Mülheim. Die geführten Reittouren des Ländlichen Reitervereins in Mülheim sind besonders. Wir haben Petra Spenrath und ihr Fjordpferd begleitet.

Erst ist es ruhig am Obststand „Am Eschenbruch“. Dann erschallt Hufgeklapper auf dem Asphalt. Petra Spenrath kommt mit Fjordpferd „Trampas“ die Straße herauf zum Obststand, an dem sie sich diesen Sonntag mit ihrer Reitgruppe trifft. Seit 18 Jahren reitet sie privat lange Distanzen, seit bald elf Jahren bietet sie über den Ländlichen Reiterverein geführte Wanderritte an. Das besondere Konzept: Tour gegen Spende. Diese kommt dann vollständig der Behindertenreitgruppe des Ländlichen Reitervereins zugute.

Je nach Streckenverlauf legen die Reiter 25 bis 35 Kilometer auf einem Ritt zurück. „Die Routen sind alle selbst zusammengestellt und geplant“, berichtet Spenrath. „Trotzdem nehme ich Vorschläge und Wünsche immer gerne entgegen.“ Wichtig auf einem so langen Ritt: „Wir brauchen unterwegs Wasser für die Pferde. Einen Bach oder so. Da kann man zudem ganz gut selbst eine Pause einlegen und picknicken.“

Seen gehören zu den Lieblingszielen

Die beliebtesten Touren führen zur Sechs-Seen-Platte, an den Entenfang oder zur Auermühle in Ratingen, da sind sich die Teilnehmer einig. Auf ihren Wegen durchqueren sie nicht nur Mülheimer Waldgebiet, oft reiten sie auch durch Duisburg. „Dann geht es von einen Märchenwald in den anderen“, schwärmt Daniela Wolf. Sie ist wie ihre Mitreiter über Facebook, Mundpropaganda oder den Ländlichen Reiterverein auf die geführten Wanderritte aufmerksam geworden. Die Touren bedeuten für Pferdefans vor allem die Chance, Gleichgesinnte zu treffen und sich über ihr Hobby auszutauschen. Auf den Wanderritten stellen sie sich zudem immer neuen Herausforderungen, die Pferd und Reiter enger zusammenschweißen.

Alexander Achenbach reitet seit etwa drei Jahren bei Spenraths Touren mit. Er schätzt vor allem die Erfahrung der Gruppenleiterin: „Mein Traber ging zuerst absolut nicht ins Wasser. Als wir zusammen an einen See kamen, sagte sie dann: Setz dich auch ruhig drauf, er traut sich schon hinein. Es funktionierte. Inzwischen ist er eine Wasserratte.“ Das beweist Traber Wallace prompt am nächsten Bachlauf. Das Wasser spritzt in alle Richtungen, als er mit dem Vorderhuf wiederholt spielerisch hineinschlägt. Oftmals genügt Vertrauen, aber bei Herausforderungen dieser Art ist es hilfreich, wenn andere Pferde dabei sind und mit gutem Beispiel vorangehen können.

Pferdealter reicht von vier bis 30 Jahren

„Wenn es so heiß ist wie in diesem Sommer, reiten wir eher los und viel durch den Wald. Regen ist für uns kein Problem, wir sind ja alle entsprechend gerüstet“, erklärt Spenrath. „Einmal haben wir uns bei einem besonders kräftigen Schauer in einem Autobahntunnel untergestellt. Da standen wir dann: Fußgänger, Radfahrer und zehn Pferde. Spaß hatten am Ende alle, trotz des schlechten Wetters.“

Bei Gruppenausritten ist vor allem die Verträglichkeit der Pferde wichtig. An diesem Sonntag beschnuppern sich einige kritisch, ab und an wird auch mal gekniffen, das sei aber normal. Das Pferdealter reicht von vier bis 30 Jahren. „Auf den Touren nehmen wir immer Rücksicht auf den Schwächsten. Wenn jemand zum Beispiel nicht galoppieren will oder kann, sollen die Reiter, die eine Galopprunde wollen, an gegebener Stelle vorreiten und wieder zurückkommen“ , erzählt Spenrath.

Geritten wird eigentlich immer: Die Wanderritte fallen höchstens mal aus, wenn die Ehrenamtlerin krank wird oder anderweitig verhindert ist. Petra Spenrath betont vom Pferderücken aus: „Es ist mir gleich, ob am Treffpunkt zehn Reiter warten oder nur einer – Trampas und ich gehen die Tour.“

Menschen mit Handicap kommen Pferden nahe

Katja Sippel, Leiterin der Behindertenreitgruppe, freut sich über die Spenden, die durch die Wanderritte gesammelt werden. „Letztes Jahr haben wir mit dem Geld ein kleines Nikolausfest organisiert. Der Nikolaus kam, es gab Kaffee und Kuchen und ein Turnier für die Kinder, bei dem Teilnehmer aus allen Reitgruppen Geschicklichkeitsaufgaben gemeistert haben.“ Seit 22 Jahren betreut sie die Gruppe, die Erika Baumer vor mehr als 30 Jahren gegründet hatte.

Jeden Samstag können Menschen mit physischer oder psychischer Einschränkung auf dem Baumerhof reiten. Die Pferde werden vom Verein oder von Privatpersonen gestellt. „Es gab mit der Zeit allerdings eine kleine Umstrukturierung“, erzählt Sippel. „Früher fanden die Reitstunden zumeist in der Halle statt. Die Leute erfreuen sich aber so an der Natur und sind deutlich glücklicher draußen, dass wir inzwischen immer rausgehen.“ Wie bei den Wanderritten gilt auch hier: Schnee und Eis sind der einzige Grund, drinnen zu bleiben. „Bei schlechtem Wetter bekommen Pferd und Reiter eben Decke und Jacke angezogen. Letztes Jahr waren wir nur zwei Mal in der Halle“, sagt Sippel.

Eltern begleiten ihre Schützlinge

Die Eltern der Kinder und jungen Erwachsenen begleiten ihre Schützlinge bei dem Ritt. Die Behindertenreitgruppe des Ländlichen Reitervereins bietet nämlich nicht nur Kontakt zu den Tieren und damit verbundene Lockerheit und Muskeltraining, sondern auch Möglichkeiten, untereinander Kontakte zu knüpfen. „Die Eltern haben zum Beispiel eine Whats­app-Gruppe gegründet und man trifft sich auch mal zum Grillen oder einfach so privat“, erzählt Sippel.

„Das nächste Ziel ist ein gemeinsamer Tagesausflug mit der Gruppe. Ganz unabhängig vom Reiten gemeinsam unterwegs sein.“ In der Gruppe sind neue Gesichter gern gesehen. „Wichtig ist hauptsächlich, dass der Reiter sich festhalten kann“, sagt Sippel. Reinschnuppern sei möglich, danach ist besonders aus Versicherungsgründen der Vereinsbeitritt nötig.

Die Spenden, die Sippels Gruppe über Wanderritte zugute kommen, fließen dieses Jahr in ein kleines Geschicklichkeitsturnier am 28. Oktober. Zuschauer sind herzlich eingeladen, über Kuchenspenden für das gemütliche Zusammensein freuen sich Groß und Klein.

>> ANMELDUNG ZUM WANDERRITT IST NÖTIG

Für die langen Touren werden Spenden ab fünf Euro genommen, für kürzere Runden gilt: nach eigenem Ermessen. Wer mitreiten möchte, prüft am besten vorher, ob sein Pferd über ausreichend Ausdauer verfügt und trainiert gegebenenfalls entsprechend. Informationen unter: www.lrv-mh.de/, Kontakt: breitensport@lrv-mh.de

Infos zur Behindertenreitgruppe über: lrv-mh.de oder bei Katja Sippel unter: behindertenreiten@lrv-mh.de, 0172/2 47 64 07.