Mülheim. . 2013 erstellte die Stadt ein Konzept zur Integration. Im Februar soll es fortgeschrieben werden. Kritiker sehen etliche Aufgaben unerledigt.

Unumstritten war das Integrationskonzept der Stadt von Beginn an nicht. Manch ein Stadtverordneter warnte davor, nur geduldiges Papier oder gar einen „Rohrkrepierer“ zu produzieren, als es im Dezember 2013 vom Rat mit drei Enthaltungen beschlossen wurde. Am 22. Februar soll der Rat das Konzept für weitere zwei Jahre fortschreiben – jedoch belastet insbesondere die stadtgesellschaftliche Spaltung zwischen armen und reichen Stadtteilen weiter die Aufgabe der Integration.

Sag’ mir, wo du wohnst, und ich sage dir, wer du bist – das gilt immer noch in Mülheim. Wohnort, finanzieller Status, Bildungschancen und Gesundheit sind in der Ruhrstadt in prekärer Weise miteinander verbunden. Die hohe Zahl der Geflüchteten 2015 und 2016 hat die Latte der Herausforderungen noch einmal höher gelegt.

Die weitreichenden Verflechtungen zeigt das Integrationskonzept auf und nimmt acht Handlungsfelder in den Blick: Arbeit, Bildung, Stadtentwicklung Wohnen, Gesundheit, Interkulturelle Öffnung, Zivilcourage, politische Partizipation und die „Herausforderung Neuzuwanderung“.

Arbeit und Wohnen

In Eppinghofen und Styrum ist der Anteil der Menschen, die Hartz IV beziehen, mit 32 beziehungsweise 29 Prozent doppelt so hoch wie im stadtweiten Durchschnitt. Hinzu kommt eine Kinderarmut von bis zu 50 Prozent. Die Mieten hier liegen in der Regel unter dem Spiegel anderer Stadtteile, denn die Bestandswohnnungen entsprechen häufig nicht den modernen Standards und liegen in einem besonders verkehrsbelasteten Quartier.

Gerade in diesen Stadtteilen sowie in Stadtmitte aber konzentrieren sich etwa 60 Prozent aller Migranten. Sie sind häufiger als der Durchschnitt der Bevölkerung von Armut betroffen. 43 Prozent aller Migrantenfamilien leben an der Armutsgrenze. Unter ihnen ist auch Kinderarmut stark vertreten.

Geradezu zementiert erscheint ihr Bevölkerungsanteil in den Vierteln: Etwa 58 Prozent der Bewohner in Stadtmitte, 55 Prozent in Eppinghofen und 44 Prozent in Styrum sind sogenannte Migrationsbewohner, teils in dritter und vierter Generation. In Saarn, Holthausen und im Heißener Norden hingegen sind es gerade einmal 14,5 bis 18 Prozent.

„Die meisten Ausländer leben dort, wo zugleich die meisten armen Inländer wohnen“, heißt es im Integrationskonzept der Stadt. Allerdings seien die Stadtteile im Inneren gespalten, neben sozial hoch belasteten Straßenzügen gebe es ausgesprochen bürgerliche Viertel.

Bildung

Wer arm ist, hat auch in Mülheim schlechtere Bildungschancen. Besonders Migrantenkinder, die in solchen Vierteln mit vergleichsweise wenig Bildungsmöglichkeiten leben, gehören zu den Benachteiligten.

Das Integrationskonzept mahnt an, dass weiterhin viele Kinder bei der Einschulung nur eine geringe Sprachkompetenz aufweisen. Die Stadt wirkt hier etwa mit einer „Bildungskette“ von der Familienhebamme über Frühforderzentrum und Early-Excellence-Projekten sowie U25-Haus entgegen.

Gesundheit

Wer arm ist, lebt ungesund. Stadtteile mit hohem Migrantenanteil wie Eppinghofen und Styrum sind durch eine starke Verkehrs- und Emissionsbelastung geprägt. Auch fehlt aufgrund des Verkehrs der Platz für genügend Aufenthaltsräume für Kinder und Jugendliche. In Styrum stehen zudem zu wenig Hausärzte zur Verfügung. Weil die bestehenden Angebote für Migranten oft nicht bekannt sind, will die Stadt mit mehr Info und interkulturellen Schulungen gegensteuern.

2013 zählte der Stadtverordnete Cevat Bicici (WIR) zu den wenigen Kritikern des Konzepts. Vier Jahre später sieht er nur wenig Besserung: „Wir haben versäumt, eine soziale Durchmischung herzustellen. Der soziale Wohnungsbau wurde weiter abgetragen, Wohnflächen privatisiert, in Styrum herrscht noch immer Ärztemangel. Das Integrationskonzept ist nur so gut, wie es finanziell unterfüttert ist“, sieht Bicici Land und Bund in der Pflicht, Kommunen zu helfen.