Mülheim. Interview mit Mirjam Schmuck von Kainkollektiv. Neue Koproduktion „Interesting Times“ kommt im Ringlokschuppen am Freitag, 26.1., zur Premiere

Mit weltgreifenden Themen von Sklaverei und Kolonialzeit über die Gegenwart und das polnische Erbe im Ruhrgebiet bis in die Zukunft beschäftigen sich die politischen Arbeiten von Kainkollektiv. Das international arbeitende Künstler-Team mit der Homebase Bochum wurde von Mirjam Schmuck, Fabian Lettow und Alexander Kerlin gegründet. Von Beginn an gibt es eine stetige Zusammenarbeit mit dem Ringlokschuppen. Dort stehen stürmische stehen Zeiten bevor: Die Theaterperformance „Interesting Times“ der „Kains“ hat am Freitag Premiere.


Seit wann arbeiten Sie schon mit dem Ringlokschuppen und wie viele Koproduktionen gab es bisher?

Schmuck: Das erste studentische Projekt der Ruhruni Bochum war 2005. 2007/2008 haben wir unsere erste Inszenierung gemacht. Bislang weit über zehn Produktionen.

Was macht die Zusammenarbeit aus?

Was für Künstler total wichtig ist, ist, dass uns dieser Ort immer mehr Vertrauen entgegengebracht hat. Uns begleitet hat, auch wenn nicht das nächste Stück immer noch eines drauf gesetzt hat. Dass wir verschiedene Formate erproben durften und nicht festgelegt wurden. An anderen Orten entscheidet ein Kurator gerne mal, was gerade gesucht wird. Da wurde uns immer viel Freiraum gelassen.

Wie wichtig ist Freiraum für Kunstschaffende im Spagat zwischen kommerziellen Ansprüchen?

Ich glaube, das ist gerade das, was sich alle Künstler wünschen. Eine Form von Vertrauen. Wenn sich die Arbeit bewährt hat, auf Kontinuität setzt – ein Wort, was sich sonst in der Kulturpolitik nicht so abzeichnet, wenn’s um die Finanzen geht. Und ich glaube auch, dass der Ringlokschuppen und wir in gewisser Weise zusammen gewachsen sind.

Was erwartet uns von dem neuen Stück Interesting Times?

Es diesmal wieder mehr eine ästhetische Recherche, denn als ein Stück. Wir haben viel Wert darauf gelegt, eine Methode zu entwickeln, wie diese Gruppe auf der Bühne Geschichten empathisch erzählen kann. Das große Thema ist Unruhe. Es hat etwas mit Zukunft zu tun, dass wir gucken, wie persönliche Geschichten und die politische Gemengelage nicht mehr zu unterscheiden sind. Wo setzt die Unruhe ein, wo setzt die Depression ein? Warum sind wir diese Generation der Ruhelosen?

Es wird eine Performance mit viel Tanz und Bewegung?

Ja, und mit viel Musik. Es sind wieder Kollegen aus Kamerun dabei, ein Tänzer, der sein eigenes Festival in Kamerun für zeitgenössischen Tanz hat. Wir haben auch den Schlagzeuger von der Produktion „Fin de Machine“ dabei, der in Paris wohnt. Es wieder ein schön gemischtes Ensemble entstanden. Wir haben dieses Mal eine Band gegründet, elektronische Musik, Posaune und Schlagzeug. Man kann schon sagen, dass die Musik experimentell ist, das Ganze geht aber in die Groove-Richtung.

Am 30. Januar übernimmt Kainkollektiv mit anderen Gruppen die Leitung vom Theater Aufbau Kreuzberg (tak) in Berlin. Es gibt eine weitere Verbindung zu Mülheim: Den Verlag und das Aufbau-Haus hat das Mülheimer Ehepaar Koch, Schwiegereltern von Moritz Pankok (Großneffe von Otto Pankok) vor Jahren übernommen.

Ja. Das Theater wagt ein Experiment, was eine kollektiv kollegiale Leitung kann. Wir entwickeln zusammen mit verschiedenen Experten ein neues Leitungsmodell, wo es darum geht, Entscheidungskompetenzen zu schaffen, die auf Personen verteilt sind. Ich glaube, das ist gerade sehr interessant für die Kulturszene, was da passiert.

Haben Sie dann überhaupt noch genügend Zeit für die Projekte im Ruhrgebiet?

Ja, wir bleiben hier, denn das ist unsere Basis. Es ist genau das Gegenteil. Wir werden nie nach Berlin gehen. Unser Ziel ist ein anderes: Wir wollen in Berlin ein Schaufenster nach NRW schaffen und diese Achse größer machen. Wir wollen sagen: Das, was in Nordrhein-Westfalen passiert, ist auch relevant für Berlin. Und nicht immer umgekehrt. Uns geht es darum, NRW stärker zu machen.

Premiere „Interesting Times“

Die Performance „Interesting Times“ hat am Freitag und Samstag, 26. und 27. Januar, jeweils 20 Uhr, Premiere im Ringlokschuppen. Eintritt: Vvk 12 Euro/ erm. 6 Euro, Ak 15 Euro/erm. 8 Euro, 99 31 60, www.ringlokschuppen.ruhr

Die musikalische Theaterperformance beschäftigt sich mit dem Thema Unruhe, die der Menschheit bevorsteht. Dabei schlägt Kainkollektiv mit der Inszenierung vor, sich auf den Kampf in und gegen die interessanten Zeiten vorzubereiten.