Mülheim. . Kämmerer Frank Mendack sieht Auffälligkeiten bei Spesenabrechnungen von Ulrich Scholten. Der OB gibt sich überrascht. Und in der SPD rumort es.

Oberbürgermeister Ulrich Scholten (SPD) steht im Verdacht, städtische Gelder veruntreut zu haben. Die Stadtverwaltung hat laut Kämmerer Frank Mendack die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Märkische Revision in Essen damit beauftragt, den Fall zu untersuchen. Bis am späten Dienstagabend gab es mehrere Krisensitzungen in der Stadt – aber auch Stimmen, die den Angriff auf den Oberbürgermeister, der zurzeit nicht nur krankgeschrieben ist, sondern auch den Tod seiner Ehefrau vor gut vier Wochen zu verarbeiten hat, politisch motiviert sehen.

„Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung der Verfügungsmittel des Oberbürgermeisters können nicht ausgeschlossen werden“, bestätigte Kämmerer Mendack am Dienstagabend Informationen dieser Redaktion. Es soll sich um Abrechnungen für Essen und Getränke handeln, bei denen „ein dienstlicher Kontext“ nach erster Prüfung nicht zu erkennen sei. Mendack sagte auch, dass er wegen dieser „Auffälligkeiten“ schon am Montag Scholten selbst, aber auch den Leiter des Rechnungsprüfungsamtes und die Bezirksregierung informiert habe. Gleichzeitig habe er die Märkische Revision beauftragt, sämtliche Spesenabrechnungen Scholtens aus den Jahren 2016 bis 2018 zu prüfen. Ein Ergebnis soll in vier Wochen vorliegen. Den Auftrag hat neben Mendack auch Sozialdezernent Ulrich Ernst unterschrieben, als Urlaubsvertretung des Kämmerers.

Hinweis kam laut Kämmerer aus der Mitarbeiterschaft

Laut Mendack geht es um die Verwendung von Mitteln, die dem OB jährlich zu dienstlichen Zwecken zur Verfügung stehen, um etwa die Bewirtungskosten von Gesprächspartnern zu übernehmen. 7500 Euro hätten Scholten dafür im Jahr 2017 zur Verfügung gestanden, in diesem Jahr seien es 10 000 Euro. Unbestimmte Teilsummen davon sollen nun überprüft werden.

Hinweise auf vermeintliche „Unregelmäßigkeiten“, so Mendack, seien aus der Mitarbeiterschaft gekommen. Es sei seine Pflicht gewesen, dem nachzugehen. Für eine Bewertung nicht das städtische Rechnungsprüfungsamt einzuschalten, sondern dies externen Prüfern zu überlassen, sei bewusst so entschieden worden. Der Kämmerer verwies auf sein SPD-Parteibuch, es sei ihm darum gegangen, auch nur den Anschein einer Interessenkollision zu vermeiden.

Turbulente Sondersitzung der SPD am Dienstag

Scholten selbst ist derzeit nach einer Operation noch krankgeschrieben, vor vier Wochen verstarb seine Ehefrau. Zuletzt wurde der OB in der Ratssitzung durch Bürgermeisterin Margarete Wietelmann vertreten. Im Gespräch mit der Redaktion zeigte sich Scholten gestern überrascht. Ihm habe bislang niemand etwas dergleichen vorgelegt. Auch dass die Märkische Revision mittlerweile eingeschaltet sei, sei ihm völlig neu. Ulrich Scholten kündigte an, sich rechtlichen Beistand zu suchen.

SPD-Fraktionschef Dieter Spliethoff
SPD-Fraktionschef Dieter Spliethoff © Archiv, Udo Gottschalk

Mendack und seine Dezernenten-Kollegen Dr. Frank Steinfort und Ulrich Ernst waren am späten Nachmittag in den Ratsfraktionen und -gruppen unterwegs, um ihre Sicht auf die Dinge darzulegen. Die SPD-Fraktion hielt im Beisein des Parteivorstands um 17 Uhr eine Sondersitzung ab, auf der es dem Vernehmen nach heiß herging. Bei der SPD gärt es, eine Gruppe um die Fraktionsspitze von Dieter Spliethoff und Claus Schindler steht der Amtsführung von Scholten seit Längerem sehr kritisch gegenüber, laut Informationen dieser Zeitung soll Schindler gestern gegenüber seinen Parteikollegen dargelegt haben, wie häufig man Scholten schon zu einem Rückzug aufgefordert habe.

Parteikollege: Die SPD zerlegt sich selbst

Dass man der Bewegung ausgerechnet jetzt, wo Scholten die Tragödie um seine Frau zu verarbeiten habe, das i-Tüpfelchen aufsetze, bewertet ein Sitzungsteilnehmer als „menschenunwürdig“. Die Verdachtsfälle jetzt aus der Kiste zu ziehen, sei „interessengeleitet“ von der Anti-Scholten-Koalition innerhalb der Fraktion gesteuert worden. „Man hat nur im Blick gehabt: Jetzt machen wir ihn fertig.“ Für die Partei sei das nun „eine Katastrophe. Die SPD zerlegt sich selbst.“

Dazu wollte am Abend Fraktionschef Spliethoff öffentlich nicht Stellung beziehen. Zu den Untreue-Vorwürfen gegenüber Scholten sagte er: „Wir warten die Prüfung ab und werden reagieren, wenn sie auf dem Tisch liegt.“

Politiker anderer Couleur berichteten davon, dass viele regelrecht sprachlos und entsetzt gewesen seien, als sie über den Verdacht informiert worden seien. Offen soll bisher die Frage geblieben sein, ob die Stadt Anzeige erstatten werde.