Mülheim. . Privatmann Scholten ist Mitglied im Aufsichtsrat des Mülheimer Wohnungsbaus, dessen Lindgens-Projekt er zur Chefsache erklärte. CDU macht Druck.
Länger als ein Jahr hat sich offensichtlich kein Ratspolitiker daran gestört, dass OB Ulrich Scholten sich zum stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden beim Mülheimer Wohnungsbau (MWB) hat wählen lassen. Mit seinem privaten Engagement bei der einflussreichen Wohnungsbaugenossenschaft ist Scholten in einen schwerwiegenden Interessenkonflikt gesteuert. Jetzt, da der OB durch die Affäre um seine Bewirtungen ohnehin schwer unter Druck steht, macht die CDU den Interessenkonflikt zum Thema der Ratssitzung am 30. August.
Bebauung des Lindgens-Areal wurde zur Chefsache
Brisant erscheint Scholtens Mandat insbesondere deshalb, weil er das Millionenprojekt zur Bebauung des Lindgens-Areals am Kassenberg im Spätsommer 2017 zur Chefsache erklärt hat. Hier wollen MWB und Sparkasse rund 200 Wohnungen bauen. Als Scholten nach einem eskalierten Streit zwischen Investoren und Baudezernent Peter Vermeulen die Federführung für das Vorhaben aus dem Baudezernat heraus in sein Referat zog, war er gerade einmal drei Monate im Aufsichtsrat des MWB.
Weder Scholten noch MWB-Vorstandsvorsitzender Frank Esser sehen darin jedoch einen Interessenkonflikt. „Die Verwaltung arbeitet nach Recht und Gesetz“, so der OB. Sein Referat habe ohnehin nur die Kommunikation übernommen, „alle erforderlichen Arbeiten laufen dort, wo die Zuständigkeit angesiedelt ist“.
„Die Verwaltung arbeitet nach Recht und Gesetz“
Das Einschreiten des OB sei „alternativlos“ gewesen, sagt MWB-Chef Esser. „Der OB hat die Sache auch auf Druck der Öffentlichkeit zur Chefsache erklärt.“ Scholten habe damit Schaden von der Stadt abgewandt, erinnert Esser an die Untätigkeitsklage der Investoren gegen die Stadt, die sie in der Folge zurückgezogen haben. Ein Engagement im MWB-Aufsichtsrat stehe nicht im Widerspruch dazu, zum Wohle der Stadt zu arbeiten. „Sonst dürfte kein OB mehr in irgendeinem Aufsichtsrat sitzen“, so Esser. Er verweist dazu auf zuletzt offensichtliche Interessenkonflikte, mit denen Stadträte durch ihr Wirken im Sparkassen-Verwaltungsrat konfrontiert sind, wenn es darum geht, ob Teile des Gewinns an die Stadt ausgeschüttet werden.
Personen aus Politik und Verwaltung im Aufsichtsrat
Dass Personen aus Politik und Verwaltung im MWB-Aufsichtsrat tätig sind, hat eine lange Tradition. Aktuell agieren außer Scholten etwa Sozialdezernent Ulrich Ernst, dessen Vorgänger Wilfried Cleven und der ehemalige CDU-Vorsitzende Andreas Schmidt im Gremium.
Ex-OB Dagmar Mühlenfeld war einige Jahre Vorsitzende des Gremiums. Sie zog sich Ende August 2010 zurück – nur wenige Monate, bevor der MWB als Teil einer Investorengruppe in die Kritik zum Verkauf der Hauptfeuerwache geriet. Die Stadt musste sich seinerzeit vorwerfen lassen, mit dem Bau-Deal sowohl den örtlichen Investoren als auch dem Käufer Hannover Leasing und Fonds-Anteilseignern satte Rendite ermöglicht zu haben, selbst aber massive Zahlungsverpflichtungen und Risiken eingegangen zu sein.
Nebentätigkeit nicht angezeigt
Ihr Ausscheiden aus dem MWB-Aufsichtsrat begründete Mühlenfeld seinerzeit damit, dass sich der MWB „zunehmend im Bereich städtebaulicher Aufgaben engagiert“ und sie keine Diskussion über eine mögliche Interessenkollision aufkommen lassen wolle.
Was Mühlenfeld während ihrer Aufsichtsratstätigkeit nicht versäumt hat: Sie hat ihre Nebentätigkeit unter Berufung auf das Korruptionsbekämpfungsgesetz dem Stadtrat angezeigt. Scholten hat dies 2017 unterlassen. In seinem Bericht zu Nebentätigkeiten und -einkünften, der im Mai dieses Jahres ohne Widerspruch den Stadtrat passierte, bleibt seine MWB-Aufsichtsratstätigkeit unerwähnt.
CDU zieht das Thema nun in den Stadtrat
Scholten bestreitet in einer schriftlichen Stellungnahme, gegenüber dem Stadtrat zur Anzeige von privaten Nebentätigkeiten verpflichtet zu sein, obwohl Paragraf 17 des Korruptionsbekämpfungsgesetzes hier eindeutig scheint. Er habe dennoch freiwillig Angaben gemacht. „Die letztmalige Abfrage fand vor der Übernahme des MWB-Aufsichtsratsmandates statt“, sagt er – obwohl das in krassem Widerspruch dazu steht, dass er dem Stadtrat erst noch im Mai 2018 einen Bericht zu seinen Nebentätigkeiten vorgelegt hat.
Die CDU-Fraktion zieht das Thema nun in den Stadtrat. Sie will Scholten konfrontieren. Sie fragt unter anderem, welche mündlichen Absprachen und schriftlichen Vereinbarungen zu Lindgens unter der Federführung Scholtens getätigt worden sind. . .
MWB-Chef Frank Esser und OB Ulrich Scholten pflegen nach eigenen Angaben eine langjährige, enge Freundschaft. Scholten: „Ich pflege meine Freundschaften, die ich bereits vor der Wahl zum OB hatte, selbstverständlich weiter. Die Grenzen zwischen privat und dienstlich kenne ich selbstverständlich sehr genau.“