Mülheim. . Jochen Hartmann (BAMH) plädiert für einen Park an der Promenade und eine Resolution zur VHS in der Müga. Den OB hält er für eine „Lame Duck“.
Der Bürgerliche Aufbruch Mülheim (BAMH) hat sich vor gut zwei Jahren im Stadtrat gegründet. Mit sechs Mitgliedern stellt er heute neben den Grünen die drittstärkste Fraktion im Rat. „Wir wollen die Stadt den Bürgern zurückgeben und mit der Hinterzimmerpolitik aufräumen“, sagte der Fraktionsvorsitzende Jochen Hartmann damals zum Start.
Wochenlang herrscht schon extreme Hitze in der Stadt. Führt das, was die Stadtplanung angeht, zu einem Umdenken bei Politikern?
Hartmann: Ich hoffe das. Wir spüren jetzt täglich, wie wichtig Kaltluftschneisen für eine Stadt sind, und die Ruhr ist wichtig für die Kaltluftentstehung, wenn man sie an den Ufern nicht zubaut. Das hat eine Klimaforscherin kürzlich in Mülheim erst betont. Wir sind eine grüne Stadt und sollten dazu ein gesundes Verhältnis bewahren.
Was hieße das für Sie in der Konsequenz?
Zum Beispiel, dass wir die Ruhrbania Felder drei und vier, also zwischen Ruhrquartier und Konrad-Adenauer-Brücke, nicht auch noch zubauen. Warum schaffen wir dort nicht einen grünen Park für die Mülheimer, mit einem Spielplatz und dem Nele-Brunnen? Zudem wohnen viele Kinder in der Innenstadt: Wo sollen und können die eigentlich spielen?
Gefällt Ihnen das neue Schloßstraßen-Quartier an der Promenade, das Anfang 2019 fertig wird?
Für mich ist das langweiliger Beton. Es erinnert mich an eine JVA. Und damit haben wir auch nicht die Verbindung von Ruhr und Innenstadt geschaffen. Im Gegenteil. Das schirmt den Fluss wie ein Bollwerk ab. Ich frage mich auch, wie dadurch die Innenstadt belebt werden soll.
Keine Angst vor dem Sparkommissar
Sehen Sie auch was Gutes in der Innenstadt?
Ja, The O, den Umbau des ehemaligen Woolworth-Gebäudes halte ich für eine gelungene Sache, architektonisch gut gelöst.
Nun hat auch Ihre Fraktion den 20 städtischen Grundstücken für mögliche Wohnbebauung und Gewebeansiedlung zugestimmt. Erwarten Sie dadurch einen Gewinn für den städtischen Haushalt?
Wir brauchen auf jeden Fall weitere Flächen für Gewerbeansiedlungen, und wir sind keine Nein-Sager, übernehmen Verantwortung. Firmenansiedlungen bringen Geld, aber die Probleme des Haushaltes werden wir damit nicht lösen.
Sie stehen als Politiker vor immer neuen Defiziten, und das bei bereits zwei Milliarden Schulden. Wie wollen sie weitere 15 oder 20 Millionen Euro einsparen oder einnehmen?
Klar ist, jegliche Steuererhöhungen sind mit uns nicht machbar. Bei der Ruhrbahn, die jetzt wieder 61 Millionen Miese vorgelegt hat, sehe ich dringenden Handlungsbedarf. Ich fände es auch nicht klug, sich jetzt durch eine Direktvergabe weitere 22,5 Jahre an die Ruhrbahn in der Form zu binden. Wir wissen, dass schon sehr bald ganz andere Fortbewegungsarten kommen werden. Wir müssen das Thema ÖPNV endlich mal bar jeder Ideologie diskutieren. Nach wie vor sehe ich auch nicht ein, warum das Theater jedes Jahr drei Millionen erhält und von jeder Sparmaßnahme ausgenommen wird. Und ich kritisiere, dass wir immer noch Aufgaben von Bund und Land übernehmen, ohne dafür sämtliche Kosten erstattet zu bekommen. Also, ich hätte keine Angst vor einem Sparkommissar aus Düsseldorf. Es muss aber auch den Kommunen im Nothaushalt von Bund und Land ein Weg gezeigt werden, wie sie dauerhaft aus der Misere kommen können. Mit Ulrich Ernst scheidet bald ein wichtiger Dezernent für Schule, Kultur, Gesundheit, Soziales und Sport aus. Sind Sie für die Wiederbesetzung der Stelle?
Ich könnte mir die Stadt auch mit drei Dezernenten vorstellen und dass der gesamte Baubereich, wo es um viele rechtliche Fragen geht, vom Rechtsdezernenten mit übernommen wird. Und der jetzige Baudezernent kümmert sich wieder wie früher um Kultur, Schule, Sport.
Viele Bürger haben ein Misstrauen
Um viel Geld geht es auch bei der VHS in der Müga. 10 000 Unterschriften hat eine Initiative zur Rettung der VHS für ein Bürgerbegehren gesammelt. Überrascht Sie das?
Nein, ich wundere mich nicht, weil darin auch ein Protest versteckt ist gegen vieles andere in der Stadt. Und: Viele Bürger haben ein Misstrauen, was das Gelände in der Müga angeht. Sie vermuten, dass die Stadt das Gelände doch mal verkauft, damit dort ein Hotel oder Wohnungen entstehen. Ich überlege, ob wir im Stadtrat nicht eine Resolution vorschlagen, mit der wir festlegen, dass an dem Standort in der Müga auf jeden Fall wieder VHS stattfindet. In dem sanierten jetzigen Bau oder in einem Neubau. Das nähme viel Luft aus dem Konflikt.
Kommen wir zum Fall des Oberbürgermeisters Ulrich Scholten, der es mit Spesenabrechnungen nicht so genau genommen haben soll. Gab es Dienstgespräche bei reichlich Wein in einem öffentlichen Restaurant? Warum ein Vier-Sterne-Aufenthalt in einem Landhotel mit seinem Referenten? Vieles ist unklar. Sie haben den Rücktritt gefordert, einige in SPD haben den OB ebenfalls dazu aufgefordert. Schadet die Affäre der Stadt?
Es schadet der Stadt und allen ehrenamtlichen Politikern. Schauen Sie sich an, wie die Menschen auch in den sozialen Netzen darüber denken und reden. Wieder heißt es, die da oben machen, was sie wollen. Scholten hat mehrfach in der Angelegenheit nicht Wort gehalten. Er muss endlich die Hose runterlassen und erklären, warum er mit wem zu welchem Zweck auf Kosten der Stadt Essen und Trinken war. Und das wollen wir in nahezu allen Fällen aufgeklärt haben. Ich sehe es genauso wie die Alt-Oberbürgermeisterin Frau Mühlenfeld, dass über städtische Angelegenheiten nicht in Restaurants gesprochen werden sollte. Und das dann auch noch bei größeren Mengen Alkohol.
Und wenn er die Aufklärung nicht liefert?
Schauen Sie, was andere Oberbürgermeister leisten. Die sind präsent, das sind Macher für ihre Stadt. Scholten ist für mich, was man in Amerika eine Lame Duck, lahme Ente, nennt. Das kann sich Mülheim nicht leisten. Da erwarte ich auch, dass die SPD, seine Partei, eine einheitliche Linie zeigt.