Mülheim. . Das Team aus Pfarrern und Ehrenamtlichen wird pro Jahr rund 110 Mal alarmiert. Sie sind auch dabei, wenn die Polizei Todesnachrichten überbringt.

Der Unfall vor acht Monaten am Frohnhauser Weg, als eine 13-Jährige von einem Betonmischer überfahren wurde, hat viele Menschen, die nur davon hörten, erschüttert. Das Mädchen starb im Krankenhaus. Für die Notfallseelsorge in Mülheim, die jetzt ihr 20-jähriges Bestehen feiert, war es einer von etwa 110 Einsätzen im Vorjahr. „Der schlimmste“, sagt Pfarrer Guido Möller, Leiter der Notfallseelsorge, selber schon seit 2002 dabei.

In der Hauptfeuerwache besitzt er ein Büro, von wo aus am 9. Oktober 2017 der Einsatz koordiniert wurde. Auf einem Whiteboard ist unter anderem notiert, welche Beteiligten Hilfe brauchen. Möller hat die Tafel bis heute nicht gewischt, bewusst, wie er sagt. Er selber war mit fünf weiteren Notfallseelsorgern vor Ort. Sie kümmerten sich um die Freundin der Verunglückten, Augenzeugen, den Lkw-Fahrer. Einer begleitete den Vater des Mädchens, als dieser der Oma die Todesnachricht brachte. Auch die Rettungskräfte wurden mit ihrem Entsetzen nicht alleine gelassen: „Man vergisst oft in der Öffentlichkeit, dass sie ja auch ein Privatleben haben, vielleicht selber Kinder“, sagt Hanno Lueg (68), einer der Ehrenamtler im Team.

Evangelischer Kirchenkreis trägt die Notfallseelsorge

Die Notfallseelsorge, 1998 ins Leben gerufen, wird vom Evangelischen Kirchenkreis an der Ruhr getragen und finanziert. 25 Pfarrerinnen und Pfarrer übernehmen im Wechsel den Dienst.

Auf Wunsch sprechen sie auch Gebete oder erteilen Verstorbenen den Segen. Grundsätzlich aber gilt: „Wir gehen zu Menschen jeglicher Religion und Herkunft“, betont Pfarrer Möller. Daneben sind rund 30 Ehrenamtliche dabei, viele bringen einen beruflichen Hintergrund mit, der Berührungspunkte bietet.

Rund 30 Ehrenamtliche bringen sich ein

Drei Beispiele: Hanno Lueg ist pensionierter Förderschullehrer, Martha Vahrenkamp (67) war früher als Krankenhaus-Seelsorgerin tätig, Frank Görgen (58) arbeitet als Krankenpfleger. Zur Vorbereitung gehört, wie Pfarrer Möller erläutert, eine insgesamt 15 Monate laufende Ausbildung in Kooperation mit der Essener Notfallseelsorge. Unverzichtbare Elemente: „Jeder muss 24 Stunden auf einem Rettungswagen mitgefahren sein und die Polizei bei Todesermittlungen begleitet haben.“ Wenn Polizeibeamte Todesnachrichten überbringen müssen, gehe in der Regel jemand aus dem Team mit.

Alarmiert werden die Notfallseelsorger ausschließlich über die Leitstelle der Feuerwehr. In bestimmten Fällen, wenn Kinder beteiligt sind oder jemand vom Zug überfahren wurde, geschieht dies automatisch. „Wir bleiben so lange, wie die Menschen uns brauchen“, sagt Pfarrer Möller. Arno Lueg wurde neulich zu einer Frau gerufen, deren Mann in der Müga zusammengebrochen war. Sie reanimierte ihn selber, war dann dankbar für eine Begleitung in die Klinik.

Kaugummis und Zigaretten sind immer dabei

Der Notfallseelsorge steht ein eigenes Auto zur Verfügung, den Fahrdienst leistet das Rote Kreuz. Die Helfer werden abgeholt und zum Einsatzort gebracht. Mit an Bord sind violette Signalwesten, Teddys zum Trösten und Koffer, die unter anderem Kaugummis und Zigaretten enthalten. Daneben gibt es Ordner, die das Vorgehen bei einem Massenanfall von Verletzten (MANV) detailliert regeln. Ein Handbuch, wenn ringsherum das Chaos tobt, wie bei der Love Parade, die mehrere Mülheimer Notfallseelsorger miterlebten.

Gefragt nach seinem schwersten Einsatz, erinnert sich Guido Möller an einen Fall von plötzlichem Kindstod: „Das Schlimmste war, die Sprachlosigkeit der jungen Eltern mit auszuhalten.“ Bei Bedarf kommen die Notfallseelsorger mehrmals. Und sie lassen immer einen Flyer für Betroffene da: Wo und wie man weitergehende Hilfe findet, in den nächsten Wochen, Monaten, Jahren. . .

>> GOTTESDIENST ZUM 20-JÄHRIGEN BESTEHEN

Ihr 20-jähriges Bestehen feiert die Notfallseelsorge mit einem öffentlichen ökumenischen Gottesdienst am Mittwoch, 13. Juni, um 18 Uhr. Er findet statt in der Fahrzeughalle der Freiwilligen Feuerwehr bei der Hauptfeuerwache, Zur Alten Dreherei 11, in Broich.

Im Anschluss gibt einen Imbiss und Gelegenheit, mehr über die Arbeit der Notfallseelsorge zu erfahren.