Mülheim. . Der Sängerkreis von Dirk Jungbluth spielt mit selbst gebauten Instrumenten in Senioreneneinrichtungen. Demenzkranke sind mehr als nur aufmerksam.
In einem Halbkreis sitzen Dirk Jungbluth und weitere Musiker mit selbstgebauten Ukulelen. Sie trällern eine dreiviertel Stunde lang Lieder. Und sind dabei nicht allein. Viele an Demenz Erkrankte schauen ihnen zu – und singen mit. Der Sängerkreis hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Senioren damit zu erheitern. Und die blühen auf.
Seit zwei Jahren gastiert die bunt zusammengewürfelte Gruppe in Einrichtungen, in denen Demenzkranke betreut werden. „Es fühlt sich gut an, Menschen den Zugang zu einem Instrument zu ermöglichen und damit anderen Menschen noch eine Freude zu machen“, sagt Jungbluth. Er möchte damit zeigen, dass es einen weiterführenden Sinn haben kann, wenn er Leute in seinem Bildungswerk Kambium Ukulelen bauen lässt – sogar aus alten Zigarrenschachteln. Durch Demenzfälle in den Familien oder durch die Berufe der Teilnehmer entstand die Idee des Sängerkreises.
Sänger sind selbst im Ruhestand
Mit Ursula Völker, Anke Spieker und Lothar Tappe sind drei sich im Ruhestand befindende Mülheimer ständig dabei. Tappe leitet auch die Kurse mit Jungbluth. „Musik ist emotional die letzte Tür, mit der wir Demente noch erreichen. Sie singen die alten Lieder aus ihrer Jugend plötzlich völlig textsicher ohne Zettel mit“, beschreibt Tappe das Szenario bei einem Auftritt.
Mittlerweile wird die Gruppe häufig angefragt. „Am schwierigsten ist es bei Tagespflegen, da bis 15.30 Uhr viele unserer Gruppe noch arbeiten, wenn die Dementen abgeholt werden“, sagt Jungbluth. Ein Dutzend sind es, wenn die Gruppe komplett ist – darunter ist auch eine Ärztin aus Wuppertal. Sie alle macht es glücklich, wenn die Gesichter in ihrem Publikum zu strahlen beginnen. „Selbst wenn das Lied nicht komplett in ihren Köpfen ankommt, aber dafür in ihren Herzen“, sagt Ursula Völker.
Wenn die Musiker in die Einrichtungen kommen, sitzen viele ihrer späteren Zuhörer oft teilnahmslos an den Tischen. Wenn der Gesang einsetzt, regen sie sich. Erinnerungen an alte Zeiten werden wach. Denn Demenzkranke leben in der Vergangenheit. Daher wählt der Sängerkreis auch Lieder aus den 1950er- und 1960er-Jahren aus. „Selbst bei denen, die nicht lachen oder es nicht mehr können, spüren wir, dass die Musik trotzdem ankommt und sie mitnimmt“, merkt Anke Spieker an.
Auftritt auf dem Kurt-Schumacher-Platz
Jungbluth ist zufrieden. Er gibt mit seiner Gruppe den Angehörigen der Erkrankten teilweise auch den Anstoß, selbst mit Musik bei der Betreuung zu arbeiten. Diesen Impuls gibt die Gruppe im September auch bei einem Auftritt auf dem Kurt-Schumacher-Platz zum Abschluss der Weltalzheimerwoche. Gleichzeitig bringt sie Abwechslung in Heime, denen es in der Regel finanziell nicht möglich wäre, Musiker für Geld zu buchen.
45 Minuten reichen aus, um den Dementen schöne Momente zu bescheren. „Länger können sie sich nicht unbedingt konzentrieren, die ersten werden unruhig“, hat Jungbluth festgestellt. Er freut sich besonders darüber, dass sich auch ein 15-Jähriger nach einem Ukulelen-Baukurs dem Sängerkreis angeschlossen hat.
Ein Weg, um sogar die Jugend an das Ehrenamt heranzuführen – und so die Jugenderinnerungen der Demenzkranken zu wecken.
>>> WIR STELLEN DIE HELDEN DES ALLTAGS VOR
Die WAZ hat mit der Aktion „Menschen machen’s möglich“ gemeinsam mit der Rheinisch-Westfälischen Wasserwerksgesellschaft (RWW) aufgerufen, Mülheimer zu benennen, die sich ehrenamtlich engagieren. Zehn Kandidaten stehen nun fest, die wir nacheinander in der WAZ in einem Porträt vorstellen.
Nach der Vorstellung aller Ehrenamtler und ihrer vorbildlichen Projekte können Sie, liebe Leser, für einen der Kandidaten stimmen. Die drei Mülheimer mit den meisten Stimmen erhalten Geldpreise, die beim Bürgerempfang am 6. September durch Oberbürgermeister Ulrich Scholten übergeben werden.