Mülheim.. Gaststätte „Zum luftigen Schneider“ gehörte einst zu den größten. Viele Familien und Vereine trafen sich dort, wie sich unsere Leser erinnern.
Wir kommen in unserer Serie noch einmal zurück auf die Gaststätte „Zum luftigen Schneider“. Sie gehörte zu den großen in Mülheim. Auf den Broicher Ruhrhöhen erbaut, hatten die Gäste von dort einen herrlichen Ausblick auf das Ruhrtal und die Stadtmitte. Mit zahlreichen Erweiterungen bot das Lokal offensichtlich für alle Generationen Aufenthalts- und Bewirtungsmöglichkeiten. Mehrere Leserinnen und Leser schickten Aufzeichnungen und alte Ansichten.
Eltern sprachen öfter von der Gaststätte
„Ich kann mich noch daran erinnern, dass meine Eltern öfter mal vom luftigen Schneider sprachen“, schreibt Heidi Emig. „Mein Vater machte auch immer Scherze, wenn es an der Tür klopfte: Herein, wenn es kein Schneider ist! Ich hatte als Kind stets Angst, dass mal der Schneider kommt und mir den Daumen abschneidet“, schildert Emig ihre Kindheitserinnerungen aus dem Struwwelpeterbuch des Frankfurter Arztes und Psychiaters Heinrich Hoffmann.
Auch ein Treffpunkt der Nazis
Der pädagogische Ansatz mit sehr drastischen Maßnahmen aus 1844 zieht schon lange nicht mehr. Die Gaststätte gehörte für Broicher zum festen Ausflugsprogramm. Dazu war sie Treffpunkt vieler Gesellschaften, Vereine und Kreise. Ab Mitte der 1930er Jahre war das Lokal auch Treffpunkt der Nazis. „Trafen sich die SA-Leute dort, sind auf der Terrasse schlimme Dinge passiert“, rief Ilse Lockstädt die Redaktion an. „Das haben viele Broicher gewusst.“
Auch Klaus Hoffmann hat die Ausflugsgaststätte „Zum luftigen Schneider“ in Broich sofort erkannt. „Sie stand dort, wo heute das Ende der Graf-Wirich-Straße ist. An der Ecke Ruhrblick steht dort ein Wohnhaus.“ Er hat dazu zwei alte Ansichtskarten herausgesucht. Sie zeigen das Lokal und die Umgebung um 1897 und 1899.
Werbung aus dem 19. Jahrhundert
Auch Werbung wurde damals schon gemacht. In der Mülheimer Zeitung lobte der Wirt Heinrich Mückshoff seinen luftigen Schneider als „schönstes Vergnügungslokal in Broich bei Mülheim an der Ruhr“. Das war zu dieser Zeit sicher nicht übertrieben. Die Größe des Betriebes war beachtlich. Die Bürgermeisterei Broich war damals noch eigenständig. Erst 1904 kam die Landgemeinde mit Saarn und Speldorf zur Stadt Mülheim.
Bauernstuten, reine Weine und vorzüglicher Kaffee
Wann das Gasthaus „Zum luftigen Schneider“ entstand, ist bisher nicht bekannt. Aber es gab an den Tischen bereits vor 120 Jahren einen „vorzüglichen Kaffee mit Bauernstuten“ sowie „reine Weine und feinste, frische Biere“, wie die Werbung sagt. Und alles mit „prompter Bedienung zu zivilen Preisen“. Ob dort heimische Biere oder Importe aus der Nachbarschaft aus dem Zapfhahn schäumten, ist nicht überliefert. Die Großgaststätte hatte am nahen Broicher Bahnhof Eisenbahnschluss nach Kettwig, Saarn sowie Styrum. Die Züge fuhren seit 1876 auf dieser Strecke parallel zur Ruhr
Die Ansichtskarten von Klaus Hoffmann zeigen auch: Zahlreiche Handwerks- und Industriebetriebe säumten die Ruhr und nutzten das Wasser für ihre Produktionen.
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