Mülheim. . Neue Ausstellung des Kunstmuseums Mülheim hinterfragt den Umgang mit Skulpturen und Denkmälern. Es fehlt Geld zur Pflege, oft auch Sensibilität.

Der Hajek-Brunnen am Synagogenplatz ist geradezu ein Sinnbild des Umgangs mit der öffentlichen Kunst in der Ruhrstadt: Einst wurde er als demokratische, bewusst hierarchielose und bürgernahe Verweil-Skulptur und damit Gegenbegriff zur unnahbar-aufschauenden religiösen oder politischen Kunst entworfen. Heute ist seine sich einst über den ganzen Platz erstreckende Komposition zur Unkenntlichkeit zugestellt, verändert worden.

Der Nele-Brunnen, ein beliebtes Schmuckstück an der alten Stadtbücherei, ist im Zuge von Modernisierung und Ruhrbania verschwunden. Seit Jahren beraten Politik und Verwaltung über einen neuen Ort – bislang ergebnislos. Kunst fand weder in der umstrittenen Ruhrbania-Architektur noch im neuen Stadtquartier einen Platz.

Skulptur von Ernst Rasche eingelagert

Und eine Skulptur von Ernst Rasche auf dem ehemaligen Agiplan-Gelände an der Zeppelinstraße hätte der neue sogenannte Investor wohl auch entsorgt, hätte die Stadt sie nicht abtransportiert und eingelagert. Doch aus dem Blick der Öffentlichkeit ist sie verschwunden.

Wie geht die Stadt mit ihrer Kunst um? „Das ist eine schwierige Frage, der sie sich stellen muss“, will Beate Reese, Leiterin des Mülheimer Kunstmuseums, mit einer neuen Foto-Ausstellung im „Museum Temporär“ an der Schloßstraße 28 das Bewusstsein und die Debatte über Kunst im öffentlichen Raum schärfen. Mehr als 250 solcher Exponate besitzt Mülheim. Die Fotografen Ralf Raßloff und Walter Schernstein haben dazu ihre Dokumentationen – teils im Auftrag der Stadt – verfügbar gemacht.

Sie zeigen: Die Achtlosigkeit beginnt nicht bei Graffiti-Schmierereien auf Denkmälern, sondern auch ganz ohne „gestalterische Absicht“. Hinweisschilder und Wanduhren werden etwa „ganz praktisch“ inmitten von Reliefs und Wandmalereien auf Schulhöfen platziert. Die „Faltungen“ von Peter Schwickerath an der Hauptpost hat man kurzerhand beim Bau des Easy-Gebäudes flach auf den Platz gestellt, obwohl es leicht angewinkelt für einen Hügel komponiert wurde. „Man fragt sich, was soll das? Es wirkt deplatziert, fast wie ein Schandfleck“, merkt Reese an.

Mülheim erlebt derzeit einen enormen Bauboom

Nicht nur Mülheim erlebt derzeit einen enormen Bauboom, doch ihm droht in diesem Zug auch die Geschichte der Stadt anheim zu fallen. Zum Bauboom in den 50er Jahren hatte die Kunst im öffentlichen Raum und am Bau noch einen Fördertopf, bemerkt Reese. Doch das letzte vergleichbare Projekt liegt in Mülheim gut 17 Jahre zurück. 1992 entstand mit Fördermitteln Robert Schads Brunnenskulptur „Mülheimer Gruppe“ auf dem Müga-Gelände.

Wie sich die öffentliche Kunst ohne Förderung verändert, beobachtet Reese genau: „Sie ist oft nur noch temporär zu sehen oder als immaterielle Lichtkunst. Man fürchtet offenbar das Dauerhafte.“ Denn das bedeutet für die Kommune auch Pflegekosten.

Am 7. Februar lädt Reese ab 18 Uhr zur thematischen Debatte in die Schloßstraße 28 ein. Zu Gast wird auch der Leiter des Planungsamtes, Felix Blasch, sein. Im März sollen Stadttouren zu Kunstwerken in der Stadt folgen.

>>> MUSEUM TEMPORÄR WIRD GUT ANGENOMMEN

Es sei ein Kraftakt gewesen, als man im November das Kunstmuseum in Teilen an die Schloßstraße 28 verlegen musste, räumt Leiterin Beate Reese ein. Die Sammlungen lagerte man ein, schickte sie auf Tour.

Inzwischen wird das „Museum Temporär“ samt Shop gut angenommen. Öffnungszeiten: di-fr: 10-18, sa-so: 10-14 Uhr.