Mülheim. . Nord-Stream II: 70 000 Betonriesen aus der Europipe-Fabrik sind zwischengelagert – und werden auch von Urlaubern aus Mülheim bestaunt.

Mitten im Urlaub auf Rügen stoßen Leser Ilka und Wolfgang vom Berg auf „alte Bekannte“: Massen gestapelter Rohre aus dem Mülheimer Europipe-Großwerk, bestimmt für die Gaspipeline Nord Stream II.

„So klein ist die Welt“, schreiben die beiden aus dem Urlaub. „Nun sehen wir zum zweiten Mal tausende Rohre aus Mülheim auf dem Fährbahnhofsgelände in Mukran.“ Auch Fotos haben sie mitgebracht.

„Dabei ist die mit den Rohren belegte Fläche so gewaltig, dass sie sich kaum auf den Fotos abbilden lässt. Das macht uns doch ein wenig stolz.“ Was politisch ein heikles Projekt ist, ist für die Mülheimer Industrie in der Tat ein stolzes Projekt: Damit über einen zweiten Strang der umstrittenen Nord-Stream-Pipeline künftig mehr Erdgas von Russland über das Meer nach Deutschland fließen kann, läuft das Werk weiter auf Hochtouren: Rund 150 Rohre verlassen den Standort täglich, nachdem sie im Beschichtungswerk eine Korrosionsbeschichtung und Innenauskleidung erhalten haben.

Damit laufen die Lieferungen laut Europipe ohne Komplikationen. „Wir produzieren laut Lieferplan“, sagte ein Sprecher dieser Redaktion. „Kleine witterungsbedingte Transportunterbrechungen konnten wir ausgleichen.“

Sicher auf dem Meeresgrund

Etwa 70 000 der zwölf Meter langen Rohre sind bereits nach Mukran auf Rügen und Kotka in Finnland geliefert worden. „Dort erhalten die Rohre dann von der Firma Wasco eine Betonummantelung, um einen negativen Antrieb bei der Verlegung im Wasser zu erhalten“, erklärt Europipe. Schließlich muss gewährleistet werden, dass die Gasleitungen auf dem Meeresgrund keinen Schaden nehmen. In der örtlichen Lokalpresse kann man mehr über die Arbeit im Wasco-Werk erfahren: „Nach ihrer Ankunft werden die Rohre kontrolliert und vor der Ummantelung gründlich gereinigt, bevor sie eine Art Stahlkorsett bekommen“, schreibt die Ostsee-Zeitung. „In der Anlage wird Beton mit einer Geschwindigkeit von bis zu 200 Kilometern pro Stunde aufgespritzt. Im Durchschnitt verlassen pro Schicht 100 fertige Rohre das Werk im Mukraner Hafen.“ Von dort werden die Betongiganten, deren Gewicht durch die Ummantelung von 12 auf 24 Tonnen verdoppelt wird, dann per Verlegschiffen auf See gebracht. Die Pipeline-Gesamtlänge von grob 2500 Kilometern wird zu fast der Hälfte von Rohren aus dem Hause Europipe abgedeckt, 11 000 Kilometer Mülheimer Rohre sind es am Ende.

Material für die Strecke ist fast komplett vor Ort

Inzwischen ist das Material für diese Strecke fast komplett vor Ort: Nur noch 20 000 der insgesamt grob 90 000 Rohre fehlen, bis Ende Juli, Anfang August werden noch Güterzüge für Nordstream II fahren. Dann geht es weiter mit dem Material für das Folgeprojekt: die 480 km lange Europäische Gas-Anbindungsleitung, die sogenannte Eugal-Pipeline. Diese soll ab 2020 russisches Erdgas bis zur deutsch-tschechischen Grenze transportieren.

Für die Vorbereitungsphase des Großprojekts wurde jetzt die Halbzeit eingeläutet: Etwa die Hälfte von insgesamt 47 000 Rohren wurde schon produziert. Nach und nach werden sie jetzt auf Liegeflächen zwischen Ostseeküste und dem südlichen Sachsen gelagert – um dort dann sicher auch von dem einen oder anderen Urlauber aus Mülheim entdeckt zu werden.