Mülheim. Ein Kriminalkommissar schildert dem Seniorenbeirat, wie ältere Mitbürger ausgetrickst und um hohe Summen gebracht werden. Mehr Aufklärungsarbeit.

Böse Buben sind nicht leicht zu erkennen, auf seine Menschenkenntnis sollte man sich nicht verlassen: „Betrüger arbeiten mit Charme“, so Kriminalhauptkommissar Ralf Ruttkowski. „Sie sind meist gut gekleidet, haben gute Umgangsformen.“ Der Polizist, der zu Gast war im Seniorenbeirat der Stadt Mülheim, arbeitet im Kommissariat für Prävention und Opferschutz.

Sein Job ist es, vor allem ältere Mitbürger vor zu Tricktätern warnen: vor falschen Polizisten, Wasserwerkern und Telekom-Mitarbeitern, vor falschen Enkeln. Vor allen Menschen, die angeblich Hilfe brauchen: einen Zettel, ein Glas Wasser, eine Wegbeschreibung. „Mehr Misstrauen wäre in der heutigen Zeit besser,“ so Ruttkowski, der aus Erfahrung weiß, dass die Hilfsbereitschaft der älteren Generation oft übel ausgenutzt wird.

Straftaten gegenüber Senioren nehmen zu

Zwar sind die häufigsten Opfer von Kriminalität mit Abstand immer noch junge Männer, sagt Ruttkowski. Er hat dem Seniorenbeirat aber auch Zahlen mitgebracht, die zeigen, dass Straftaten gegenüber Älteren, die sich meist in deren Wohnung abspielen, zunehmen. 137 Fälle (inklusive der Versuche) waren es 2016 in Mülheim, ein Jahr später schon 172 – und das sind nur die Fälle, die der Polizei auch angezeigt wurden. Die erbeuteten Summen liegen zwischen 10 000 und 30 000 Euro. Das lässt ahnen, dass sich die Taten lohnen – auch, wenn Täter mehrmals am Tag abblitzen.

Der falsche Polizist am Telefon, der Opfern suggeriert, sie sollten der „Polizei“ die Wertsachen aushändigen, damit die Einbrecherbande, auf deren Liste sie stehen, nicht drankommt, hat inzwischen traurige Karriere gemacht: Die Fälle haben sich von 2016 auf 2017 verzehnfacht, so Ruttkowski: Von drei auf 30 stiegen die angezeigten Polizistenanrufe in Mülheim im letzten Jahr; in der Nachbarstadt Essen sogar von 31 auf 300 Fälle.

Besonders perfide: Die Angerufenen werden mit großem Druck in Angst und Schrecken versetzt. Beim Enkeltrick, so Ralf Ruttkowski, stieg die Zahl der Fälle in Mülheim von 41 auf 50; beim Wasserwerkertrick von 15 auf 36.

Anrufe oft von ausländischen Callcentern

Die Polizei weiß, wie die falschen Kollegen, die meist in ausländischen Callcentern, häufig in der Türkei sitzen, Opfer finden. „Dreh- und Angelpunkt ist der altmodisch klingende Vorname von Frauen“ so Ruttkowski. „Gestern hießen fast alle Opfer Gisela – es gibt auch Agnes- und Mariannen-Tage.“ Wer nicht im Telefonbuch steht, hat einen Vorteil, allen anderen rät die Polizei: Nicht aufs Gespräch einlassen, auflegen, nicht von eingeblendeten Nummern wie 110 täuschen lassen. Unter dem Notruf ruft keine Polizeibehörde an.

„Ältere freuen sich über jedes Gespräch, werden so schnell Opfer,“ sagte Helmut Storm, Vorsitzender des Seniorenbeirats. „Wir müssen alles versuchen, hier noch mehr Aufklärungsarbeit zu leisten, etwa in Seniorentagesstätten.“ Die Einsamkeit vieler Senioren spielt dem Enkeltrick in die Hände. Auflegen sollte man, wenn das Gespräch anfängt mit: „Rate mal, wer dran ist... ?“ – das ist der klassische Einstieg. Damit wurde ein Senior aus Mülheim – trotz Intervention durch die echte Polizei – finanziell quasi ruiniert. In zweieinhalb Jahren hätten die Tricktäter dem Mann gut eine Million Euro abgeluchst, berichtet Ralf Ruttkowski von einem besonders krassen Fall.

Vorträge für Gruppen ab 20 Personen

Ralf Ruttkowski vom Kriminalkommissariat Kriminalprävention/Opferschutz bietet Infovorträge für Senioren für Gruppen ab etwa 20 Personen an. Kontakt: Tel. 0201 829-5455.

Um Senioren vor Belästigungen in der eigenen Wohnung zu schützen, rät Ruttkowski zum Schrillalarm. Das Gerät aus dem Elektrohandel alarmiert die Nachbarn mit 110 Dezibel.