Mülheim. . Eine Ausstellung zeigt süße Erinnerungen aus 136 Jahren Schokoladenproduktion in Speldorf. Alle Wissoll-Exponate stammen aus Privatsammlungen.
„Die Veräußerung von Wissoll an van Netten (Dortmund) ist die beste Lösung. Auf diese Weise ist es uns gelungen, einen großen Teil der Arbeitsplätze zu erhalten.” Das erklärte Karl-Eri-van W. Haub, damals Chef der Unternehmensgruppe Tengelmann. Im Sommer 2003 verzog sich der süße Schokoladenduft aus Speldorf und Broich. Wissoll war nach 136 Jahren Geschichte. Trotzdem lebt die Firma, bei der Generationen aus Mülheimer Familien gearbeitet haben, weiter. Zahlreiche Erinnerungsstücke haben Dirk von Eicken und Bernd Simmerock jetzt für eine Ausstellung zusammengetragen. Sie wird im Atelier „Kunst & Geschichte“, Oberstraße 27, am Dienstag, 15. Januar, eröffnet.
Liebe zum Detail prägt diese Schau, in der sich Originale mit Fotokopien abwechseln. „Ich habe von 1981 bis 1989 bei Wissoll gearbeitet, in der kaufmännischen Abteilung eine tolle Ausbildung bekommen“, stellt Dirk von Eicken gleich seine Nähe zu den Exponaten her. Bernd Simmerock kopierte aus alten Büchern oder ersteigerte Stücke im Internet: „Man kann viel bekommen. Die Preise sind jedoch oft überzogen.“ Beide fühlen sich der Mülheimer Geschichte verbunden. Sie möchten mit der Ausstellung Besuchern Erinnerungen aus dieser Stadt näherbringen.
„Wissoll“ kennen fast alle erwachsenen Mülheimer. Der Schriftzug hat sich über Jahrzehnte vielen eingeprägt. „Wissoll“ steht für Wilhelm Schmitz-Scholl Schokoladen- und Zuckerwaren GmbH, dem Firmengründer der späteren Tengelmann-Handelsgesellschaft.
Süßwaren-Eigenmarke des Tengelmann-Konzerns
Wissoll war die Süßwaren-Eigenmarke des Konzerns. Zahlreiche Frauen in weißen Kitteln produzierten einst Schokolade, Pralinen, Bonbons, Eierlikör und Weingummi in den Hallen neben der Ulmenallee. „Dort gab es auch den Werkverkauf, wo sich Mitarbeiter und Nachbarn regelmäßig eindeckten“, erlebte von Eicken.
Wer erinnert sich nicht an Eckes Edelkirsch, Wissolls Antwort auf „Mon Cheri“. „Wissoll – trink Schokolade“ bat eine andere Werbung. Wodka kam in Tankwagen zur süßen Veredelung an die Ulmenallee. „Wissoll Gorbatschow“, stand auf der Packung. Auch Schokoladenbohnen, gefüllt mit Weinbrand, waren sehr beliebt. Für festliche Anlässe gab es den „Vierklang“ oder größere Pralinensortimente.
Die Ausstellung präsentiert Bilder und Bücher aus der Tegelmannzentrale, die Zeiten eines großen Familienbetriebes festhalten. „Alle Mitarbeiter wussten, was und wie es in anderen Abteilungen lief. Die Kaufleute mussten auch in der Produktion lernen und die Pralinenfrauen im Büro“, blickt Dirk von Eicken auf seine Zeit im Schokoladenduft zurück. Von seinem Vater hat er noch den Dienstausweis und den Namensanstecker. Auf Dunkelrotem Grund steht Wissoll in goldenen Buchstaben, darunter auf weißen Feld der Familienname – ein edles Erinnerungsstück.
Schokoladenkistenrennen nach dem Zweiten Weltkrieg
Große Lastwagen auf dem Hof an der Wissollstraße tragen den Schriftzug. „Da wusste gleich jeder, was drin war“, erklärt Bernd Simmerock. Er hat aus alten Jahrbüchern und Publikationen Anzeigen oder Artikel zur Firmengeschichte beigesteuert.
Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es Schokoladenkistenrennen. Start war oben auf der Reichspräsidentenstraße. Wer auf dem Lohscheid neben dem Altstadtfriedhof durchs Ziel sauste, erhielt zwei Tafeln Siegerschokolade. „Das war damals etwas Besonderes. Viele Kinder kannten gar keine Schokolade“, steht in einem Zeitungsartikel von 1950.
Krabbeltiere in Kakaosäcken
In einer Sammelmappe finden Besucher Nikoläuse, Weihnachtsmänner, Osterhasen, Engel und Zwerge verschiedener Formen und Größen. „Das ist der Produktkatalog von 1981“, erläutert Dirk von Eicken. Er hat sogar noch ein Original der Gussform – ein Jäger und Sammler.
Eine Schreibmaschine mit vergilbten Firmenbögen auf der Walze steht auf einem zweiten Tisch. Auf den Tasten liegt ein totes Insekt. „Die Sekretärinnen haben sich erschrocken und sind weggelaufen, wenn sie so ein Krabbeltier sahen. Die kamen in den Kakaosäcken aus Afrika in die Firma und haben sich, wo es warm war, verkrochen“, erinnert sich von Eicken.
Max Greger spielte zum 111-jährigen Firmenbestehen
Max Greger spielte mit seinem Orchester auf einem Fest zum 111-jährigen Firmenbestehen, zeigt ein Plakat. Taschentücher und T-Shirts mit dem Schokoladen-Schriftzug sind weitere Sammlerstücke.
Wer Schokolade, Weingummi oder Eierlikör aus der Wissoll-Produktion in der Ausstellung sucht, wird nichts finden. Das Verfallsdatum von 2003 ist längst überschritten. Aber Schokolade kann sich halten – vielleicht lagern in einigen Mülheimer Kellern noch Täfelchen und weitere Erinnerungen.
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Die Ausstellung Wissoll – süße Erinnerungen, ist im Ladenlokal „Kunst & Geschichte“, an der Oberstraße 27, vom 15. Januar bis zum 14. Februar zu sehen. Öffnungszeiten: dienstags, mittwochs und donnerstags, jeweils von 16.30 bis 18.30 Uhr.
Bei „Kunst & Geschichte’“, einer privaten Gemeinschaft, wechseln Schauen mit Kunstwerken und Exponaten zur Stadtgeschichte ab. Seit dreieinhalb Jahren engagieren sich dort Gerd Kampf, Dirk von Eicken und weitere Mitstreiter.