Mülheim. Zum „Internationalen Gedenktag für verstorbene Drogenabhängige“ lud das Café Light Besucher, um Abschied zu nehmen – und einmal nachzudenken.
Auf einem schmalen Beet an einer Mauer liegen zwischen Pflanzen mehrere kleine Pflastersteine – manche sind mit Namen beschriftet, andere mit Sprüchen. Einer ist in schwarz-rot-gold gefärbt und trägt die Aufschrift „Engel“. Der Steingarten im Innenhof des Café Light soll der Erinnerung an verstorbene Drogensüchtige dienen. Vor zwei Wochen wurde die Gedenkstelle eingerichtet und soll im Laufe der Zeit zu einem bunten Kleinod inmitten der ehemaligen Gefängnismauern werden.
„Jeder kann sich hier einen Stein nehmen und ihn gestalten, wie er möchte, um seiner Anteilnahme Ausdruck zu geben“, erklärt die Leiterin des Drogenhilfezentrums, Jasmin Sprünken. Sechs Klienten sind in diesem Jahr verstorben, berichtet sie. Zwölf waren es im vergangenen Jahr. Während deutschlandweit die Zahl der Drogentoten rückläufig ist, ist sie in Mülheim gestiegen. Im Café des Drogenhilfezentrums halten sich an diesem Samstag etwa zwanzig Gäste auf. Anlässlich des „Internationalen Gedenktages für verstorbene DrogengebraucherInnen“ hat man außerhalb der Öffnungszeiten die Besucher eingeladen.
Einzige Möglichkeit, Abschied zu nehmen
Auf dem Grill brutzeln Würste – die erste gibt es gratis, jede weitere kostet 50 Cent. Im Inneren des Cafés steht an einer Wand ein kleiner Tisch, versehen mit einer weißen Tischdecke. Darauf eine Kerze zwischen zwei Tafeln, auf denen die Namen der seit 1992 verstorbenen Besucher verzeichnet sind. In der Mitte liegt ein Kondolenzbuch. „Es ist für viele unserer Gäste die einzige Möglichkeit Abschied nehmen zu können“, weiß Jasmin Sprünken.
Oft käme es vor, dass sie an der Bestattung von verstorbenen Bekannten aus dem Drogenmilieu nicht teilnehmen dürften, weil es die Angehörigen nicht wünschen. „Richtige Freundschaften gibt es hier nicht“, schildert Lars (Name von der Redaktion geändert). Er kennt das Café Light noch aus der Zeit vor dem Umzug an die Gerichtsstraße im Jahr 2008. Mit knapp über 50 gehört er zu den Ältesten im Café Light. Seit dreißig Jahren wird er ärztlich betreut und erhält ein Substitutionsmittel. „Aber man sieht sich hier halt jeden Tag, grüßt sich und quatscht miteinander – Zweckgemeinschaft eben“, fährt er fort.
Nicht nur der „goldene Schuss“ führt zum Tod
Mancher Tod hätte verhindert werden können, glaubt Lars. Er erzählt von einer Bekannten, die ihm nahe stand. Weil sie unter Alkoholeinfluss gestanden habe, sei sie an einem Tag nicht substituiert worden. „Deshalb hat sie sich wieder prostituiert und mit dem eingenommenen Geld sich so viel Drogen kaufen und nehmen können, dass sie verstorben ist.“ Es ist nicht immer der „goldene Schuss“, der zum Tod führt. „Vielfach liegen die Gründe in Spätfolgen des Langzeitkonsums oder in den belastenden Lebensumständen“, bemerkt Jasmin Sprünken. „Heroin ist ein starkes Schmerzmittel, da können Krankheiten verschleppt werden, weil man sie gar nicht bemerkt.“
Auch Lars leidet an Schmerzen und Depressionen. „Ich habe viele verschiedene Antidepressiva genommen, aber es gibt kein Besseres als Heroin“, ist seine Einschätzung. Deshalb komme es bei ihm zum gelegentlichen Beikonsum, der die Substitution gefährdet. Früher dachte er selbst, Drogen zu nehmen sie eine Disziplinlosigkeit. Die Erfahrung lehrte ihn, es ist eine Krankheit. Sein Wunsch: „Ich möchte, dass uns die Verantwortlichen in der Politik und in der Medizin mit mehr Respekt behandeln und die Substitutionskriterien gelockert werden.“