Mülheim. . Vor der Einrichtung von Friedhöfen wurden die Verstorbenen nahe der Kirchen beigesetzt. Auf dem Kirchenhügel bestatteten beide Konfessionen.

  • Heute sind viele einstige Gräber aufgelassen, die Flächen werden nicht mehr benötigt
  • Um den Besitz eines Grabes gab es zu Beginn der Friedhofskultur in Mülheim oft Streitigkeiten
  • Der Friedhof an der Dimbeck wurde wegen des Bevölkerungszuwachses im Zuge der Industrialisierung bald zu klein

Wenn wir heute Mülheimer Friedhöfe besuchen, finden wir immer mehr Grasflächen. Die einstigen Gräber sind aufgelassen, die Flächen werden nicht mehr benötigt oder in Urnenfelder umgewandelt.

Die Verbrennung des Verstorbenen, die Beisetzung in einer Urne war im Altertum üblich und in vielen Kulturen gebräuchlich. Verschiedene Formen der Urnenbeisetzung sind auch für Mülheim überliefert. Frühe Urnengräber fanden sich an der Holzstraße, der Hauskampstraße und auch am Flughafen-Areal.

Verstorbene durften nicht mehr verbrannt werden

Mit der Übernahme des Christentums änderte sich dies. Unter Karl dem Großen war es unter Androhung der Todesstrafe verboten, die Toten zu verbrennen. In Anlehnung an den christlichen Glauben der körperlichen Wiederauferstehung wurde per Gesetz die Bestattung in geweihter Erde verordnet.

Die Grabstätten lagen unmittelbar an Kirchen, man sprach daher von „Kirchhöfen“. Diese waren für die normale Bevölkerung gedacht, während Adelige und Kirchenleute in Klöstern, Schlössern, Kirchen beigesetzt wurden.

Seit wann es auf Mülheimer Gebiet einen ersten Kirchhof gab, wissen wir nicht. Historiker gehen davon aus, dass auf dem Kirchenhügel seit über 1000 Jahren eine Kirche stand, in deren Nachbarschaft Tote beider Konfessionen beigesetzt wurden. Auf alten Karten kann man diesen Friedhof an der Kirche erahnen.

Tote beider Konfessionen auf dem Kirchenhügel

Aus heutiger Sicht erscheint es fast unmöglich, dass auf diesem Fleckchen alle Verstorbenen beigesetzt wurden. Man muss aber berücksichtigen, dass in Mülheim nur wenige Menschen lebten. Selbst um 1800 lebten auf dem Gebiet der Unterherrschaft Broich – noch mit Alstaden, Haarzopf, Unter-Styrum und Unter-Dümpten – rund 5000 Einwohner. Verstorbene wurden auch übereinander beigesetzt. Um den Besitz eines solchen Grabes gab es oft Streitigkeiten, wie man den Protokollen der Reformierten Gemeinde aus jener Zeit entnehmen kann.

Der Altstadtfriedhof mit seinen schönen, alten Grabmalen steht heute unter Denkmalschutz.
Der Altstadtfriedhof mit seinen schönen, alten Grabmalen steht heute unter Denkmalschutz. © Tanja Pickartz

Ein weiterer Friedhof entstand 1675 an der Delle. Der Broicher Graf Wilhelm Wirich, lutherischen Glaubens, stiftete 1672 ein Grundstück zum Bau einer lutherischen Kirche, zu der ein Gräberfeld gehörte. Die Begräbnisstelle hat vermutlich bis 1879 bestanden, denn in diesem Jahr wurde die alte Kirche abgerissen, um der Paulikirche Platz zu machen. Ein dritter Kirchhof auf dem Gebiet der Unterherrschaft Broich kam 1751 in Saarn dazu. 1685 hatten dort die Evangelischen eine Kapelle durchgesetzt, in der aber nur „Leichenpredigten“, also eine Trauerfeier, gehalten werden durften. Das war auch sinnvoll: Bei Hochwasser oder Eisgang konnte die Trauergemeinde die Fähre oder die Furt an der Ruhr nicht benutzen.

Für die Saarner gab es den Kirchhof am Kloster

Das war für die katholischen Einwohner Saarns kein Problem. Dort bestand schon seit dem 13. Jahrhundert ein Kirchhof am Kloster der Zisterzienserinnen, das um 1214 gegründet wurde. Dort weihte der Kölner Erzbischof Engelbert zwischen 1216 und 1221 einen Kirchhof. Er wurde bis 1852 genutzt. Danach wurde der Friedhof an der Landsberger Straße letzte Ruhestätte der Katholiken Saarns.

Wurden die Mülheimer Verstorbenen katholischen Glaubens – durch evangelische Geistliche! – auf den beiden Kirchhöfen der reformierten und lutherischen Gemeinde beigesetzt, änderte sich das 1785 mit der ersten Marienkirche auf dem Kirchenhügel. Ab 1786 konnten Katholiken ihre Toten auf einem eigenen Kirchhof beerdigen.

Begräbnisplätze für die jüdische Bevölkerung

Alle Kirchhöfe standen unter Verwaltung der jeweiligen Kirchengemeinde. Verstorbene der jüdischen Gemeinschaft durften aber nicht auf den Kirchhöfen beigesetzt werden, sondern wurden auf Orte „vor die Stadt“ verwiesen. Wo genau ein erster „Judenfriedhof“ in Mülheim angelegt wurde, ist nicht genau überliefert.

Eine Quelle berichtet von einem Friedhof in der Nähe der Wetzmühle in Holthausen. Aus anderen Berichten wissen wir, dass „die jüdische Bevölkerung einen Begräbnisplatz von 15 Ruten auf einem Gelände des Sommerhofes“ (nahe des Dickswalls) hatte.

Der noch heute bestehende Jüdische Friedhof an der Gracht wurde um 1730 eröffnet und seither mehrfach erweitert.

Friedhöfe kamen an den Stadtrand

Als der Kath. Friedhof eingeweiht wurde, gab’s bereits Überlegungen, Begräbnisstätten aus den eng bebauten Zentrumslagen heraus und vor die Stadt zu verlegen. 1782 hatte die bergische Regierung in Düsseldorf eine Anregung gegeben, in Mülheim reagierte man nicht. Erst in napoleonischer Zeit bewegte sich etwas: Nach Änderungsversuchen 1806 und 1808 verfügte Kaiser Napoleon 1809 die Schließung der Kirchhöfe. Auch diese Anweisung fiel den Verantwortlichen in der seit 1808 bestehenden Munizipalität Mülheim schwer.

Für den Bau der 1971 an der Delle abgerissenen Paulikirche (hier bei einem Hochwasser im Jahr 1934) musste ursprünglich eine Grabstätte weichen.
Für den Bau der 1971 an der Delle abgerissenen Paulikirche (hier bei einem Hochwasser im Jahr 1934) musste ursprünglich eine Grabstätte weichen. © Stadtarchiv

Erst am 12. November 1812 wurden die beiden konfessionellen Kirchhöfe auf dem Kirchenhügel geschlossen und der kommunale Friedhof an der Dimbeck, der heute unter Denkmalschutz stehende Altstadtfriedhof, unter Beteiligung der Munizipalität, des Kirchenvorstandes und der Gemeinden durch die drei reformierten Pfarrer und den lutherischen Prediger eingeweiht. Ein Vertreter der Katholiken fehlte.

Ein Ev. Friedhof an der Kahlenbergstraße 1835 geweiht

In Saarn wurde der reformierten Gemeinde ein Stück der aufgelösten Abtei als Friedhof zugewiesen, einige Male genutzt, vergessen – aber weiter am Kirchhof beigesetzt. Erst 1835 wurde ein Ev. Friedhof an der Kahlenbergstraße geweiht, der durch die Zunahme der Bevölkerung nötig wurde. Dieser wurde 1904 durch den noch heute bestehenden Aubergfriedhof ersetzt.

Der Aubergfriedhof heute aus der Vogelperspektive.
Der Aubergfriedhof heute aus der Vogelperspektive. © Hans Blossey

Die Friedhöfe kamen – mit Ausnahme von Saarn – in die Verwaltung der Gemeinde. Die offizielle Bezeichnung lautete nun „Friedhof“. Der neue Friedhof an der Dimbeck war schon bald zu klein. Der Bevölkerungszuwachs im Zuge der Industrialisierung erforderte Ausweitungen. Die erste erfolgte 1835, eine weitere 1865. Ein Jahr später wurde ein Leichenhaus errichtet. Die Friedhöfe Altstadt und Saarn wurden weiter genutzt, als das Gebiet der Stadt 1846 in einen Kern der Altstadt und in Landbürgermeistereien aufgeteilt wurde.

Kommunale Friedhöfe in den Außenbezirken

Noch über 30 Jahre nutzten Bewohner der beiden neuen Gemeinden Friedhof wie auch Rathaus gemeinsam. Erst die Aufteilung der Landbürgermeisterei in drei selbstständige Bürgermeistereien im April 1878 führte zur Einrichtung kommunaler Friedhöfe in Außenbezirken, wie wir sie heute kennen.

<<< AUCH MINTARD HATTE EINEN KIRCHHOF

1975 kam Mintard zu Mülheim. Auch wenn historische Daten zum Kirchbau in Zweifel gezogen werden, ein alter Kirchhof war dort. Hier soll’s seit Mitte des 9. Jahrhunderts eine Kirche mit Begräbnisstätte gegeben haben. Zur dortigen Pfarre zählten Bewohner aus Breitscheid, Laupendahl und bis 1927 Selbeck. Dieser Kirchhof hatte bis etwa 1790 Bestand.

Autor dieses Artikels ist Hans-Dieter Strunck (79), Mitglied im Mülheimer Geschichtsverein. Er nennt als Quellen unter anderem: Fritz Krieger: 100 Jahre Friedhöfe in den Mülheimer Vororten; Hans Weber: Bestattungsstätten Mülheim in Geschichte und Gegenwart.