabilisieren. Neben Physiotherapeuten, die auf Rezept behandeln, werden über den Förderverein eine Gymnastiklehrerin und eine Motopädin finanziert, die die Senioren in Bewegung bringen, etwa Treppensteigen trainieren.
Generell verfügt das Heim über einen deutlich höheren Personalschlüssel als üblich: „Wir haben 7,5 Stellen mehr als Häuser vergleichbarer Größe“, erklärt Dierbach. Dafür entsprechend höhere Pflegesätze, aber auch die feste Überzeugung, dass es sich unterm Strich rechnet. „Wir haben eine Menge positiver Erfahrungen gemacht, Menschen durch therapeutische Pflege wieder auf die Beine zu bringen“, berichtet Dierbach.
Höherer Personalschlüssel als üblich
In Frage komme das, wenn jemand gestürzt ist, an Medikamentenabhängigkeit leidet oder einen Schlaganfall erlitten hat. Laut Dierbach gelingt es 15 bis 20 Prozent der Bewohner, das Heim wieder zu verlassen. In Kooperation mit der AOK sei ausgerechnet worden, dass deutlich weniger Kosten für Krankenhausbehandlungen der Bewohner entstehen. Weniger als die Hälfte des sonst üblichen Aufwands.
Pflegekräfte werden neu motiviert
Beim Gesundheitsminister hat der Besuch offenbar Eindruck hinterlassen. Als „Haus mit besonderer Philosophie“ erlebt er die Mülheimer Einrichtung. „Es ist interessant zu sehen, dass man alte Menschen nach Therapie oft wieder nach Hause bekommt.“ Auch die Pflegekräfte würden durch den therapeutischen Ansatz neu motiviert, „es macht den Beruf attraktiver“.
Laumann will das Projekt unterstützen, zunächst durch wissenschaftliche Begleitung. Die Hoffnung, das Modell mit deutlich aufgestocktem Personal könnte bald landesweit Standard werden, bremst der Minister jedoch: „Wenn wir in NRW rund 2000 Heime haben, reden wir über 14.000 zusätzliche Stellen. Selbst wenn ich das Geld hätte, hätte ich nicht das Personal.“ Im August, so Laumann, werde ein neues Gutachten des Pflegewissenschaftlers Prof. Dr. Heinz Rothgang vorliegen. Auf dessen Grundlage soll der Personalschlüssel nicht mehr, wie bisher, ausgehandelt, sondern an den tatsächlichen Bedarf angepasst werden. „Pflege wird teurer“, so Laumann, „und das System wird noch sehr, sehr lange angespannt bleiben.“
Minister: Pflege wird teurer
>>In den Mülheimer Senioreneinrichtungen gibt es nach aktuellen Zahlen der Heimaufsicht insgesamt 1842 stationäre Plätze. Im Jahr 2017 waren es noch etwas mehr: 1870 Plätze.
Nach seinem Besuch im Haus Ruhrgarten in Menden war der NRW-Gesundheitsminister am Mittwoch noch im Evangelischen Wohnstift Raadt zu Gast. Dort besichtigte er u.a. den Schwerpunktpflegebereich für Wachkomapatienten. Mit Auszubildenden und Pflegekräften diskutierte Karl-Josef Laumann über die berufliche Situation.