Mülheim. Bei den Schachtagen im Rhein-Ruhr-Zentrum lernen nicht nur Kinder das Brettspiel. Warum die Aktion mitten auf der Einkaufspassage stattfindet.

Zwischen der Douglas-Filiale und den Karstadt-Arkaden überlegt Jerome eine ganze Weile, während er auf das Schachbrett voller Figuren schaut. Dann setzt der Zehnjährige seinen Springer, schlägt den Läufer seines Gegners und bedroht dessen König. „Schach“, sagt er.

Im Rhein-Ruhr-Zentrum laufen in dieser Woche die Schachtage, organisiert vom Großmeister Sebastian Siebrecht. Der Essener ist seit 2012 in den verschiedensten Einkaufszentren Deutschlands unterwegs, um nicht nur Kindern das Denkspiel beizubringen, das auch im Digitalzeitalter zwischen Smartphones noch gesellschaftsfähig ist. „Brettspiele sind zwar heute fast ausgestorben, aber wenn sie gespielt werden, haben sie einen großen sozialen Wert“, findet Siebrecht.

Leute probieren ein paar Züge aus

Naomi (l.) und Jerome spielen Riesenschach. Die großen Figuren ziehen viele in ihren Bann – auch schon die ganz Kleinen.
Naomi (l.) und Jerome spielen Riesenschach. Die großen Figuren ziehen viele in ihren Bann – auch schon die ganz Kleinen. © Frank Oppitz

Das merkte er auch in den vergangenen Tagen in der Einkaufspassage. Immer mal wieder hielten Leute an, setzten sich an das Brett und probierten mal wieder ein paar Züge. Schüler, Senioren oder auch Familien. So wie Melanie Wildenhues und Tochter Mia. „Hin und wieder spielen wir zuhause, das ist aber nun schon länger her. Man muss dann überlegen, wie die Züge nochmal gingen“, gibt die Mutter zu, während ihre Tochter mit einem weißen Bauern schräg auf dem karierten Brett vorrückt, um den schwarzen Läufer zu schlagen.

Das Hauptprogramm ist allerdings betreuter Schachunterricht, an dem in dieser Woche 14 Schulklassen und eine Kindertagesstätte teilnehmen. „Die Lehrer begrüßen Schachunterricht mittlerweile“, sagt Siebrecht. Er ist auch in den Schulen vor Ort, gibt Schachstunden anstelle von anderen Fächern.

Großmeister nennt drei Vorteile beim Schach

„Schach fördert die Konzentrationsfähigkeit, das vorausschauende Denken und die Entwicklung von Lösungen“, beschreibt der Großmeister die Vorzüge seines Fachgebiets. Gleichzeitig dient Schach wie andere Spiele auch der Integration. Teilweise ist Siebrecht dafür bewusst in sozialen Brennpunkten unterwegs.

Melanie Wildenhues und Tochter Mia sind zufällig an einem Schachbrett vorbeigekommen und haben eine Partie gespielt.
Melanie Wildenhues und Tochter Mia sind zufällig an einem Schachbrett vorbeigekommen und haben eine Partie gespielt. © Frank Oppitz

Im Rhein-Ruhr-Zentrum haben sich am Dienstag und Donnerstag derweil Schüler der Grundschule an der Heinrichstraße an die Schachbretter begeben. Ihnen bringt Siebrecht die Grundzüge bei und lässt die Schüler selbst überlegen, welche Taktik sie wählen können. Vor allem, wie sie ihren Gegner mit allen Figuren schlagen können.

Schüler dürfen gegen den Experten spielen

„Die Figuren sind eine Mannschaft, alle wollen bei der Party mitmachen“, erklärt der Großmeister. Die Schüler folgen aufmerksam, beteiligen sich, ehe sie gegeneinander spielen – auch gegen Siebrecht, der allerdings nicht extra verliert, sondern dabei seine Taktik eher lehrend auswählt. „Die Schüler sollen sich Wege suchen, die ich zustellte, um sie weiterzubringen“, erklärt der Experte, der selbst für acht verschiedene Vereine in Europas Topligen am Brett saß.

Viel Freude entwickeln die Schüler beim Riesenschach. „Dabei ist die Hemmschwelle geringer, auch die ganz Kleinen stürmen sofort auf die großen Figuren zu“, erzählt Siebrecht. Jerome hat in der Zeit seine Idee weiterentwickelt und den Gegner „schachmatt“ gesetzt.

Warum gefällt dir Schach so gut?

Jeffrey (9)

"Ich muss viel überlegen und freue mich, wenn ich dadurch viele Punkte sammeln kann. Aber Schach ist schwieriger als zum Beispiel „Vier gewinnt“. In meiner Freizeit spiele ich Fußball und Basketball, aber Schach spiele ich zusammen mit Fußball am liebsten."

Olivia (8)

"Auf dem Schachbrett muss ich viel lenken, es ist eine Herausforderung. Wenn ich bastele oder mit Lego spiele, mache ich mir auch Gedanken, was herauskommen soll. Beim Basteln benutze ich buntes Material, beim Schach spiele ich lieber mit den schwarzen Figuren."

Jerome (10)

"Schach ist ein ruhiges Spiel, es ist nicht so laut wie andere. Dabei kann man sich in Ruhe unterhalten. In der Schule geht es immer hektischer zu. Wenn ich mich konzentriere, kann ich den Gegner auch schnell schlagen. Das ist mir mal in drei Zügen gelungen."

Naomi (9)

"Das Spiel ist richtig cool, ich spiele es so oft ich kann. Man muss wissen, wie man ziehen muss und es kribbelt, wenn der Gegner an der Reihe ist und sich eine Taktik ausdenkt. Ich muss dann gut verteidigen. Ich mag Schach lieber als andere Freizeitaktivitäten."

1/4

>>>Schachtage laufen noch bis Samstag

Bis Samstag laufen im Rhein-Ruhr-Zentrum die Schachtage. Täglich von 10 bis 20 Uhr ist Großmeister Sebastian Siebrecht vor Ort und bietet Programm. Am Freitag spielt Martin Grünter, Trainer des Deutschen Schachbundes und Bundesligaspieler.

  • Ein Finale der Gewinner bei den täglichen Blitzturnieren findet am Samstag ab 17 Uhr statt. Am selben Tag wird ab 11 Uhr ein Kinder-Schach-Cup U14 ausgerichtet. Außerdem kann der Großmeister selbst noch an beiden Tagen geschlagen werden.