Mülheim. . Die Affäre um Oberbürgermeister Ulrich Scholten hat die Mülheimer Schlagzeilen 2018 bestimmt wie kein anderes. Wir blicken auf das Jahr zurück.
Begonnen hat das Jahr 2018 in Mülheim mit der Nachricht, dass sich die Stadt mit 33 Projekten um die Teilnahme an der Internationalen Gartenbauausstellung (IGA) 2027 bewerben will. Das Ende fand das Jahr mit der Ankündigung des schwer angeschlagenen Oberbürgermeisters Ulrich Scholten, dass er für eine zweite Amtszeit kandidieren will. Unser Rückblick auf das Jahr.
April
Die Pferde in Speldorf laufen wieder. Karl-Dieter Ellerbracke (73) ist erstmals als Vorsitzender des neuen Rennclubs Mülheim für einen Renntag verantwortlich +++ Siemens-Personalvorstand Janina Kugel besucht das Dampfturbinen- und Generatorenwerk: Was aus dem geplanten Abbau von mehr als 740 Stellen am hiesigen Standort werden soll, verrät sie nicht +++ Sport ist in: Zwei Laufstrecken im Uhlenhorst und im Witthausbusch werden eingeweiht, zudem die Fitnessanlage „Outdoorgym Kahlenberg“ +++ Das Franky’s-Team wird an der Ruhrpromenade das Thai-Restaurant Kaimug eröffnen
Seit Tagen wird Karl-Erivan Haub vermisst. Der Tengelmann-Chef soll beim Skifahren in den Alpen verschwunden sein. Viele Mülheimer bangen mit Familie und Mitarbeitern +++ Maschinenbau soll nicht länger Männerdomäne sein: Die Hochschule Ruhr West richtet einen reinen Frauenstudiengang ein +++ Das Insolvenzverfahren der Awo ist beendet. 220 Beschäftigte hatte das Wohlfahrtsunternehmen 2016, übrig geblieben sind 168 Arbeitsplätze +++ Friedrich Leßmann, von 1980 bis 1995 Superintendent des Kirchenkreises An der Ruhr, stirbt im Alter von 86 Jahren +++ OB Scholten zeigt sich erschüttert vom Verschwinden Karl-Erivan Haubs. Die Familie glaubt nach gut einer Woche nicht mehr, dass der Tengelmann-Chef noch lebend gefunden wird
Nach zwölf Jahren verlässt Rolf Hemke das Theater an der Ruhr und übernimmt das Kunstfest Weimar +++ Die alte Idee vom Wohnen auf der Ruhr könnte Realität werden: Drei Architekten und ein Geodät tun sich zusammen. Von sieben Standorten für die „Floating Homes“ ist die Rede +++ Unter Klima-Gesichtspunkten müssten die Planungen für das Flughafenareal eingestellt werden. Auch im Rumbachtal dürfe nicht mehr gebaut werden, da die Kaltluftzufuhr für die Innenstadt gefährdet wäre, so eine Klimatologin
Wo, in welcher Form und Größe soll es die VHS noch geben? Die Stadt sucht per Ausschreibung nach Gutachtern, die das Gebäude an der Bergstraße untersuchen, aber auch Stellung nehmen zu einem möglichen Neubau oder der Anmietung eines Objektes. Entscheidend ist die Wirtschaftlichkeit +++ Mit massivem Aufgebot suchen Rettungskräfte nach einem Mann (22), der von der Schloßbrücke in die Ruhr gesprungen ist. Der Einsatz bleibt zunächst erfolglos. Erst fünf Tage später wird sein Leichnam nahe der Konrad-Adenauer-Brücke entdeckt +++ Die Verwaltung hält das Bürgerbegehren zur VHS für unzulässig. Es richte sich gegen einen Ratsbeschluss vom 7. Dezember; die vorgeschriebene Frist von drei Monaten sei verstrichen
Die Betreuung in Kita und OGS wird zum 1. August teils deutlich teurer. Eltern sind aufgebracht, sie fühlen sich schlecht oder zu spät informiert +++ Die Zahl der Asylbewerber und Flüchtlinge ist rückläufig, die Unterkünfte sind zu 53 Prozent ausgelastet. Ende 2018 soll das Flüchtlingsdorf an der Holzstraße schließen
Mai
Filmemacher Rainer Komers wird ausgezeichnet: Für den Dokumentarfilm „Ruhr Record“ (2014) erhält er beim Geschichtswettbewerb „Hau Rein! Bergbau im Ruhrgebiet. Alltag. Wissen. Wandel“ in der Kategorie „Bewegte Bilder“ den ersten Preis +++ Vandalen wüten in der aufgegebenen Christuskirche an der Parsevalstraße. Sie beschmieren Kreuz, Altar, Böden und Bänke mit Farbe, versprühen Löschschaum, lassen über Tage Wasser laufen +++ Die nächste Großbaustelle geht an den Start: Anwohner und Geschäftsleute am Oppspring stöhnen +++ Nach der Kollision mit einem Betonmischer ist im Oktober 2017 eine Radfahrerin (13) gestorben. Gegen den Lkw-Fahrer erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage wegen fahrlässiger Tötung
Noch ein bedrückender Fall: Mit massiven Kopfverletzungen kommt ein Säugling ins Krankenhaus, stirbt dort. Schnell ist von Gewalt die Rede. Zunächst werden Mutter (17) und Vater (22) festgenommen. Doch als dringend tatverdächtig gilt bald nur noch der Vater. Er kommt in U-Haft. Um die Herausgabe der Akten entbrennt ein Streit zwischen Polizei und Krankenhaus. Mit einem Aufgebot von etwa 30 Beamten rückt die Polizei an, niemand darf das Haus verlassen oder betreten. Die Klinik gibt die Akte „aus Notwehr“ heraus +++ 647 Verdachtsmeldungen auf Kindeswohlgefährdung gab es 2017, das waren 111 Fälle mehr als im Jahr zuvor. Der Kommunale Soziale Dienst holte 177 Kinder und Jugendliche aus Familien. Die Jugendhilfe kostet immer mehr Geld +++ Bühnenbildner Gralf-Edzard Habben stirbt mit 83 Jahren. Er war Mitbegründer des Theaters an der Ruhr. Mit Regisseur Roberto Ciulli arbeitete er 50 Jahre zusammen
Schon wieder sprengen Täter einen Geldautomat, diesmal am Real-Markt an der Weseler Straße +++ Die „Stücke“ sind eröffnet, die 43. Auflage der Mülheimer Theatertage +++ Styrum droht der Verkehrskollaps: Beim Bau der Thyssenbrücke sind erhebliche Mängel festgestellt worden. Die per Schwerlastkran aufgelegten Stahlträger passen nicht mit dem Unterbau überein. Auf der Styrumer Seite der Brücke klaffen zwischen Pfeiler und Träger fünf bis sieben Zentimeter breite Luftlöcher. Es gibt Streit, die Bauarbeiten ruhen +++ Oliver Schmaering gewinnt mit „In dir schläft ein Tier“ den Kinderstücke-Preis +++ Die Stimme der regionalen Wirtschaft, Heinz Lison, ist verstummt. Der 74-Jährige ist ganz plötzlich gestorben. Sein Engagement galt den Unternehmen und der Stadt, dem Wirtschaftsstandort Ruhrgebiet und vor allem der Hochschule Ruhr West
Stadtplaner, Wirtschaftsförderer, Politiker und Umweltfachleute machen sich Gedanken über die künftige Nutzung des Flughafen-Geländes. Angepeilt werden bis zu 6000 Wohnungen und 2000 neue Arbeitsplätze – sowie ein weiterhin gutes Klima +++ Oberbürgermeister Ulrich Scholten (SPD) steht im Verdacht, städtische Gelder veruntreut zu haben. Laut Kämmerer Frank Mendack gibt es Auffälligkeiten bei Abrechnungen für Speisen und Getränke, bei denen ein dienstlicher Kontext nach erster Prüfung nicht zu erkennen sei. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Märkische Revision nimmt sich des Falls an. Es gibt Krisensitzungen. Aber auch Stimmen, die glauben, dass der Angriff auf den OB, der krankgeschrieben ist und den Tod seiner Frau Anfang Mai zu verkraften hat, politisch motiviert ist. Führende Genossen wollen ihn zum Rücktritt bewegen. „Ich bin irritiert und menschlich enttäuscht“, sagt Scholten. Er denke nicht an Rückzug
Juni
Kommissar Zufall hilft: Nach einem Ladendiebstahl im Forum nimmt die Polizei einen 30-Jährigen fest, der länger gesucht worden war: Er soll am 23. April eine Zwölfjährige auf dem Jüdischen Friedhof missbraucht haben +++ Die Duisburger Staatsanwaltschaft ermittelt im Fall Scholten. Der OB äußerst sich in einem Interview mit dieser Zeitung umfänglich zu Vorwürfen und Gerüchten. Unterstützung erhält er von PR-Berater Thomas Hüser, den Ex-Kanzleramtschef Bodo Hombach vermittelt hat. Nach einer OP und dem Tod seiner Frau ist Scholten weiter krankgeschrieben. Dennoch will er ins Rathaus zurückkehren +++ Der Österreicher Thomas Köck (32) gewinnt mit „Paradies spielen“ den Dramatikerpreis des Stücke-Festivals. Den Publikumspreis erhält Literatur-Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek für „Am Königsweg“
Nach dem neuen Friedhofskonzept soll die Ruhestätte zwischen Röntgen- und Virchowstraße aufgegeben werden. Anwohner und Angehörige der dort Beigesetzten kritisieren das vehement +++ Der schottische Stromkonzern SSE bestellt ein Gas- und Dampfkraftwerk bei Siemens, für knapp 400 Millionen Euro +++ Mülheims SPD stellt sich vorerst hinter den OB, macht dies in einer Erklärung von Parteivorstand, Beratern und Vorsitzenden der Ortsvereinen deutlich. Klar wird: Ein tiefer Riss geht durch die Partei +++ Die Kastrationspflicht für Katzen ist politisch auf den Weg gebracht. „Ein für den Tierschutz wichtiger Schritt“, sagt Heidrun Schultchen, Vorsitzende des Tierschutzvereins +++ Zum wiederholten Mal schließt das Friedrich-Wennmann-Bad wegen technischer Mängel +++ Neun Wochen nach dem Verschwinden von Karl-Erivan Haub nehmen Hunderte auf dem abgeschirmten Firmengelände in Speldorf Abschied vom früheren Tengelmann-Chef und von seinem Vater, Erivan Haub
Aufatmen in Saarn: Die 50 Bäume an der Düsseldorfer Straße, die gefällt werden sollten, sind gerettet. Rund 1700 Bürger hatten eine Petition unterschrieben +++ Buchhändler Klaus Bloem gibt „altersbedingt“ auf: Nach 173 Jahren schließt die Buchhandlung Röder. Auch bei Radio Kaiser und Radio Giesbert ist Schluss +++ Ausgebaut wird die Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung an der Dümptener Straße: Ab dem Sommer lernen dort bis zu 1600 Studierende +++ Der Holthausener Matthias Meyer startet eine Unterschriftenaktion zum Erhalt des Friedhofes am Witthausbusch +++ Die Renovierungsarbeiten im Kunstmuseum sollen im Oktober starten, ein Interimsstandort an der Schloßstraße 28-30 entstehen +++ Durch Schwarzfahrer fehlen der Ruhrbahn jährlich schätzungsweise 5,5 Millionen Euro. Das Projekt „Schwarz zu gelb“ ermöglicht es Delinquenten, anstelle der Strafe von 60 Euro eine Monats- oder Jahreskarte zu erstehen
Schwarz-Rot-Gold überall: Mehr WM-Deko als bei Thomas Sass gibt es nirgends in der Stadt +++ Hilfe, schon wieder ein Nest mit Eichenprozessionsspinnern! Im Schnitt zehn Kindergärten, Schulen oder Privatpersonen melden sich täglich beim Grünflächenamt. Baumpflege-Firmen und Kammerjäger rücken aus +++ Rasant entwickelt sich die Rumbach-Kanalbaustelle: Sie liegt sechs Monate vor dem Zeitplan. Weiterwandern kann sie nicht, da andere Baustellen im Weg sind +++ Die oft kritisierte Schule für Flüchtlingskinder an der Bruchstraße schließt. Zu Hochzeiten waren 106 Jungen und Mädchen dort unterrichtet worden, die nun verbleibenden 24 wechseln an Regelschulen
Umweltsünder haben es schwerer: Die Politik verlangt von der Stadt, Mülldetektive einzusetzen. Wilder Müll wird ein immer größeres Problem +++ OB Scholten setzt weiter auf Vorwärtsverteidigung: Das Gutachten der Märkischen Revision untermauert die Vorwürfe hinsichtlich seiner Abrechnungen, er aber hält alle Anschuldigungen für unhaltbar +++ Inge Bachmann, Mitgründerin der Westdeutschen Luftwerbung WDL, stirbt mit 87 Jahren +++ Das Finanz-Desaster der Stadt führt zu einer Pro-Kopf-Verschuldung von 11.034 Euro. Die Stadt am Fluss steht damit landesweit am schlechtesten da +++ Im Hauptausschuss wird der OB zum Rücktritt aufgefordert. Laut Jochen Hartmann (Bürgerlicher Aufbruch) ist das Vertrauen in ihn erschüttert