Interview mit Onkologe Dr. Jan Schröder: Rauchen, Alkohol, Bewegungsmangel, Übergewicht gelten als Krebsrisiken. Künftig mehr Fälle erwartet.
Der Weltkrebstag am 4. Februar widmet sich der Aufklärung über die Tumorerkrankung und will über Risiken und die Früherkennung informieren. In diesem Jahr steht das Thema Prävention (Vorbeugung) im Fokus. Ein Gespräch mit Privatdozent (PD) Dr. Jan Schröder, Chefarzt der Medizinischen Klinik für Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin im Evangelischen Krankenhaus (EKM) Mülheim.
Weltweit sterben jährlich 9,6 Millionen Menschen an Krebs. Wie ist die Entwicklung hierzulande?
Jan Schröder: Die Krebshäufigkeit hat pro Altersgruppe nicht zugenommen. Aber durch die demographische Entwicklung werden wir künftig mehr Krankheitsfälle sehen. Die geburtenstarken Jahrgänge kommen in das krebsanfällige Alter. Man darf ja nicht vergessen, dass Krebs vor allem eine Krankheit des Alters ist. Der Körper ist nicht auf 150 Jahre Lebenszeit vorbereitet.
Was sind heute die häufigsten Krebserkrankungen?
Nach wie vor Erkrankungen des Dickdarms, der weiblichen Brust, der Prostata und der Lunge. Auch wenn die Fälle von Lungenkrebs zurückgehen werden, weil die jungen Leute weniger rauchen. Wir haben zwar auch Lungenkrebspatienten mit knapp über 30, aber das typische Alter bei den Lungenkrebspatienten sind die heute 70-Jährigen.
Mehrere alkoholfreie Tage pro Woche
Was gilt als Risiko für eine Krebserkrankung?
Umweltbelastungen, etwa durch Feinstaub, aber auch Rauchen, Alkohol, Bewegungsmangel, Übergewicht und die Ernährung.
Wer etwa viel rotes Fleisch verzehrt, erhöht sein Darmkrebsrisiko. Und die WHO, die Weltgesundheitsorganisation, hat kürzlich beim Alkoholkonsum die toxische Grenze für allgemeine Gesundheitsschädigungen auf zehn Gramm Alkohol pro Tag heruntergesetzt. Das ist ein kleines Glas Bier und weniger als 0,1 Liter Wein.
Zur Prävention gehört also unbedingt eine gesunde Lebensweise?
Es wird empfohlen, mehrere alkoholfreie Tage pro Woche einzuhalten und sich zwischen der letzten Mahlzeit am Abend und der ersten am Morgen 13 Stunden Zeit zu lassen. Neben den Hauptmahlzeiten sollte man frisches Obst und Gemüse essen und sich abends Low Carb ernähren. Denn Kohlenhydrate benötigen wir, wenn wir uns bewegen, aber nachts schlafen wir.
Gibt es eine angeborene Veranlagung für Krebs? Welche Rolle spielen genetische Faktoren?
Es gibt einmal eine familiäre Häufung ohne genetische Veränderungen. Und es gibt zum anderen vererbbare Defekte im Erbgut, die zu einer Krebshäufigkeit führen. Eine Mutation der Risikogene BRCA 1 und BRCA 2 zum Beispiel kann zu Brustkrebs führen. In der Anamnese beim Hausarzt gibt es Kriterien, die gezielt dazu abgefragt werden. Die familiäre Situation wird mit einbezogen, manchmal wird dann eine genetische Beratung empfohlen.
Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen
Welche Vorsorgeuntersuchungen werden empfohlen?
Das Brustkrebs-Screening für Frauen zwischen 50 und 69 Jahren hat die Sterblichkeit herabgesetzt. Zugenommen hat die Rate an früh erkannten Tumoren, die man noch ohne Chemotherapie behandeln kann. Und wer zur Koloskopie, zur Darmspiegelung geht, reduziert damit sein Risiko, an einem Darmkrebs-Karzinom zu sterben.
Die Koloskopie hat einen Sensitivität von 97 Prozent – so wahrscheinlich ist es, dass man auch sieht, wenn da etwas sein sollte. Eine Darmspiegelung ist zur Vorsorge und zur Früherkennung absolut zu empfehlen. Ich empfehle auch die HPV-Impfung für Jugendliche vor dem ersten sexuellen Kontakt. Bei Infektionen mit Humanen Papillomviren (HPV) kann sich Krebs am Gebärmutterhals, am After und im Rachen entwickeln.
Das CT-Screening der Lunge zur Früherkennung für Hochrisikopatienten wie Raucher hat sich als feste Vorsorge in Deutschland noch nicht etabliert, es ist aber anhand der Datenlage zu empfehlen.
Die Diagnose Krebs ist für Betroffene immer ein Schock. Welche Fortschritte gibt es in der Therapie?
Die Onkologie ist das Fach mit der größten Innovation. Es wird eine Vielzahl von Medikamenten entwickelt, auch ganz neue Therapien. Oft wendet man bei der Behandlung keine Chemotherapie, sondern eine Immuntherapie an. Dabei wird der Tumor vom Immunsystem erkannt, die Krebszellen werden vom eigenen Immunsystem bekämpft. Das wird bereits bei Lungenkrebs, schwarzem Hautkrebs und Kopf-Hals-Tumoren angewendet.
>> JÄHRLICH 500.000 NEUE KREBSKRANKE IN DEUTSCHLAND
Der Weltkrebstag am 4. Februar steht unter dem Motto „Wir können. Ich kann“. Die Deutsche Krebshilfe will an diesem Tag für Prävention sensibilisieren. Laut Deutscher Krebshilfe erkranken hierzulande jährlich ca. 500.000 Menschen neu an Krebs.
Insbesondere Bewegung könne das eigene Krebsrisiko senken, so die Deutsche Krebshilfe. Bei Krebspatienten könne Sport und Bewegung zudem die Nebenwirkungen reduzieren.
In Deutschland werden die im Zeitraum zwischen 1955 und 1969 Geborenen von Statistikern als geburtenstarke Jahrgänge – oder auch als Babyboomer – bezeichnet.