Mülheim. . Männergesangverein Saarn 1869 feiert runden Geburtstag. Er ist der zweitälteste Chor der Stadt. Chronik beschreibt Konzerterfolge.
Schon draußen auf dem Klosterhof sind die klaren Männerstimmen zu hören, doch plötzlich herrscht Stille. Dann setzt der Gesang wieder ein und bricht Sekunden später erneut abrupt ab. Das wiederholt sich mehrfach – bis die Sänger die Strophen des Liedes durchziehen und mehrstimmig beenden. Die knapp 30 Aktiven des Männergesangvereins Saarn 1869 proben für ihre Jubiläumskonzerte. Das 150-jährige Bestehen ihres Chores feiern die Mitglieder in den kommenden Monaten. Für große Jubelfeste fehlt den Herren inzwischen die Luft. Singen können sie alle noch prima. Bei der Organisation mit anpacken, da fehlt den meisten bereits die Kraft. Damit befinden sich die Saarner Sänger in bester Gesellschaft mit anderen Chören – allen fehlt Nachwuchs.
Rückblick: Aus einer Laune heraus gründen ein paar junge Männer am 18. Februar 1869 den Männergesangverein (MGV) Gemütlichkeit. Die Mitglieder des evangelischen Jünglingsvereins, die „Spaß am Singen haben“ wollen „nicht nur in der Gemeinde geistliche Lieder vortragen“. Die kleine Gemeinde existiert da schon seit mehr als 100 Jahren im Dorf, das vom katholischen Kloster dominiert wird. Die erste evangelische Kirche wird 1778 in Saarn eingeweiht. Die Bevölkerung ist bäuerlich geprägt. Im Dorf entstehen erste Handwerksbetriebe in Familienregie.
Zahlreiche Protokollbücher, aber mit großen Lücken
Mehr über die Chorgründung ist nicht exakt überliefert. „Es existieren noch zahlreiche Protokollbücher, aber mit großen Lücken“, beschreibt Manfred Baaken, der 1. Vorsitzende.
Saarn gehört zur Zeit der Chorgründung zur Bürgermeisterei Broich. In Mülheim, auf der anderen Ruhrseite, meldet der „Hafen-Actien-Verein“, der den ab 1846 bestehenden Ruhrhafen betreibt, Bankrott an. Gründe dafür sind die wenige Jahre zuvor eröffneten Eisenbahnstrecken. Die Verlagerung des Kohletransportes auf die Schiene ist der Tod der Ruhrschifffahrt.
Aufschwung in den 1950er Jahren
Der Saarner Chor erlebt starken Zuwachs. Der katholische Kirchenchor bleibt Platzhirsch. Beide Sängervereine finden im aufstrebenden Dorf genug Stimmen. Nach der Jahrhundertwende und nach dem Esten Weltkrieg entstehen weitere Chöre. Gemeinsam zu singen, das ist in den 1920er Jahren modern. Nach dem Zweiten Weltkrieg, aus dem einige Sänger nicht zurückkehrten, bietet der Männerchor neuen Sängern eine gemütliche Gemeinschaft, geht aus dem Protokoll von 1949 hervor. Der Chor feiert sein 80-Jähriges mit „bejubelten Konzerten“ bescheiden, wie es der Zeit entspricht.
In den 1950er erlebt der Chor einen Aufschwung. Mehr als 100 Männer singen bei den wöchentlichen Proben. Die Säle der Gemeinden oder Gaststätten platzen aus den Nähten. Wirte leben gut, wenn sie Stammlokal eines Chores sind. Die Mitglieder sind oft in weiteren Vereinen aktiv. Einen Mangel an Auftritten und Konzertterminen gibt es kaum. Auch der MGV Gemütlichkeit fährt bei fast 120 Aktiven mit zwei bis drei Reisebussen zu seinen Konzertauftritten.
Diese Blüte währt nur zehn Jahre. Die Konkurrenz unter den Sängern wächst. Um den hohen Standard zu halten wachsen aus sechs Saarner Männerchören zwei große zusammen. Beide fusionieren schließlich 1968 zum „Männergesangverein Saarn“, der das Gründungsjahr des ältesten Chores (1869) in seinen Namen übernimmt. 1969 feiert dieser Chor mit mehreren Konzerten sein 100-jähriges Bestehen.
>>> Zusammenhalt wie in einer großen Familie
Inzwischen ist es in den Reihen des MGV Saarn ruhiger geworden. Zur Zeit singen knapp 30 Aktive. Sie haben 97 Förderer und weitere Sponsoren im Rücken. „Die Sängerfrauen unterstützen ihre Männer bei Veranstaltungen und sorgen für Zusammenhalt, so dass der Chor wie eine große Familie funktioniert. Dazu gehören auch alle zwei Monate ihre Treffen als Stammtisch Saarner Mädels“, bedankt sich Manfred Baaken. Er ist seit 33 Jahren Vorsitzender des MGV Saarn und möchte das Amt gern an einen Jüngeren übergeben. „Aber es möchte keiner.“
In 15 Jahrzehnten führen mehrere Dirigenten den MGV Saarn zu großen musikalischen Erfolgen bei Konzerten und Sängerwettstreiten. „Die Sänger haben gute klare Stimmen. Sie singen mit viel Gefühl“, lobt Juri Dadiani den Chor. Der Chorleiter und Kapellmeister bewegt zur Zeit beim MGV Saarn 1869 seinen Taktstock.
Nachdem im Juli 2016 die Liedertafel ihr letztes Konzert gab und sich in 2017 der MGV Frohsinn nach 165 Jahren wegen Nachwuchsmangels auflöste, feiern dieses Jahr zwei Männerchöre ihren 150. Geburtstag: Die „Sängervereinigung 1869“ aus Broich. Ihr Gründungsdatum ist die Neujahrsnacht – sieben Wochen früher als das der Saarner Gemütlichkeit.
Das Dorf hat neben den Chören der evangelischen und der katholischen Gemeinde den „Frauenchor 1967“ und die „Sangesfreunde 1952“ aus der Oembergsiedlung. Der MGV Saarn probt jeden Dienstag, von 17 bis 19 Uhr, im Saal des Saarner Klosters.