Mülheim. . Wolfgang Höfs aus Mülheim arbeitet für die Europäische Kommission und beschäftigt sich mit autonomem Fahren. Technik könnte 2030 ausgereift sein.

Im Auto sitzen und ein Buch lesen, während das Auto einen selbstständig zur Arbeit fährt – was für die einen klingt wie aus einem Science-Fiction-Film, halten andere für umsetzbar innerhalb der nächsten 20 Jahre. Der Mülheimer Wolfgang Höfs (62) arbeitet bei der Europäischen Kommission in Brüssel. Sein Referat in der Generaldirektion Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologien kümmert sich unter anderem um die Finanzierung von Forschungsprojekten für autonom fahrende Autos. Über die Chancen und Risiken selbstfahrender Fahrzeuge hat er mit Annalena Dörner gesprochen.

Was spricht aus Ihrer Sicht für das autonome Fahren?

Die Serie „Mobilität Mülheim“ beschäftigt sich mit den Verkehrsthemen der kommenden Jahre.
Die Serie „Mobilität Mülheim“ beschäftigt sich mit den Verkehrsthemen der kommenden Jahre. © Oliver Schäfer

Es bietet Service. Ein älterer Mensch zum Beispiel, der nicht mehr selber Auto fahren kann, möchte mobil bleiben. Für Jüngere bietet es auch Dienstleistungen: Meine Kinder haben ihr Smartphone ständig in der Hand. Die sitzen vielleicht irgendwann im Auto, chatten mit ihren Freunden und brauchen sich nicht auf das Fahren zu konzentrieren. Ein anderer Aspekt ist die Sicherheit. Der Fehlerfaktor Mensch wird ausgeschaltet. Ich bremse in einer bestimmten Situation vielleicht zu spät. Das technische System ist so programmiert, dass es rechtzeitig in der richtigen Weise reagiert.

Wo Sie das Thema Sicherheit ansprechen: Das autonom fahrende Auto muss sich mit der Infrastruktur vernetzen, damit es sich bewegen kann. Wie sicher ist dieses System vor Hackern?

Das ist eine Schlüsselfrage, um die sich mein Referat bei der Europäischen Kommission kümmert. Wenn jemand in die Kommunikation eingreift, dann ist das der größte anzunehmende Unfall. Ein anderes Thema ist auch, wie man die ganze Software, die in so einem Fahrzeug verbaut ist, regelmäßig aktualisiert. Jedes Computersystem braucht gelegentlich Updates. Autonomes Fahren wird nur dann funktionieren, wenn wir ein hohes Maß an Cybersicherheit haben.

Was gibt es denn bisher für Ideen, um Hacker aufzuhalten?

Die Verschlüsselungstechniken werden immer weiter entwickelt. Je schwächer man verschlüsselt, desto leichter ist es, einzugreifen Für eine einfache Verschlüsselung braucht der Computer im Inneren wenig Leistung, für eine mittelgute braucht er ein bisschen mehr und wenn er es richtig gut machen soll, dann muss viel in Computerpower investiert werden. Das spielt eine Rolle bei den Herstellungskosten. Wir werden aber sicherlich erleben, dass Hersteller hohe Sicherheitsverfahren implementieren müssen, um eine Zulassung zu bekommen. Es wird trotzdem aber immer Leute geben, die dann noch die Möglichkeit haben, dort einzudringen. Die Gefahr des Hackens kann weitgehend eingedämmt werden, aber es bleibt ein Restrisiko.

Wie ist der momentane Stand der Entwicklung?

Es gibt sechs Stufen der Entwicklung. Das niedrigste Level ist Stufe 0. Das trifft auf Autos zu, die gar nichts selber können. Mein alter Käfer wäre ein gutes Beispiel dafür. Fahrassistenzsysteme, wie wir sie zum Beispiel mit ABS bereits heute in den Autos haben, gehören zur ersten Stufe. Die nächste Etappe nennt man „Teilautomatisiert“. Das sind unter anderem Systeme wie der Tempomat, der die Fahrgeschwindigkeit kontrolliert. Bei der dritten Stufe fährt, bremst und überholt das Auto von alleine. Bei der hochautomatisierten Fahrweise, Level vier, können Sie im Grunde während des Fahrens Zeitung lesen. Nur im Notfall müssen Sie die Kontrolle übernehmen. Die fünfte Stufe ist das vollautonome Fahren, wo Sie gar nichts mehr zu tun haben. Ich denke 2020/21 haben wir Stufe drei erreicht. Alles was danach kommt, kann man nicht präzise vorhersagen. Stufe vier kann man, Stand jetzt, um 2025 erwarten. Fünf Jahre später könnte das vollautomatische Fahren erreicht sein.

Wolfgang Höfs.
Wolfgang Höfs. © Zoltan Leskovar

Teslafahrer müssen während der Fahrt die ganze Zeit ihre Hände am Lenkrad haben. Das heißt, nach Ihrer Definition fahren diese Autos noch gar nicht richtig selbstständig.

In der Außendarstellung erweckt Tesla den Eindruck, als würden die Modelle autonom fahren. Das ist aber nicht so. In Wirklichkeit sind das Begleitfahrzeuge. Der Fahrer muss eingreifen, wenn das Auto die Situation nicht mehr beherrscht. Es steht auch in der Anleitung so drin. Nur die liest keiner.

Was muss man alles miteinander vernetzen, damit autonomes Fahren überhaupt funktionieren kann?

Damit ich fahren kann, muss ich wissen, was um mich herum passiert und darauf reagieren. Dafür gibt es verschiedene Sensoren, wie zum Beispiel Radare. Dann muss ein Computer bestimmen, ob da was im Weg ist und was das für meinen eigenen Fahrweg bedeutet. Dementsprechend kann man die Algorithmen programmieren. Heute sind in einem durchschnittlichen Auto 70 Computersysteme eingebaut. Für ein autonomes Fahrzeug wird sich die Anzahl mindestens verdoppeln. Die müssen sich alle untereinander austauschen und sich ein Bild machen. Das Ganze wird erleichtert dadurch, dass die Autos sich auch elektronisch mit der Umgebung, also anderen Fahrzeugen, austauschen. Zusätzlich gibt es die sogenannte Fahrzeug-In­frastruktur-Kommunikation: Wenn ich am Kaiserplatz auf die rote Ampel zu fahre, wäre es schön zu wissen, wie lange sie noch rot bleibt. Dann kann das Fahrzeug seine Geschwindigkeit anpassen, fährt langsamer auf die Ampel zu und erwischt dann das Grün. Das ist viel effizienter.

Was ist denn mit dem Datenschutz? Bleibt der nicht auf der Strecke, wenn alles mit allem vernetzt ist?

In erster Linie reden wir über ein Objekt, das Auto. Technisch gesehen, braucht man keine persönlichen Daten zum Fahren. Wenn Sie die Vernetzung aber brauchen, um zum Beispiel als Passagier während der Fahrt im Internet surfen zu können, ist der Datenschutz sehr wichtig. Nehmen wir das Beispiel Facebook. Vielleicht haben Sie in der Vergangenheit Facebook die Erlaubnis gegeben, auf den Standort des Smartphones zuzugreifen. Dann weiß Facebook möglicherweise, in welchem Auto Sie sitzen und wie schnell Sie fahren. Es ist die Aufgabe des Nutzers, sich darüber im Klaren zu sein, welche Daten er wirklich teilen will.

Was macht man denn, wenn das ganze System ausfällt?

Das ist ein großer Katastrophenfall, den es geben kann. Ähnlich, wie wenn ein Kernkraftwerk hochgeht. Man kann vieles tun, um die Wahrscheinlichkeit dafür gering zu halten. Aber man wird es nie völlig verhindern können. Man sollte mit solchen Techniken bewusst umgehen und sagen: Okay, das bietet mir ein hohes Maß an zusätzlicher Sicherheit. Es bietet mir viel Komfort und ich kann tolle Dinge damit anstellen. Aber es hat auch Risiken.

Sind Sie selbst schon mal mit einem teilautonomen Fahrzeug gefahren?

Ja, in Aachen gibt es ein Testfeld. Dort bin ich mit einem VW Passat auf die Autobahn bis in die Niederlande gefahren. In dem Fall funktioniert das automatisierte Fahren sogar grenzübergreifend.

Wenn Fahrzeuge sich vernetzen, braucht es trotzdem Ampeln 

Wenn Schilder mit Autos kommunizieren, birgt das nicht die Gefahr, dass man wieder mehr Straßenschilder aufbauen muss?

Ganz im Gegenteil. Wenn ich lauter autonome Fahrzeuge habe, brauche eigentlich gar keine Straßenschilder mehr. Weil die Autos sich alle an der Kreuzung unterhalten. Nehmen wir einmal an, auf der Leineweberstraße fährt ein Auto und ein anderes kommt aus der Eppinghofer Straße. Die Fahrzeuge koordinieren sich. Wer als erster an der Kreuzung ist, fährt rüber. Der andere ein bisschen später. Ampeln brauche ich keine mehr. Das ist idealisiert. Aber es wird erst mal nicht funktionieren, weil es auch 2030 Fahrzeuge geben wird, die nicht so ausgerüstet sind. Da werden Sie immer noch eine Ampel brauchen.

Ampeln auf der Wilhelmstraße in Gladbeck regeln den Verkehr am Donnerstag, 14.01.2016. Wieder einmal wird in der Stadt über die
Ampeln auf der Wilhelmstraße in Gladbeck regeln den Verkehr am Donnerstag, 14.01.2016. Wieder einmal wird in der Stadt über die "grüne Welle" diskutiert. Foto: Oliver Mengedoht / FUNKE Foto Services Stichwörter: Gladbeck, Verkehr, Verkehrsplaner, Verkehrsplanung, Stadplaner, Verkehrsachse, Verkehrsachsen, grüne Welle, Ampel, Ampeln, Lichtzeichanlage, Straßenverkehr, Auto, mobil, rote Ampel, Verkehrsfluss Grundsätzlich verletzt die Veröffentlichung eines KfZ-Kennzeichens auf einer Webseite den betreffenden Fahrzeuginhaber nicht in seinem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht, da der einzelne keine absolute, uneingeschränkte Herrschaft über "seine" Daten hat. Dies begründet sich einem neuerlichen urteil des Landgerichts Kassel (im Anschluss angefügt) auf den Umstand, dass er seine Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft entfaltet, in der auch personenbezogene Informationen einen Teil der sozialen Realität darstellen, der nicht ausschließlich dem Betroffenen allein zugeordnet werden kann Im Übrigen muss auch berücksichtigt werden, dass eine Zuordnung des Halters zum KFZ anhand des Kennzeichens nur der Polizei und den Straßenverkehrsbehörden möglich ist. Eine Persönlichkeitsrechtsverletzung wäre nur bei Vorliegen weiterer Umstände der Fall , z.B. wenn die Informationen mit einem Aufruf veröffentlicht würden, den PKW zu beschädigen. Rechtsanwalt Alexander Stevens, 17.05.2010 http://www.frag-einen-anwalt.de/Veroeffentlichung-privates-KFZ-Kennzeichen-in-verschiedenen-medien---f101513.html Landgericht Kassel Beschluss v. 10.05.2007 - Az.: 1 T 75/07 - Veröffentlichung von KfZ-Kennzeichen im Internet Leitsatz: 1. Die Veröffentlichung eines KfZ-Kennzeichens auf einer Webseite verletzt den betreffenden Fahrzeuginhaber nicht in seinem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Dies wäre nur bei Vorliegen weiterer Umstände der Fall , z.B. wenn die Informationen mit einem Aufruf veröffentlicht würden, den PKW zu beschädigen. 2. Es liegt auch keine Datenschutzverletzung © Oliver Mengedoht

Wo Sie es sagen: Ist es nicht gefährlich, Autos mit zwei so unterschiedlichen Systemen auf den Straßen fahren zu lassen? Das eine ist schließlich unfallträchtiger als das andere.

Das ist so. Aber das alte System ist genauso gut, wie es heute ist. Es wird sich sogar verbessern. Weil sie zusätzlich automatisierte Fahrzeuge haben, die sicherer sind. Dadurch könnte die Zahl der Unfälle weiter sinken. Ein Beispiel: 2001 ungefähr hat sich die Europäische Kommission das Ziel gesetzt, die Zahl der Verkehrstoten auf Europas Straßen innerhalb von zehn Jahren um die Hälfte zu reduzieren. Damals gab es etwa 50 000 Tote pro Jahr. 2011 haben wir die 26 000 erreicht. Das sind immer noch 26 000 zu viel. Aber es ist eben tatsächlich deutlich weniger geworden. Das hat viel damit zu tun, dass in der Zwischenzeit viel in passive und aktive Sicherheit investiert wurde. Passive Sicherheit sind Dinge, wie eine verstärkte Fahrgastzelle. Zur aktiven Sicherheit gehören Airbags, ABS und so weiter. In den weniger gut ausgerüsteten Autos mag das Unfallrisiko höher sein, als in autonomen Fahrzeugen. Aber das Risiko wird nicht höher sein als heute. Wir reden über Verbesserungen, nicht über Verschlechterungen.

Zur Person: Wolfgang Höfs

Wolfgang Höfs ist Gruppenleiter in der Generaldirektion Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologien der Europäischen Kommission. Sein Referat kümmert sich unter anderem um Fragen der Telekommunikation, die sich auf Mobilität beziehen. Außerdem unterstützt seine Abteilung Forschungsprojekte zum autonomen Fahren. Bereits seit 2001 ist Höfs bei der Europäischen Kommission beschäftigt.

Er ist Diplom-Informatiker und studierte Informatik und Betriebswissenschaften in Dortmund. Anschließend forschte er in den Bereichen Betriebssysteme und Rechnerarchitekturen. Fachwissen zum Bereich Verkehr sammelte er im Management der IT-Konsolidierung im europäischen Landverkehr der Schenker AG. Höfs lebt in Mülheim.

>> Glossar

Generaldirektion ist eine Verwaltungseinheit in der Europäischen Kommission. Die Direktion Kommunikationsnetze wird geleitet von der Kommissarin für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft, Marija Gabriel aus Bulgarien. Ein Vorgänger war Günther Oettinger.

ABS ist die Abkürzung für den Begriff Antiblockiersystem. Es verhindert, dass die Räder beim Bremsen blockieren. Dafür wird der Bremsdruck verringert. Das Auto bleibt vor allem bei Regen besser in der Spur und verkürzt gleichzeitig den Bremsweg.

Tempomat ist die Funktion eines Autos, mit der das Fahrzeug eine vom Fahrer bestimmte Geschwindigkeit einhält. Der Begriff „Tempomat“ ist ein Markenname der Daimler AG. Eigentlich heißt dieses Bauteil „Geschwindigkeitsregelanlage“.

Algorithmus bezeichnet eine Folge von bestimmten Anweisungen in Computersystemen. In jedem Ampelsystem beispielsweise ist mit einem Algorithmus genau festgelegt, wann welche Ampel auf Rot schaltet.