Mülheim. Mülheimer Pfarrer sagen: „Wir müssen nach anderem Format suchen.“ Denn: Das Erinnern an die beiden Weltkriege bleibe weiter wichtig.
Gerät das Gedenken an die Toten der Weltkriege in Vergessenheit? Dass am Volkstrauertag nur wenige Menschen zu den Feierstunden an den Mahnmalen kommen, ärgert unseren Leser Manfred Heikamp aus Saarn. Man müsse die Erinnerung lebendig halten, brauche Orte des Gedenkens – auch, um aus der Vergangenheit zu lernen. „Bei uns ist der Krieg vor 73 Jahren zu Ende gegangen. Dafür sollten wir dankbar sein, aber in anderen Teilen der Welt ist jetzt Krieg, gibt es Sterben und Flucht“, schreibt er.
Unwahrscheinlich ist allerdings, dass am kommenden Sonntag mehr Menschen zu den traditionellen Kranzniederlegungen in der Innenstadt, in Saarn oder Broich kommen werden. „Die beiden Weltkriege liegen jetzt schon länger zurück, es gibt nur noch wenige Zeitzeugen und Betroffene“, sagt Superintendent Gerald Hillebrand. Reden, Männergesang, Posaunenmusik – „Das ist wohl kein Format, das junge Leute anspricht. Man müsste das Gedenken moderner gestalten, jüngere Menschen in den Veranstalterkreis holen. Oder auch die Schulen einbinden“, meint der Theologe.
Feierstunden müssen besser beworben werden
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Das findet auch Pfarrer Christoph Pfeiffer aus der Ev. Kirchengemeinde Broich/Saarn. „Das Gedenken hier in Saarn ist etwas eingeschlafen. Es bleibt aber weiterhin sehr wichtig, solche öffentlichen Veranstaltungen durchzuführen. Alleine für sich setzt sich keiner hin und gedenkt. Außerdem müssen wir die Feierstunden besser bewerben“, sagt er. Und durch andere Aktionen flankieren. So bietet Pfeiffer am Volkstrauertag um 16 Uhr auch einen Salbungsgottesdienst in der Saarner Dorfkirche an.
Rainer Knoop vom Bürgerverein Saarn sieht zwei Gründe für das sinkende Interesse an der Kranzniederlegung. „Die ältere Generation stirbt weg, die Jüngeren wissen nichts mehr mit dem Thema anzufangen.“ Außerdem gebe es heutzutage viel mehr Freizeit-Veranstaltungen in der Stadt als früher. „Die Leute sind übersättigt.“ Künftig Schulen einzubeziehen, etwa 9. Klassen einzuladen zur Feierstunde, kann er sich vorstellen. Einige Vereine aus dem Stadtteil seien nach wie vor dabei.
Viele Anknüpfungspunkte für Erinnerungen
Redner beim Gedenken in Saarn ist diesmal Pfarrer Christian Böckmann (St. Mariä Himmelfahrt). „Es gibt dieses Jahr viele Anknüpfungspunkte. Vor 100 Jahren ging der Erste Weltkrieg zu Ende, der 30-jährige Krieg brach vor 400 Jahren aus. Daran erinnere ich, daran muss man erinnern, weil es kaum noch persönliche Bezüge zu den Kriegen gibt“, sagt er. Ihre katastrophalen Auswirkungen dürften aber nicht vergessen werden.
Das Bedürfnis zu trauern und Orte des Gedenkens zu haben, sei auch heute ein Riesenthema. Das zeige die große öffentliche Anteilnahme etwa bei Unfällen und Anschlägen – oder – im privaten Bereich – das große Interesse an Trauerbegleitung. Der Gang zum Friedhof an Feiertagen wie Allerheiligen, Allerseelen und Totensonntag hat nach Auskunft der Kirchenmänner ebenfalls abgenommen. Das liege aber auch daran, dass Familienmitglieder heute oft nicht mehr in derselben Stadt lebten.