In Mülheim war im vergangenen Jahr jede vierte Bestattung eine anonyme. Da sucht die Trauer nach Orten.

Sterben zu müssen, das ist für jeden Menschen Gewissheit. Doch was nach dem Tod geschieht, ist ungewiss. Zumindest das Meiste. Sicher scheint: Es wird Menschen geben, die um einen trauern und mir einen würdigen Abschied bereiten werden. Eine Sicherheit, die nicht alle Menschen haben.

Durchschnittlich etwa 60 Mülheimer sterben jedes Jahr, ohne das es jemanden gibt, der sich um diesen würdigen Abschied kümmert. In diesen Fällen wird die Bestattung durch das Ordnungsamt durchgeführt. „Die Kosten übernimmt dann die Stadt”, erklärt Stadtsprecher Volker Wiebels. 2100 Euro koste die Kommune jede solche Beisetzung. Beerdigt werden diese Bürger auf dem Altstadtfriedhof, ohne Name, ohne Stein und in der Vergangenheit auch ohne Gedenkfeier. Ein Zustand, den sowohl Kirchen als auch die Stadt nicht länger hinnehmen wollten. Schließlich seien ja auch diese Menschen ein Teil unserer Stadt gewesen.

Um diesen Menschen zu gedenken, sollte daher ein ökumenischer Gottesdienst abgehalten werden. Am 9. September fand zum ersten Mal ein solcher statt. Die Hoffnung, der Gottesdienst würde Nachbarn oder ehemalige Arbeitskollegen erreichen, habe sich durchaus als berechtigt erwiesen, erzählt Anika Lante vom Evangelischen Kirchenkreis. „Es waren definitiv auch Gesichter in der Kirche, die dort sonst nicht zu sehen sind.” Auch die Stadt sei glücklich, dieses Projekt in die Tat umgesetzt zu haben, erklärt Stadtsprecher Volker Wiebels. Die Stadt sei dementsprechend auch zukünftig an der Fortführung dieser Gedenkfeiern interessiert. Stattfinden sollen die Gottesdienste alle vier Monate, jeweils abwechselnd in der Petrikirche und in St. Mariä Geburt auf dem Kirchenhügel.

Aber nicht nur Bürger ohne Angehörige oder Freunde werden ohne Name beigesetzt. Oft fällt die Entscheidung für eine anonyme Bestattung schon vor dem Tod. 315 anonym Bestattete hat es letztes Jahr in Mülheim gegeben. Das sind nahezu 20 % aller Beisetzungen.

Doch für viele Angehörige werde die fehlende Grabstelle mit der Zeit zum Problem, erklärt Wolfgang Rosenberger, Gärtnermeister und Teamleiter beim Amt für Grünflächenmanagement und Friedhofswesen. „Wenn jemand zu mir kommt, um über eine anonyme Bestattung zu reden, frage ich zunächst, ob er diesen Wunsch mit den engsten Angehörigen besprochen hat.” Man müsse bedenken, dass eine solche Entscheidung häufig unumkehrbar sei und für manche Angehörige eine langfristige Belastung darstelle.

Grundsätzlich käme eine nachträgliche Umbettung nur im Fall einer Urnenbestattung in Frage, sagt Brunhilde Stiefken, Leiterin des Bereichs Friedhofswesen in der Stadtverwaltung. „Dass einige Menschen Probleme mit den anonymen Grabflächen haben, sieht man schon an den vielen Gestecken, die dort liegen, aber eigentlich nichts zu suchen haben.”