Mülheim. . Mit Carsten Bräumer, theologischer Vorstand, will die Stiftung ihre Dienstleistungen weiterentwickeln. Wie verbindet er Theologie und Ökonomie?

Die Theodor-Fliedner-Stiftung wurde von Pastor Theodor Fliedner im Jahr 1844 als Diakonieanstalt gegründet. Seit Jahresbeginn leitet Carsten Bräumer als theologischer Vorstand und Vorsitzender mit Claudia Ott und Sabine Halfen die Stiftung. Im Interview mit Dennis Vollmer spricht er über seine Handschrift als Vorsitzender.

Herr Bräumer, bitte stellen Sie sich einmal vor.

Ich bin 50 Jahre alt und komme aus Celle in Niedersachsen. Ich habe dort zuletzt 13 Jahre als Vorstand eines diakonischen Unternehmens mit 1200 Mitarbeitern und Schwerpunkt in der Pflege- und Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen gearbeitet. Von meiner ersten Ausbildung her bin ich Theologe. Mein Diplom habe ich an der Universität Göttingen gemacht, danach die Ausbildung zum Pastor. Ich bin im Umfeld und zum Teil auf dem Gelände einer Diakonie aufgewachsen. Die soziale Arbeit mit Menschen mit Behinderung war also schon früh mit meiner Biografie verknüpft.

Geschäftsführer im Fachbereich Behindertenhilfe

Ich habe nach dem Studium für die evangelische Landeskirche gearbeitet, habe mich aber gefragt, wo liegen meine Schwerpunkte? Ich hatte auch Lust in den sozialen Bereich zu gehen. Ich bin als Assistent des Vorstandsvorsitzenden eines großen Diakonischen Unternehmens in die Bodensee-Region gewechselt, wo ich acht Jahre in verschiedenen Funktionen gearbeitet habe, zuletzt als Geschäftsführer im Fachbereich Behindertenhilfe. Berufsbegleitend habe ich Management für Non-Profit-Organisationen studiert.

Wie kamen Sie dann zur Fliedner-Stiftung und ins Ruhrgebiet?

Dass das Ruhrgebiet mit dranhängt, ist eine erfreuliche Entwicklung. Ich bin auf die theologische Vorstandsstelle durch die Fliedner-Stiftung angesprochen worden. Ich habe gemerkt, dass der Gedanke in mir etwas zum Klingen bringt. Für mich ist der Wechsel auch eine gute Chance, mit 50 noch einmal etwas anderes zu machen.

Wie kann man diesen Klang beschreiben?

Es ist die Arbeit der Stiftung selber, die auf den Gründer Theodor Fliedner zurückgeht. Es ist auch die Vielfalt der Arbeitsfelder und bundesweiten Standorte. Ich habe mich mit 50 gefragt, wo möchtest du in Zukunft deine Energie hineinstecken? Hier habe ich das Gefühl, dass ich mit dem, was ich kann und wer ich bin, etwas bewegen kann. Ich merke in vielen Momenten, dass mich die Idee der Stiftung nicht los lässt. Es passt einfach.

Für die Gesamtausrichtung federführend

Was macht ein theologischer Vorstand?

Wir sind ein dreiköpfiges Vorstandsteam – das ist eine wertschätzende Führungsstruktur für die gesamte Arbeit der Stiftung. Meine Schwerpunkte im operativen Bereich sind die Eingliederungshilfe, die Arbeit mit Menschen mit körperlichen und seelischen Behinderungen und die Werkstätten. Als theologischer Vorstand bin ich für die Gesamtausrichtung des Unternehmens federführend, die natürlich von der Gemeinschaft des gesamten Vorstands getragen wird. Darunter fallen auch das Leitbild und die Außendarstellung. Das sind Punkte, die ein modernes soziales Unternehmen braucht, um mit seiner Tätigkeit in der Gesellschaft wahrgenommen zu werden.

Wo sehen Sie ihre Handschrift?

Ich bin ja erst seit Januar hier. Für eine eigene Handschrift ist das wohl noch zu früh. Aber ich wünsche mir, mit meiner Arbeit dazu beizutragen, dass die Stiftung wahrgenommen wird als ein Ort, wo die Menschen Hilfe, Perspektiven, Lebensplanung bekommen, um für sich ein gelingendes Leben zu gestalten. Mir ist wichtig, unseren Mitarbeitern zu vermitteln, dass sie in einem Unternehmen arbeiten, das sich an dem Ideal und Auftrag von Theodor Fliedner misst. Auch er ist an Orte gegangen, wo Menschen in Not waren, um Strukturen zu schaffen, die es möglich machen, Lebensperspektiven zu entwickeln. Man kann sagen: Wir wollen die Liebe Gottes in Wort und Tat in die Welt tragen. Das will ich erreichen.

Wertschätzenden Umgang pflegen

Wie verbinden Sie die theologische Ausrichtung mit der Ökonomie?

Die Basis des christlichen Glaubens unterscheidet uns von ,normalen’ Unternehmen. Es geht uns nicht um Gewinnmaximierung. Als Non-Profit-Organisation gehören beide Seiten zusammen: Unsere Aufgabe ist es, Mittel zu erwirtschaften, die wir zur Erfüllung des Stiftungsauftrags brauchen, was das Tagesgeschäft als auch die Zukunft der Stiftung angeht.

Unternehmen erhalten sich häufig über Personalabbau.

Wir sind Dienstleister, unser Auftrag besteht in der unmittelbaren Zuwendung für den Menschen. Es ist für uns erfolgsentscheidend, die Mitarbeiter zu haben, die diese Aufgabe erfüllen können. Wie kommt unsere Arbeit beim Menschen an? Daran wird man uns messen, nicht an der Bilanzanalyse oder an der Verschlankung von Prozessen. Die Effizienz unserer Dienstleistungsstruktur ist für uns wichtig. Es ist unser Tagesgeschäft diese weiterzuentwickeln. Die wertschätzende Grundhaltung, die wir als Dienstleister den Menschen entgegenbringen, wollen wir im Unternehmen pflegen. Dazu gehört, Arbeitsplätze und Rahmenbedingungen zu schaffen, die man zur Ausübung seiner Tätigkeit braucht.

Ein dreiköpfiger Vorstand leitet die Theodor Fliedner Stiftung: Carsten Bräumer,  Claudia Ott, Sabine Halfen (v.l.). Foto
Ein dreiköpfiger Vorstand leitet die Theodor Fliedner Stiftung: Carsten Bräumer, Claudia Ott, Sabine Halfen (v.l.). Foto © Fliedner

Wo liegt die Zukunft der Stiftung?

Es wird immer wieder darum gehen, wie wir unsere Arbeitsfelder verbessern können. Ich sehe derzeit nicht, dass wir aktuelle neue Aufgaben entwickeln müssen. Es ist aber wichtig, wie Theodor Fliedner mit offenen Augen durch die Welt zu gehen und uns dort angesprochen fühlen, wo einem die Not vor die Füße fällt.

In der Vergangenheit gab es Unruhe auf der Führungsebene-Ebene. Gibt es nun mehr Stabilität?

Wir als Vorstandsteam wünschen uns die Stabilität und Organisationssicherheit auf jeden Fall, es ist unser erklärtes Ziel.

>>> STIFTUNG FEIERT NÄCHSTES JAHR 175. BESTEHEN

Bis heute ist die bundesweit agierende Stiftung auf 2200 Mitarbeiter gewachsen.

Unter den Leitbegriffen Normalität, Individualität und Teilhabe betreut sie ältere Menschen sowie Menschen mit Behinderungen an 30 Standorten – einer davon in Mülheim-Selbeck.

Im kommenden Jahr 2019 feiert die Theodor-Fliedner-Stiftung ihr 175-jähriges Bestehen.