Mülheim. . Radbrücke im Bau, Fahrstuhl defekt? Zehn Jugendliche haben das Beste daraus gemacht und den tristem Absperrzaun am RS1 mit Graffiti verschönert.

Auch wenn es für die Radler, die sehnsüchtig auf dem Viadukt vor der Eisenbahnbrücke auf die Eröffnung warten, kein Trost sein dürfte: Der Zaun, der sie noch vom Strampeln über die Ruhr abhält, ist seit neustem ein schönes Kunstwerk geworden. Jugendliche des Jugendzentrums Stadtmitte haben die ehemals braune Sichtsperre mit einem bunten Graffiti aufgewertet.

Einsatz an der Sprühflasche

„Radschnellweg RS1 – under construction“ ist in dicken Blasenbuchstaben zu lesen – statt der tristen Sperrholzoptik. Darunter sind Kettenglieder und Fahrradsymbole zu erkennen. Immerhin ein Ausblick auf das Jahresende, wenn voraussichtlich diese Schranke fällt, und es endlich per Pedale über die Ruhr gehen kann.

Für den Einsatz an den Sprühflaschen hat Diplom-Pädagogin Isabelle Wojcicky gut zehn junge Leute begeistern können und den Düsseldorfer Spray-Künstler Damian Bautsch engagiert. Finanziert wurde die Künstlergage und das Material aus dem Bürgermitwirkungsbudget, das Bürger und Gewerbetreibende mit maximal 4000 Euro darin unterstützt, „das öffentliche Leben zu stärken und das Miteinander zu fördern“.

Erst durften sich die zehn Nachwuchssprayer wild an der Wand ausprobieren. Danach machten sie sich diszipliniert an den Entwurf des Künstlers. Gar nicht mal einfach, fand es Aliou (18), der vor einem Jahr aus Guinea (Westafrika) zu uns gekommen ist. „Gerade Linien sind schwer“, meint der 18-Jährige.

Geschwungene Linien liegen Menschen im Blut

Eigentlich kein Problem, denn geschwungene Linien hat das sechs Meter breite und gut 2,5 Meter hohe Bildnis reichlich zu bieten. Grafiker und Graffiti-Künstler Damian Bautsch vermutet dennoch biologische Gründe hinter dem ‘Linien-Handicap’: „Die geschwungenen Linien liegen uns wohl irgendwie im Blut – wir sind eben keine Roboter.“

Für Musafer (15), der vor kurzem aus dem Iran nach Deutschland kam, war es nicht immer leicht, den richtigen Abstand zwischen Dose und Wand zu halten.

Für Samantha (17) – eine der beiden jungen Frauen in der Sprayergruppe – wiederum kein Thema: „Man kann einfach drüber sprühen.“ Ihr gefallen die Kreativität und die schrillen Farben. Außerdem kann die Kunst nun jeder sehen. „Ich finde das cool und ich bin auch richtig stolz darauf“, meint die 17-Jährige.

Jugendliche lernen voneinander

Das Graffiti an der Eisenbahnbrücke ist auch nicht ihr erstes. Das Jugendzentrum Stadtmitte hat schon verschiedene Dinge in der Stadt gestaltet. Flamingos zieren etwa einen Stromkasten an der Eppinghofer Straße, andere Motive sind am Südbad und der Auerstraße zu finden.

An dieser Gestaltung waren junge Menschen zwischen 11 und 21 beteiligt. „Mir ist es bei den Projekten wichtig, möglichst unterschiedliche Altersstufen zu beteiligen, weil sie voneinander lernen und aufeinander achten“, verrät Pädagogin Isabelle Wojcicky. Jetzt hoffen die jungen Kreativen darauf, dass ihre Kunst ankommt und möglichst lang unbeschädigt bleibt – zumindest bis der Weg über die Brücke frei wird.

Flamingos auf einem Stromkasten

>>Das Verschönerungsprojekt „Integration durch Jugendkultur, Musik und Kunst“ geht nach den Sommerferien den nächsten Schritt. Zu ihrem Graffiti und ihrer Stadt wollen die jungen Leute noch ein Musikvideo drehen. Was und wie das besungen wird, ist zwar noch nicht klar, sagt Isabelle Wojcicky. Mitmischen werden aber die Pottpoeten, die ihr Studio zur Verfügung stellen.

Für Graffiti-Künstler Damian Bautsch ist es nicht das erste Projekt dieser Art. Gut zehn Projekte im Jahr führt der Düsseldorfer mit Jugendlichen durch.

Gelernt hat Bautsch Grafik und Design. Mit Graffiti-Kunst fing er 1991 als Jugendlicher an. Warum die Sprühflasche? „Sie kann ein Bleistift sein, ein Pinsel oder ein Kuli – sie ist für mich alles in einem. Das macht den Reiz aus.“