Mülheim. In fast allen Grundschulen laufen in Mülheim derzeit sportmotorische Tests. Eltern bekommen die Ergebnisse nach Hause – und Tipps zur Förderung.

Die Zweitklässler der Brüder-Grimm-Schule in Styrum haben Sport. In der dritten und vierten Stunde, wie immer, in der Halle Von-der-Tann-Straße, wie sonst auch. Trotzdem läuft es anders als gewohnt: Ein Mehrkampf steht an, für den acht Stationen aufgebaut sind. Die Jungs und Mädchen nehmen am sportmotorischen Test („Check“) teil, der jetzt im Herbst an 19 Mülheimer Grundschulen stattfindet, also an fast allen. Auch Angebote, die Kinder fitter machen sollen, gehören zum Programm.

Entwickelt und begleitet wird das Ganze vom Land NRW unter dem Titel „Komm-Sport“ mit dem Ziel, Kinder- und Jugendsport zu stärken. Mülheim ist eine von 33 Kommunen, die sich beteiligen. Seit drei Jahren finden die Tests statt, und zwar in den zweiten Klassen, um sich ein Bild zu machen. Dann erneut in den vierten Klassen, um die Entwicklung aufzuzeigen.

Getestet wird seit drei Jahren

Zum sportmotorischen Test gehört auch der Standweitsprung.
Zum sportmotorischen Test gehört auch der Standweitsprung. © Michael Dahlke

Dass es einiges zu tun gibt, erwies sich schnell: Nach der ersten Runde mit 530 Mülheimer Kindern im Frühjahr 2015 stellte der Sportwissenschaftler Dr. Dirk Hoffmann von der Uni Duisburg-Essen die Ergebnisse vor: In Sachen Kraft und Ausdauer schnitten die Kinder schwach ab, gerade mal 61 Prozent hatten das „Seepferdchen“ oder höhere Schwimmabzeichen, über 16 Prozent der getesteten Mädchen und Jungs waren zu dick. Nur knapp 56 Prozent gehörten einem Sportclub an. Im Detail gibt es allerdings große Unterschiede zwischen den Schulstandorten.

Vergleichswerte aus 2017 ergaben, dass sogar nur noch 51 Prozent der Zweitklässler mindestens auf Seepferdchen-Niveau schwammen. Übergewichtig waren weniger Kinder, etwa 12,5 Prozent. Aber nur noch rund 52 Prozent waren Mitglied in einem Sportverein.

Auch Talente werden bei den Tests entdeckt

In der Praxis erlebe sie auch positive Überraschungen, berichtet Karoline Kügler, Mitarbeiterin beim Mülheimer Sportbund (MSB), die das Programm koordiniert. „Es kommt vor, dass Kinder, die bisher nicht gerade als sportlich aufgefallen sind, auffällig gut getestet werden.“ Für solche Bewegungsbegabungen interessieren sich auch die Vereine. Daher wurde in Mülheim schon drei Mal ein „Tag der Talente“ veranstaltet, zu dem Grundschüler eingeladen werden, die bei den Sport-Tests die besten Leistungen zeigen. Zuletzt, im Januar, waren es knapp 120 Kinder, denen diverse Angebote zum Ausprobieren vorgestellt wurden: Hockey, Rudern oder Football.

Beim jüngsten Test an der Brüder-Grimm-Schule hält sich Sportlehrerin Christiane Schwill im Hintergrund. Freie Mitarbeiter oder FSJler des Mülheimer Sportbundes stoppen die Zeiten, messen die Weiten, rollen Bälle zurück. Die Kinder treten gruppenweise an, mit hellgrünen Leibchen, nummeriert. Eigens für die Prüfung trainiert haben die Zweitklässler nicht, aber die Lehrerin ist recht zufrieden: „Die meisten sind fit und haben Spaß an Bewegung“, sagt sie. „Nur ganz wenige Kinder sind darunter, bei denen man merkt, dass sie gar keinen Sport machen, und die sich auch nicht motivieren lassen.“

Fitness hängt vom Elternhaus ab

Fitness, Gewicht, Gesundheit, Ernährung – „das hängt auch stark vom Elternhaus ab“, erklärt Johannes Michels, Koordinator beim Mülheimer Sportservice. Neu ist daher im Schuljahr 2018/19: Ergebnisbögen für jedes einzelne Kind werden den Eltern nach Hause gegeben, auf Wunsch ergänzt der MSB dies um eine individuelle Auswertung mit passenden Empfehlungen, wie man den Nachwuchs in Bewegung bringen kann.

Die sportmotorischen Tests laufen in allen 33 Städten nach demselben Schema. Wie sie Bewegungsmangel entgegenwirken wollen, bleibt den Kommunen indes selber überlassen. Über gute Beispiele tauschen sie sich überregional in Workshops aus. In Mülheim gibt es beispielsweise an vier Grundschulen kindgerechte Trainingsreihen der Ausdauerschule Bunert. An der Brüder-Grimm-Schule wird für alle, die beim Test schwach abschneiden, eine Sportfördergruppe angeboten, montags in der fünften und sechsten Stunde. Nach Unterrichtsschluss, auf freiwilliger Basis – aber, so Sportlehrerin Christiane Schwill, „die Kinder nutzen es sehr gerne“.

>>>Wie der Sporttest aussieht

Der Sportmotorische Test („Check“) umfasst acht Übungen: 10-Meter-Sprint, Ball-Beine-Wand (Werfen durch die gespreizten Beine, Umdrehen, Auffangen), Hindernislauf, Sit-ups, Medizinballstoßen, Standweitsprung, Rumpftiefbeuge, Sechs-Minuten-Lauf. Damit werden die fünf Grundfähigkeiten Schnelligkeit, Koordination, Kraft, Ausdauer und Beweglichkeit geprüft.

  • Zusätzlich werden die Kinder gemessen und gewogen.

  • Außerdem erhalten die Eltern einen Fragebogen, mit dem unter anderem die Schwimmfähigkeit des Kindes und die betriebenen Sportarten abgefragt werden.

  • Das Projekt wird wissenschaftlich begleitet und landesweit ausgewertet. Die Stadt Mülheim unterstützt „Komm-Sport“ mit etwa 35.000 Euro pro Jahr, etwa 20.000 Euro kommen vom Land für „kompensatorische Maßnahmen“, also spezielle Sportförderangebote.