Wir haben unsere schönsten und schlimmsten Fußball-Momente aufgeschrieben. Nun sind Sie am Zug: Was ist Ihre bewegendsten WM-Erinnerung?
Tore, Tränen, Jubel – der Fußball ist eng mit Emotionen verknüpft. Vor allem, wenn es um Weltmeistertitel geht. Wir haben die schönsten und schlimmsten Fußball-Momente aufgeschrieben und wollen gleichzeitig von Ihnen wissen: Was ist Ihre schönste WM-Erinnerung?
Als Törtchen die WM erklärte
Mein schönster WM-Moment ist eigentlich der eines Kollegen von den Ruhrnachrichten. Der traf 2006 das Dortmunder Original „Törtchen“. Der heißt eigentlich Helmut Brinkmann, ist laut aber herzlich und mittlerweile ein guter Bekannter meiner Familie – die bei ihm auch immer nur ganz schwer zu Wort kommt. Das musste auch der Kollege feststellen, als „Törtchen“ einen seiner berühmten Monologe hielt. Er schimpfte über die schwachen Brasilianer, den unverdienten Weltmeister Italien und die deutschen Kommentatoren. „Aber wir haben doch tolle vier Wochen erlebt“, meinte der Kollege, als er endlich einmal zu Wort kam. Törtchen: „Mensch, hörst du mir nicht zu? Das sag’ ich doch die ganze Zeit!“ Marcel Dronia
Maskottchen im Glas
Wie meinte Ringelnatz? „Der Fußballwahn ist eine Krankheit, aber selten. Gott sei Dank.“
Mein schönster WM-Moment war daher 1974 und hat gar nichts mit dem Spiel mit zwei Toren und Millionen außerhalb der Spielfelds zu tun. Begeistert war ich damals vielmehr von den Maskottchen Tip und Tap. Selbst Senfgläser mit den Emblemen der Lausbuben in eingelaufenen Trikots mussten nach Gebrauch ausgespült werden, um später daraus genüsslich Limo trinken zu können. Wen’s dabei schaudert, mag sich an die nachfolgenden Maskottchen erinnern: eine Orange, eine Schnurrbarttragende Chilli-Schote, ein Löwe ohne Unterhose. Dennis Vollmer
Prüfung statt Party
Draußen vor der Tür bricht Jubel beim Public Viewing aus. Drinnen, in der Mensa der Uni in Mainz, ist die Stimmung gedrückt. Dort sitze ich mit etwa 200 anderen Studenten und schreibe eine Prüfung. Es ist Montag, der 15. Juni 2014. Deutschland feiert seinen WM-Auftakt in Brasilien gegen Portugal mit einem frühen Tor. Alle im Saal wollen jetzt ganz dringend raus. Dorthin, wo es frische Luft, Fußball und Party gibt. Doch der Ehrgeiz, die Aufnahmeprüfung zum Master-Studiengang Journalismus zu bestehen, ist größer. Beim zweiten Torjubel gebe ich meine Blätter ab. Pünktlich zum Anpfiff der zweiten Halbzeit sitze ich auf dem Sofa. Zwar bin ich sauer, die ersten drei Tore verpasst zu haben, doch der Abend hat ein Happy End: Deutschland gewinnt 4:0. Ich schaffe die Prüfung und darf ab nächstem Semester Journalismus studieren. Annalena Dörner
Einen noch ‘reingelassen
Im Juni 2002 machten wir Urlaub auf Sardinien. Die WM interessierte uns damals nur am Rande, mein Mann und ich waren keine großen Fans. Am 2. Juni kamen wir gerade von einer Wanderung zurück. Die kleine Bar am einsamen Parkplatz war geöffnet, und wir die einzigen Gäste. Wir hatten Durst, wir hatten Hunger, und der Wirt zwar keine Küche, aber einen Fernseher in einem Privatzimmer. Als er hörte, dass wir Deutsche sind, schloss er uns ungefragt den Raum auf, schaltete ein, und trug den Kaffee hinterher.Deutschland gegen Irland, aha.
Das war so lieb gemeint, dass wir den Wirt nicht enttäuschen wollten. Wir hielten beide Halbzeiten durch bis zum – bitteren – Ende. Da haben wir uns dann angemessen empört, als die Iren kurz vor Schluss noch trafen zum 1:1. „Manchmal will er nicht so sein. Und dann lässt er einen ‘rein“, murmelte ich die letzte Zeile aus dem „Prinzen“-Stück über Olli Kahn. Der nette Wirt hat’s nicht gehört...
Bettina Kutzner
Mit Feuerzeug zum Elfmeter
Ich hab von Fußball keine Ahnung, wirklich nicht. Ganz im Gegenteil. Eigentlich kann ich diesem dösigen Sport nichts abgewinnen, bei dem Menschen, meist Männer, hinter einem Ball herrennen. Aber im Sommer 2014 hat es mich dann doch gepackt – zumindest ein kleines bisschen. Das Spiel Deutschland gegen Brasilien stand bevor, ich war mit (fußballbegeisterten!) Kollegen unterwegs und wir rüsteten uns fürs Public Viewing. In der hintersten Ecke eines Kaufhauses fanden wir endlich noch die letzten Deutschland-Fähnchen. Konnte nichts mehr schiefgehen – eigentlich. Bis ich die Frage aller Fragen stellte: Wie geht nochmal Abseits? Kurzerhand ließ die Kollegin ihre Brille, zwei Feuerzeuge und die Zigarettenschachtel zu Tor, Angreifer und Gegenspieler werden und gab mir so eindrückliche Fußball-Nachhilfe. Das traf!
Katja Bauer
Jubelschreie in den Straßen
WM-Finale am 7. Juli 1974 im Münchener Olympiastadion, Anstoß um 16 Uhr. Alle zu Hause vor den Schwarz-weiß-Fernsehern. Public Viewing? Kam später. Kurz nach Beginn der Partie wurde es uns Kindern zu langweilig, wir klingelten uns gegenseitig aus den Wohnzimmern und zogen um die Häuser, wie immer. Plötzlich von überall her Jubelschreie, die aus den Fenstern auf die Straße schallten. Wir Kinder rannten zurück und hatten es glatt verpasst: 1:1, Ausgleich durch Breitners Foulelfmeter in der 25. Minute. Ab da sind wir drin geblieben und erlebten einen historischen Moment: Gerd Müllers Siegtor. Später reckte der Kaiser den Pokal in den Himmel, mit tadellosem Ruf und schwarzen Locken. Lange her... Annette Lehmann
Kicken auf dem Hof
1966: Seit Tagen fiebern wir dem Spiel entgegen, reden nur noch von Hans Tilkowski und Lothar Emmerich. Vormittags spiele ich noch mit Freunden Fußball. Die Fußballsachen lassen wir dann auch an, als wir uns bei Klaus treffen. Seine Eltern haben einen Fernseher, welch ein Glück. Das Wohnzimmer ist rappelvoll, Ich sitze auf meinem Fußball. Die Fußballschuhe durfte ich anlassen, weil es ein besonderer Tag sei. Wir freuen uns zusammen, springen auf – und sind dann ganz still. Nur drei Väter schimpfen. Klaus’ Mutter bringt uns allen Eis am Stiel rein – zum Trost. „Kicken wir nächste Woche wieder auf dem Hof?“, fragt Klaus zum Schluss. Klar doch, rufen wir alle. Als Neunjährige vergessen wir das 3:2 schnell.
Andreas Heinrich
Jetzt sind Sie dran!
>> Zum Auftakt der Fußball-WM am 14. Juni in Russland wollen wir von ihnen wissen: Was ist Ihr schönster WM-Moment?
Schicken Sie uns Ihre Geschichte per Mail an redaktion.muelheim@waz.de, gerne auch mit entsprechenden Fotos dazu (bitte im JPG-Format mit mindestens 1 MB). Oder melden Sie sich telefonisch unter 44 308 31.