Holthausen. . Die Holthausenerin wird heute 90 Jahre alt. Ihre Wurzeln liegen in Ostpreußen. Sie engagierte sich für Familien, Frauen, Kirche, Landsmannschaft.

Geschichte ist eins ihrer Steckenpferde: Vielleicht liegt das daran, dass Hildegard Hammer selbst gravierende historische Ereignisse miterlebt hat. Als 16-Jährige floh sie mit ihrer Familie von Ostpreußen nach Deutschland. „Die behütete Jugend war schlagartig vorbei, wir mussten von Null wieder anfangen“, erzählt sie.

Die schlimme Zeit hat sie nie vergessen, sie hat im Rahmen des Mülheimer Zeitzeugenprogramms ihre Erinnerungen auch schon öfter an junge Menschen weitergegeben. Außerdem hielt sie beim Deutschen Evangelischen Frauenbund oder dem Deutschen Frauenring Vorträge über bekannte preußische Politiker oder Dichter.

Ausbildung zur Krankenschwester absolviert

Hildegard Hammer wird am Samstag 90 Jahre alt, und ihre oben beschriebenen Aktivitäten sind nicht die einzigen ehrenamtlichen Tätigkeiten, die sie in ihrem Leben ausgeübt hat. 1945, in Sachsen angekommen, absolvierte das Flüchtlingsmädchen eine Ausbildung zur Krankenschwester bzw. Kinderkrankenschwester. Eigentlich, so berichtet sie, wollte sie Kinderärztin werden, konnte aber damals das Abitur nicht nachmachen und deshalb auch nicht studieren.

„Nach ein paar Jahren sind wir dann raus aus der Zone nach Westberlin, dort habe ich beim Roten Kreuz gearbeitet“, sagt sie. Ihr Mann Hans, den sie im Urlaub kennenlernte, lockte sie 1956 nach Mülheim. Sie bekam einen Sohn, gab ihre Arbeit auf, widmete sich neben der Familie aber mit großem Elan auch anderen Aufgaben.

„Viele kennen mich, weil ich zwölf Jahre lang in der Evangelischen Familienbildungsstätte Kurse für werdende Eltern gegeben habe“, sagt sie. Immer wieder traf und trifft sie in der Stadt Paare, die ihr stolz ihr Baby oder auch ihre bereits herangewachsenen Kinder präsentier(t)en. Außerdem engagierte sich Hildegard Hammer bei der Evangelischen Schwangerschaftskonfliktberatung in Dümpten, sie mischte beim Kinderschutzbund mit und leitete bei der Evangelischen Frauenhilfe in der Gemeinde Holthausen Bastelkreis und Ausflugsfahrten.

Kreisvorsitzende der Landsmannschaft Ostpreußen

Ihr größtes „Hobby“ war aber die langjährige Tätigkeit als Kreisvorsitzende der Landsmannschaft Ostpreußen und beim Bund der Vertriebenen. „Wir haben unser Kulturgut gepflegt, ich habe den Tag der Heimat oder auch viele bunte Abende organisiert“, sagt die zweifache Großmutter, die auch noch eine ostpreußische Tracht besitzt. Vier Mal war sie in den letzten Jahren in Ostpreußen, hat die Orte ihrer Kindheit besucht. „Sich mit den polnischen Menschen sprachlich zu verständigen, war aber etwas schwierig“, berichtet sie. Die Seniorin engagiert sich für die deutsche Minderheit in Polen ebenso wie bei der Flüchtlingshilfe.

Hildegard Hammer freut sich darüber, „wie gut es den Deutschen gelungen ist, die Konflikte mit den Nachbarvölkern durch den Verzicht auf Hass- und Rachegedanken beizulegen und auf Grundlage von Dialog und Begegnungen auf der menschlichen Ebene einen stabilen Frieden zu schaffen.“ Ihn gilt es mit allen Mitteln zu erhalten . . .

<<< ZEITZEUGENPROGRAMM

Die Landsmannschaft Ostpreußen ist der Verband der geflüchteten und vertriebenen Ostpreußen, deren Nachkommen sowie der Spätaussiedler. Sie besteht aus 38 Kreisgemeinschaften, der Kreisverband Mülheim hat sich zwischenzeitlich aufgelöst.

In der Zeitzeugenbörse habensich mehreren Senioren, die Zweiten Weltkrieg und Nachkriegszeit miterlebt haben, zusammengefunden. Sie berichten in Schulen/Bildungseinrichtungen davon. Ähnlich Schlimmes soll sich nie wieder ereignen.