Mülheim. . Wie gut oder schlecht Kinder lesen, ist oft von den Eltern abhängig. Dass sich das Leseverhalten verändert hat, bemerken die Mülheimer Schulen.

Es ist eine Nachricht, die erleichtern dürfte: Für drei Viertel der jungen Erwachsenen ist das Lesen immer noch so wichtig wie früher. Das besagt eine Studie, die das Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie die Stiftung Lesen in Auftrag gegeben haben.

Was eher beunruhigt: Junge Menschen lesen laut Studie zwar, aber anders. Statt zu Zeitschrift oder Buch greifen sie – wenig überraschend – zum Smartphone und scrollen durch E-Mails, Textnachrichten und Internetseiten.

Ein bundesweites Phänomen, das auch in Mülheim auffällt: „Wir evaluieren das nicht, aber wir merken, dass sich das Leseverhalten verändert“, erklärt Angela Huestegge, Schulleiterin des Gymnasiums ­Broich.

Schüler lesen Texte nicht zu Ende

Und zwar insofern, dass Schüler Dinge seltener bis zum Ende lesen und recht schnell von einem Text zum nächsten springen. Die Schüler hätten schon nach kurzer Zeit das Gefühl, den Inhalt eines Textes erfasst zu haben. Das spiegle sich spätestens in der Oberstufe wider, wenn Schüler mit längeren Texten umgehen müssen. Huestegge: „Um dem entgegen zu wirken, üben wir im Unterricht, auch mit langen Quellen zu arbeiten.“ Die Fähigkeit, Texte schnell zu überfliegen, sei an sich nicht schlecht, „wichtig ist aber ein Mittelmaß. Für fundiertes Wissen brauchen die Schüler längere Texte“, so Huestegge.

Das Thema Leseförderung spielt auch in der Hauptschule am Hexbachtal eine große Rolle. Wie genau sie aussieht, sei unterschiedlich. Barbara Kromer, Schulleiterin, erklärt: „Wir haben viele Schüler, die überhaupt nicht lesen, weil Deutsch nicht ihre Muttersprache ist.“ Das sei so in Büchern, aber auch digital.

Individuelle Leseförderung der Schüler

Die Leseförderung der Schüler gehe die Schule ganz individuell an: Wichtig sei es, die Grammatik beizubringen und dafür zu sorgen, dass Zusammenhänge erkennbar werden. „Wir lesen viele Lektüren im Unterricht. Denn die Schüler sollen Bücher auch in Papierform kennenlernen“, macht Kromer deutlich.

Doch Schüler ans Lesen zu bringen sei insgesamt nicht so einfach. Schon in den Grundschulen falle das auf. Wie schnell und gut die Schüler das Lesen lernen, hänge sehr vom Elternhaus ab. Nicola Küppers, Leiterin der Grundschule am Dichterviertel, verdeutlicht: „Wir haben an unserer Schule zum einen Kinder mit einer sehr hohen Lesekompetenz, die schon vorher gut lesen können. Es gibt aber auch Kinder, in deren Elternhaus das Lesen kaum Stellenwert hat.“ Obwohl es für den pädagogischen Werdegang des Schülers essenziell sei. Deshalb werde die Lesekompetenz sehr gefördert: durch Lesetagebücher, Lesewettbewerbe oder Methoden, bei denen Schüler die Inhalte der Bücher gemeinsam erschließen.

Veränderung im Leseverhalten

Eine Veränderung im Lesenverhalten gibt es aber trotzdem. Das bemerkt Elke Hoffmann, stellvertretende Leiterin der Mülheimer Stadtbücherei: „Die Zahlen an ausgeliehenen Bücher gehen zurück“, erklärt sie.

Ein verändertes Leseverhalten macht sie aber nicht nur abhängig von der Zahl an Büchern. Sondern auch vom Genre: „Mittlerweile lesen die Kinder eher lustige oder coole Bücher, die oft im Comic-Stil sind“, so Hoffmann. Kurz gesagt also Bücher mit weniger Anspruch und weniger Text.

Hoffmann: „Die Kinder und Jugendlichen tun sich schwerer mit dem Lesen.“ Aber sie daran zu führen sei wichtig, sie müssten eigentlich so früh wie möglich mit Büchern konfrontiert werden. Denn haben Jugendliche in einem gewissen Alter bisher nie gelesen, sei es schwierig, sie ans Buch zu führen. Lesen Kinder einmal gerne, so bleiben sie auch dran. „Zum Beispiel wenn sie eine Bücherserie für sich entdeckt haben“, meint Hoffmann.

Drittklässler lesen Anfängerlektüre

Auch Ursula Hilberath, Mit-Inhaberin der Buchhandlung Hilberath und Lange, fallen Probleme auf: „Manche Drittklässler lesen Bücher, die eigentlich für die Anfänger gedacht sind, dabei haben wir bei uns auch schon Bücher, mit richtigem Zusammenhang, die für das Alter viel besser geeignet wären.“ Die können die Schüler aber schlichtweg nicht verstehen. Der Grund dafür? Möglicherweise die Lern-Methode „Schreiben nach Gehör“, spekuliert Hilberath.

Dass Kinder und Jugendliche generell aber weniger Bücher kaufen, bestätigt sie nicht: „Die Kinder- und Jugendbuchabteilung ist immer noch eine der Säulen in unserem Geschäft, und ich würde sagen, dass die meisten der gekauften Bücher gelesen werden.“

<<< STIFTUNG: LESEN IST UND BLEIBT WICHTIG

Laut der „Stiftung Lesen“ lesen Menschen unter 30 mittlerweile vor allem E-Mails, Textnachrichten sowie Internettexte, während es bei Menschen über 60 Zeitungen und Zeitschriften sind.

  • 22 Prozent der Befragten und 34 Prozent der unter 30-Jährigen mein, dass sie durch digitale Medien mehr lesen als früher.

  • Die Bedeutung des Lesens sei für alle Altersgruppen gleichbleibend wichtig oder sogar noch wichtiger als vor 20 Jahren.