Mülheim. . Mit der Schließung rechnet der Kämmerer für den Fall einer Sanierung. Politik muss das entscheiden. Bürgerinitiative demonstriert vor Ratssaal.
- Rund 70, 80 Bürger demonstrierten am Mittwoch vor der Ratssitzung für die Wiedereröffnung der VHS
- Der Stadtrat hat eine fast zweistündige, lebhafte Debatte zur Zukunft der VHS in der Müga erlebt
- Baudezernent schließt die Möglichkeit einer sofortigen Wiedereröffnung aus
Erst standen sie mit ihren Plakaten auf dem Rathausmarkt, dann postierten sie sich vor dem Ratssaal im Rathaus: Rund 70, 80 Bürgerinnen und Bürger demonstrierten am Mittwochnachmittag vor der Ratssitzung für die Wiedereröffnung der Volkshochschule, die Mitte September aufgrund von Brandschutzmängeln vom einen auf den anderen Tag geschlossen worden war.
Eine „Sanierung bei laufendem Betrieb“ forderte die Bürgerinitiative „Erhalt unserer VHS in der Müga“ auf den Plakaten, sowie „Sanieren statt spekulieren“. VHS stand auf einem anderen Plakat für „verzögert, hingehalten, sabotiert“ – „Wo bleibt der Dialog mit dem Bürger?“ fragte ein weiteres. Von der Politik allein gelassen fühlen sie sich, vor allem von den großen Fraktionen im Rat. „Wir wollen reinen Wein eingeschenkt bekommen“, sagte einer. Klar ist: Die VHS können sie sich nur am alten Standort vorstellen. „Es geht doch um die Frage: Wie viel ist uns das Gebäude wert?“, sagt Erich Bocklenberg, nicht nur Mitglied der Bürgerinitiative, sondern ehemals leitender Denkmalschützer der Stadt. „Wir sehen den Willen nicht, hier etwas zu erhalten.“
Es fehle nicht nur am Geld, sondern auch am politischen Willen; der Wert der VHS werde unterschätzt, vor allem in der Bedeutung für viele Bürger. Defekte Toiletten, ein geschlossener zweiter Eingang – für viele schon vor der kompletten Schließung im September ein Zeichen für die schleichende Verwahrlosung. Die Demonstranten skandieren ihre Forderungen in lauten Sprechchören, während die Ratsmitglieder und die Dezernenten allmählich zur Sitzung eintreffen.
Einige Demonstranten haben sich Karten besorgt, um die Sitzung verfolgen zu können. Vor Beginn der Sitzung gestattet der Oberbürgermeister auch jenen ohne Karte, die Zuschauerempore aufzusuchen und öffnet die doppelflügelige Tür persönlich, damit auch jene ohne Sitzplatz der Ratssitzung vom Flur aus folgen können. Der Tageordnungspunkt mit dem Antrag der MBI, der die sofortige VHS-Öffnung und die Sanierung bei laufendem Betrieb fordert, wird vorgezogen.
Zweistündige, lebhafte Debatte zur Zukunft der VHS
Der Stadtrat hat am Mittwoch eine fast zweistündige, lebhafte Debatte zur Zukunft der VHS in der Müga erlebt. Dabei sind die Fronten verhärtet: Stadtverwaltung und politische Mehrheit wollen erst gutachterlich gesicherte Zahlen zu Sanierungskosten und möglichen Alternativen vorliegen haben, um die Standortfrage zu entscheiden. Bürgerinitiative, MBI und die kleinen Ratsgruppen kritisieren das Hinhalten und fordern ein schnelles Bekenntnis zum Müga-Standort.
Auslöser der Debatte waren die MBI, die die Forderung der Bürgerinitiative nach einer sofortigen Wiederinbetriebnahme des Gebäudes und eine Fortsetzung der Sanierungsarbeiten in den Rat eingebracht hatten. Baudezernent Peter Vermeulen brachte den Standpunkt der Bauaufsicht auf den Punkt: „Die Möglichkeit einer sofortigen Wiedereröffnung ist ausgeschlossen.“ Man könne nicht im laufenden Betrieb sanieren, weil dabei gebundene Schadstoffe freigesetzt würden. Es sei auch nicht mit einer Brandwache getan. Die Feuerwehr habe angesichts des festgestellten „Pfusches am Bau“ klargemacht, dass dafür keine Verantwortung zu übernehmen sei. Zu unsicher sei, wie schnell und wo überall sich in einem Brandfall der Rauch ausbreite.
In seltener Einigkeit wiesen Daniel Mühlenfeld (SPD) und Jochen Hartmann (BAMH) darauf hin, dass sie als Ratspolitiker im Zweifel rechtlich Verantwortung trügen, käme es zur Tragödie. „Nach der Ermittlungskommission Loveparade möchte ich keine Ermittlungskommission VHS“, so Hartmann.
Brandschutzmängel schon 2012 festgestellt
Gleichwohl übte er wie die MBI oder der Ratsherr Cevat Bicici Kritik daran, dass die Brandschutzmängel schon 2012 gutachterlich festgestellt worden sind. Der Verwaltung wurde der Vorwurf gemacht, nicht schon früher gehandelt zu haben, im Haushalt zur Verfügung stehende Millionen über Jahre nicht eingesetzt zu haben.
Und wieder erntete die Verwaltung Kritik für ihre Informationspolitik. Denn Kämmerer Frank Mendack verkündete erstmals, dass das VHS-Gebäude wohl mindestens fünf Jahre geschlossen bleibe. So lange werde es dauern, bis ein Sanierungskonzept erarbeitet, politisch beschlossen, europaweit ausgeschrieben und umgesetzt sei.
Dabei will Mendack der Politik im November eine Entscheidung abverlangen, ob auch alternative Standorte gutachterlich geprüft werden sollen. Lothar Reinhard (MBI) befürchtet, dass die VHS „halbtot“ und wegen ausbleibender Anmeldungen „auf Minimaß geschrumpft“ sein wird, bis ein erstes Gutachten vorliegt. Bildungsdezernent Ulrich Ernst konnte derweil zumindest berichten, dass es mittlerweile gelungen sei, 176 Kurse räumlich zu versorgen. „Wir kommen da ganz gut voran“, sagte er auch angesichts der Tatsache, dass bei den benannten 500 VHS-Kursen auch viele Einzelveranstaltungen gelistet seien. Es könne aber doch sein, dass einige Kurse vor Silvester nicht mehr aufgenommen werden könnten.
VHS inhaltlich nicht infrage gestellt
Alle Fraktionen und Gruppen betonten, dass die VHS inhaltlich überhaupt nicht infrage gestellt werde. Die MBI ernteten erneut Kritik von mehreren Fraktionen, die darauf hinwiesen, dass die Bürgerinitiativen ihre Forderungen folgerichtig mit entsprechenden Etat-Anträgen hinterlegen müssten, um sich nicht den Vorwurf des Populismus oder gar der „Aufwiegelung von Bürgern“ (Hermann Stollen, Grüne) gefallen lassen zu müssen. Bildungsdezernent Ernst dazu: „Man muss auch sagen, was man nicht will, wenn man die VHS-Sanierung will. Man kann nicht so tun, als wenn wir Geld drucken könnten.“