Mülheim. . Ulrich Meierdreeß geht in den Ruhestand. 38 Jahre lang war er in der Filiale Holthausen tätig. Als er in die Lehre ging, gab es keine EC-Karten.
Das waren noch Zeiten: Damals, als die englischen Soldaten aus den Wrexham Barraks am Zahltag Schlange standen vor der Sparkassen-Filiale an der Zeppelinstraße. „Es war die englische Invasion“, erinnert sich Ulrich Meierdreeß lachend. Die Männer in grüner Uniform holten ihren Sold ab. Oftmals wurden auch Pfund in D-Mark oder umgekehrt getauscht.
Die Engländer zogen irgendwann ab, der Sparkassen-Mann blieb. Insgesamt 38 Jahre lang arbeitete er in der Filiale Holthausen, so lange war noch kein Kollege in ein- und derselben Außenstelle tätig. Sechs Filialleiter erlebte der gebürtige Essener mit, fast jeden Kunden kann er mit Namen begrüßen. „Bei vielen Familien habe ich es heute mit der dritten Generation zu tun“, erzählt der 63-Jährige.
An Weiberfastnacht ist für Ulrich Meierdreeß Schluss
46 Jahre Sparkasse, 38 Jahre Holthausen – mit diesem Rekord geht der Ehemann und Vater eines erwachsenen Sohnes jetzt in den Ruhestand. An Weiberfastnacht ist Schluss, mulmig wird ihm bei dem Gedanken nicht. Ulrich Meierdreeß wird sich in Zukunft mehr „mit Hardrock als mit Hartgold“ beschäftigen, wie er auf einem Abschiedsschild in der Schalterhalle seinen Kunden mitteilt. Denn mit der Musik von Ozzy Osbourne oder Led Zeppelin ist er aufgewachsen, regelmäßig hat er den Business-Anzug abends gegen Jeans und Lederjacke getauscht und ein Rockkonzert besucht.
Aber zurück zum Job des angehenden Rentners: 1973 startete er als Lehrling ins Bankgeschäft. „Ich habe gerne mit Zahlen jongliert, war kein kontaktarmer Mensch. Ich habe mir den Umgang mit Kunden zugetraut“, erinnert er sich. Bei der Mülheimer Sparkasse bekam er einen Ausbildungsplatz. „Vor 46 Jahren war vieles noch ganz anders, manches wäre heute undenkbar“, sagt Ulrich Meierdreeß. Ein Beispiel: „Von der Hauptkasse wurde damals täglich das Bargeld in die Filialen gebracht. Von einem hauseigenen Fahrer, ohne Bewaffnung, ohne Panzerfahrzeug.“
Als das Geld noch an der Kasse abgehoben wurde
Auch die elektronische Revolution hatte in den 70ern im Bankwesen noch nicht eingesetzt. „Von wegen EC-Karte! Mit einem Lochkartenverfahren wurden Daten ausgelesen. Kontoauszüge wurden noch manuell einsortiert – in die Kontentasche des Kunden. Überweisungen füllte der Kunde gemeinsam mit dem Mitarbeiter aus. Geld wurde an der Kasse abgehoben“, berichtet Ulrich Meierdreeß.
In den damals 15 Filialen wurden noch alle Aufgaben abgewickelt: Immobilienberatung, Anlageberatung, Wertpapiergeschäfte, Kreditvergabe und so weiter. „Heute sind die Wissensansprüche in den einzelnen Bereichen so hoch, dass Spezialisten benötigt werden“, so der Sparkassen-Oldie.
Einen Banküberfall musste er nie durchstehen
Meierdreeß selbst war immer Kundenberater, lange Zeit auch Kassierer. Einen Banküberfall wie ihn die Kollegen auf der Heimaterde drei Mal erleben mussten, hat er in Holthausen nie durchstehen müssen. Dafür hat er mal „einen Enkeltrick verhindert“. „Ich kannte die Kundin, eine alte Dame. Sie wollte richtig viel Geld abheben, das war sehr ungewöhnlich. Ich habe bei der Familie nachgehakt.“
Was er jungen Kollegen mit auf den Weg gibt? „Man sollte offen sein für Veränderungen im Berufsleben“, meint Ulrich Meierdreeß. Sehr wichtig sei es aber auch, den Kundenkontakt zu pflegen, das Vertrauen der Menschen zu gewinnen, authentisch zu bleiben – und unkompliziert. Durch die Digitalisierung werde der direkte Kontakt zum Kunden weniger, teilweise aber auch intensiver – im Zuge persönlicher und qualifizierter Beratung. „Beratungsgespräche sind heute viel aufwendiger als früher.“
„Meine Devise war immer: Positiv an die Sachen rangehen! Ich bin nie mit Frust zur Arbeit gegangen“, sagt der Mülheimer. Das habe auch am guten Betriebsklima in der Sparkasse gelegen, zu dem auch der Betriebssport beitrage. Ulrich Meierdreeß war lange Verteidiger im Fußball-Team. Künftig will er sein „Fahrrad mehr bewegen“ und passiv im Fußball mitmischen: Er hat eine Dauerkarte für den BVB.