Mülheim. . Mit Abstand schneidet Mülheim im VRR-Vergleich am schlechtesten ab. Grüne fordern Erklärung. Für Pro Bahn liegen die Ursachen klar auf der Hand.

Im Gebiet des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR) ist Mülheim die Stadt mit dem um Weiten größten Abo­schwund von Juni 2017 bis Juni 2018. Das geht aus einem aktuellen Bericht des VRR hervor. Die Ruhrbahn sieht die Entwicklung weniger ausgeprägt als dargestellt, Mülheims Grüne fordern nachvollziehbare Erklärungen.

VRR-weit brachten die Verkehrsbetriebe laut Bericht im Jahr 11 890 Abos (ohne Semesterticket) weniger an die Bürger, ein Minus von 1,2 Prozent. Der Verkehrbund listet die Verluste – nur Bottrop konnte seine Abozahlen halten – auch für jede Stadt einzeln auf. Und diese Liste führt Mülheim als einsame negative Spitze auf: Die Abozahlen sind demnach binnen eines Jahres um 1580 zurückgegangen auf knapp 25 000 Ende Juni 2018. Ein sattes Minus von 5,9 Prozent ist ausgewiesen. Im Städtevergleich am zweitschlechtesten schneiden Remscheid und Wuppertal ab. Deren Minus von 2,1 Prozent ist aber weit von den Mülheimer Verlusten entfernt.

700 Mitarbeiter-Abos nach Essen gewandert

Eine Ruhrbahn-Sprecherin erklärte die Ausnahmestellung Mülheims auf Nachfrage nun mit „einer statistischen Verschiebung“. So seien im Zuge der Fusion von Essener Evag und Mülheimer Verkehrsgesellschaft 700 Mitarbeiter-Abos aus steuerrechtlichen Gründen an den Ruhrbahn-Sitz in Essen „gewandert“. Im Übrigen sei die Entwicklung nicht anders als in anderen Städten, wo aufgrund sinkender Schülerzahlen weniger Schokotickets verkauft würden und etwa das 30-Tage-Ticket als Alternative zum Abo von Kunden bevorzugt werde.

Trotzdem: Auch wenn man die Überschreibung von 700 Abos nach Essen abzieht, bleibt ein Minus von 3,3 Prozent, das Mülheim weiter einsame negative Spitze sein lässt. „Mülheim fällt völlig aus dem Rahmen. Warum das so ist, wollen wir uns von Ruhrbahn und Verwaltung erklären lassen“, fordert Grünen-Verkehrsexperte Axel Hercher weitere Aufklärung. Es müsse noch andere Gründe geben als die von der Ruhrbahn genannten.

Pro Bahn-Regionalvorsitzender Dirk Grenz
Pro Bahn-Regionalvorsitzender Dirk Grenz © Fabian Strauch

Der Fahrgastverband Pro Bahn sieht einen Zusammenhang zu Mülheimer Entscheidungen, das ÖPNV-Angebot hier vor Ort zu kürzen. Er zeigt sich „entsetzt“ über die jüngsten Sparvorschläge. „Hat die letzte Sparrunde mit dem 15-Minuten-Takt der Straßenbahnen nicht schon genug Fahrgäste vergrault?“, fragt der Pro Bahn-Regionalvorsitzende Dirk Grenz.

Besonders fahrgastfeindlich findet Pro Bahn den Vorschlag, in der Woche die letzte Runde der NachtExpress-Linien um 0.30 Uhr zu streichen. „Während der VRR die Spätverbindungen in der Woche seit Jahren ausbaut, will die Ruhrbahn den Bedienungszeitraum stadtweit gleich um eine ganze Stunde einkürzen“, so Verbandssprecher Lothar Ebbers. Alleine zwischen 23.30 Uhr und 0.30 Uhr führen elf RE- und S-Bahn-Züge Mülheims Hauptbahnhof an. Künftig gebe es hierfür keine Anschlüsse mehr.

Nachbarstädte fahren nachts länger

„Die Verantwortlichen verkennen offenbar, dass die Fahrgäste im Kultur- und Freizeitverkehr immer mehr im gesamten Rhein-Ruhr-Raum unterwegs sind und nicht nur in der eigenen Stadt“, wird Kritik laut am „Mülheimer Alleingang“. In Essen starte die letzte Sternfahrt um 1.30 Uhr, in Oberhausen um 0.45 Uhr. Duisburg wolle im nächsten Jahr auch in der Woche bis nach 1 Uhr fahren. In Mülheim gehen die Pläne hin zu einer letzten Fahrt um 23.30 Uhr. Pro Bahn reagiert mit Sarkasmus: „Gute Nacht, Mülheim!“

>> LINIE 104 SOLL NICHT ZUM HAUPTBAHNHOF FAHREN

Externe Gutachter von IVV Aachen raten der Stadt aktuell ab, die Straßenbahnlinie 104 ab Kaiserplatz über Dickswall und Tourainer Ring zum Hauptbahnhof zu verlängern.

Die Investition von geschätzt 7 Millionen Euro rechne sich nicht, weil nur 1000 Fahrgäste pro Tag das Angebot nutzen würden, hieß es.