Mülheim. . Heute kommt die Ratspolitik erstmals mit dem OB zusammen, um die Ernst-Nachfolge und die Dezernatszuschnitte zu beratschlagen. Alles ist offen.

Vor seinem Gespräch heute mit den Spitzen der Ratspolitik hält OB Ulrich Scholten mit seiner Haltung zur spannungsgeladenen Frage, wie die Dezernatsstruktur der Verwaltung aus seiner Sicht in Zukunft zu strukturieren ist und wie eine Nachfolge für den scheidenden Dezernenten Ulrich Ernst organisiert werden soll, hinter dem Berg. Die Vielfalt machtpolitischer Interessen droht einer schnellen Lösung im Wege zu stehen.

Dass Bildungs- und Sozialdezernent Ulrich Ernst Ende Februar in den Ruhestand gehen wird, ist nichts, was nicht längst organisatorisch hätte bedacht werden können. Dennoch steht schon jetzt fest: Am 1. März wird die Stadt keinen Nachfolger präsentieren können.

OB weist Verantwortung für Zeitdruck von sich

Während manche aus Politik und Verwaltung dem OB vorwerfen, mit einem ersten Gespräch heute mit der Politik viel zu lange gewartet zu haben, schiebt dieser die Verantwortung tatsächlich zum scheidenden Dezernenten. „Bereits seit Beginn des Jahres 2018 gab es Gespräche mit dem Dezernenten und die Bitte an ihn, Vorschläge zu machen. Seit Mitte Mai gab es allerdings keinen Kontakt mehr in dieser Sache und es wurden auch keine Vorschläge benannt“, so Scholten wohl mit Blick auf jenen Zeitpunkt, als Ernst zu jenem SPD-Quartett aus Verwaltung und Ratsfraktion zählte, das den OB mit zahlreichen Vorwürfen konfrontierte und – erfolglos – zum freiwilligen Ausscheiden aus dem Amt bewegen wollte. Ernst wies die Darstellung Scholtens „in dieser Form“ gestern von sich.

Scholten sieht „keinen wirklichen Zeitverzug“, obwohl sich die Gemengelage noch komplizierter darstellt, nachdem aus der Wirtschaft der Ruf laut geworden ist, ein Superdezernat Wirtschaft zu schaffen, um im Wettbewerb der Wirtschaftsstandorte nicht den Anschluss zu verlieren. Die Unzufriedenheit mit der Standortpolitik ist offensichtlich groß. Scholten will nun ausloten, wo die Politik steht. Er will kein zusätzliches Dezernat, „keine Doppelt- und Dreifachstrukturen“.

OB lässt eigene Position offen

Mit welcher Position zu künftigen Dezernatszuschnitten er heute in die Gespräche gehen wird, sagt Scholten nicht; ihm dürfte bewusst sein, dass wegen seiner Affäre um Spesenabrechnungen und Amtsführung Giftpfeile aus allen Richtungen drohen. So sagt der OB lediglich: „Die Gelegenheit ist günstig, den Zuschnitt nun an die aktuellen Erfordernisse anzupassen.“

Im März ohne neue Führungskraft für ein wie auch immer inhaltlich ausgefülltes Dezernat dazustehen, sieht der Oberbürgermeister nicht als Problem: Auch der Posten des Stadtkämmerers sei zuletzt nicht nahtlos neu besetzt worden, im Fall Ernst werde er wie seinerzeit eine interimsweise Arbeitsverteilung im Verwaltungsvorstand verabreden.

Von seiner SPD erntet der OB bereits Kritik, wenn Fraktionschef Dieter Spliethoff sagt: „Es wird höchste Zeit, dass wir in der Dezernatsfrage weiterkommen. Im Dezernat von Ulrich Ernst werden 60 Prozent des gesamten städtischen Etats verantwortet, da muss eine zügige Entscheidung her.“ Für die SPD ist laut Spliethoff nicht verhandelbar, den Kern des Dezernates mit Bildung und Soziales auseinanderzunehmen.

SPD strebt Lösung mit der CDU und den Grünen an

Erste Sondierungen mit der CDU hat es gegeben, auch mit den Grünen will die SPD noch sprechen. Letztere pochen auf eine öffentliche Debatte am Donnerstag im Rat, die CDU-Fraktion sucht laut dem Vorsitzenden des Wirtschaftsausschusses, Henner Tilgner, noch eine einheitliche Linie. In das Gespräch heute mit dem OB werde Fraktionschefin Christina Küsters „zuhörend“ reingehen. Am Mittwoch werde die Fraktion beraten. „Das Thema Wirtschaft muss auf jeden Fall sichtbarer sein“, meint Tilgner. Im OB-Referat sieht er es nicht gut aufgehoben.

Und wie denkt Ulrich Ernst über Dezernatszuschnitt und seine Nachfolge? Er will sich aus der Diskussion raushalten, sagte aber, dass gerade in Ruhrgebietsstädten die Themen Bildung und Soziales von zentraler Bedeutung seien, die es organisatorisch entsprechend abzudecken gelte.