Mülheim. Mehr als 1000 Klassikliebhaber kommen zum Konzert im Innenstadthafen. Streich von Violinistin Zsuzsa Debré geht mit Orchester auf Booten auf.
Nicht der britische König George der Erste hat am Freitagabend an der Ruhr-Marina Platz genommen, um Händels Wassermusik zu lauschen, wohl aber ein anderer Souverän: das Mülheimer Völkchen. Mit Sitzkissen gegen den kalten Uferstein bepackt, haben gut 1000 Klassikliebhaber wie Neugierige Stellung an den Marinatreppchen bezogen. Und auch auf den Balkonen des ehemaligen Stadtbads und der Ruhrbania-Bauten hat sich der Ruhradel eingefunden.
Der erste Streich der Violinistin und Veranstalterin Zsuzsa Debré scheint also aufgegangen zu sein: Die drei Suiten, die einst dem unbeliebten George zu mehr Gunst verhelfen sollten, entwickeln ihren Magnetismus auch für die ansonsten ästhetisch wenig spritzige Mülheimer Marina. Es zeigt sich ebenso, dass die mitunter nüchterne Steintreppe ans Wasser ein großes Potenzial als kleines Amphitheater besitzt. Und apropos nüchtern: Es ist eben auch ein ganz anderes Völkchen hier als gewöhnlich.
Besucher kommen nicht nur wegen Hafenatmosphäre
Jürgen und Marion Greve sind aber nicht allein der Hafen-Atmosphäre zuliebe hier, sondern in erster Linie wegen Händels etwa einstündiger Freiluftmusik: „Wir hören Händel gerne beim Frühstück.“ Die Gelegenheit, die saftige Serenade – denn der Geschichte nach schipperte des Königs Bötchen samt orchestralen Gefolges um drei Uhr nachts über die Themse – einmal live zu hören, lockte die beiden in die Innenstadt.
Ganz so mächtig wie zu ihrer Uraufführung mit gut 50 Musikern ist die Besetzung zwar nicht, doch Debrés Orchester weiß einen kräftigen wie sauberen Klang über das Hafenbecken zu transportieren. „Lasst uns den Spaß beginnen“, ruft die zierliche Violinistin im schicken zyanfarbigen Kleid ihrem Publikum zu. Dann legen die 13 Streicher, die Cellisten auf den Pontons los. Fagott und „lautes Holz“ – die Oboen – sowie die Hörner sind auf Tretbooten – allerdings fest vertaut – links und rechts der schwimmenden Insel vertäut. Die große Pauke und das beeindruckende, mehr als mannshohe Kontrafagott, das den Kontrabass ersetzt, hat man vorsichtshalber auf dem festen Steg platziert.
Schon die erste Suite fesselt das Publikum
Schon die erste Suite fesselt das Publikum. Eine gespannte, ungewohnte Stille liegt über dem Becken als die blaue Stunde anbricht. Nur der häufige Zwischenapplaus zu den besonders gelungenen Passagen durchbricht die Aufmerksamkeit. Eine gute und äußerst kurzweilige Stunde dauert Händels Wassermusik, dann spritzt der Applaus auf. Das Experiment, die Marina beliebter zu machen als King George, scheint geglückt zu sein.
„Es war wunderbar. Vor allem hat mich gefreut, wie viele Menschen gekommen sind und so aufmerksam zugehört haben“, zieht die ungarische Wahlmülheimerin Debré Bilanz und scheint fast ein wenig überrascht, welche Anziehungskraft die Klassik in Mülheim hat. Anekdotisches am Rande: Zur Generalprobe mussten die Musiker bei unruhigem Wetter noch um ihre Noten auf den Notenständern bangen, „jeder war mit zehn Wäscheklammern ausgerüstet“, lacht Debré. Doch zum Konzertbeginn am Abend gab der Wind Ruh’, die Wäscheklammern blieben im Beutel.
Möglicher Auftakt für weitere Veranstaltungen
Wie kann es nun weitergehen? Bei Jürgen und Marion Greve gehen die Daumen nach oben – „eine sehr schön gespielte Aufführung. Die Hafen-Atmosphäre hat uns gut gefallen.“
Zsuzsa Debré ist von der Qualität der Marina als Aufführungsort überzeugt: „Das hat sicher Zukunft. Ich habe schon ein paar Ideen, wie es weitergehen kann.“