Mülheim. . Wegen hoher Stickstoffdioxid-Werte schließt Stadt Mülheim Tempo-Limit mit 30 km/h nicht aus. Bewohner und Gewerbetreibende beklagen auch Lärm.

  • Es gibt Überlegungen, die Hauptverkehrsader von der Innenstadt bis zur A40 zu entschleunigen
  • Anwohner und Ladeninhaber sehen die Einführung von Tempo 30 mit gemischten Gefühlen
  • Auch die Auto-Industrie wird in der Pflicht gesehen

Herrscht in naher Zukunft Tempo 30 auf der Aktienstraße? Überlegungen seitens der Stadtverwaltung, die Hauptverkehrsader von der Innenstadt bis zur A40 zu entschleunigen, gibt es bereits. Denn auf der Aktienstraße belasten Lärm, Feinstaub und Stickstoffoxide die Anwohner seit Jahrzehnten – trotz Fahrverbot für Lkw über 2,8 Tonnen. Der aktuelle „Diesel-Gate“ hat just diese Idee zusätzlich befeuert.

Seit 2011 ist NO2 im leichten Sinkflug

Derzeit liegen hier die besonders Asthmatiker und Pflanzen belastenden Stickstoffdioxide (NO2) mit 45 Mikrogramm pro Kubikmeter im Jahresmittel nur leicht über dem Grenzwert von 40 Mikrogramm. Seit 2011 ist NO2 im leichten Sinkflug. Das allerdings liegt unter anderem am Inversionswetter in den vergangenen Jahren, wie Michael Stallmann vom Umweltamt erläutert: „Es sorgt dafür, dass Schadstoffe schnell abtransportiert werden.“ Ändert sich die Wetterlage, könne das Stickstoffdioxid auf 50 Mikrogramm und mehr steigen.

Handlungsbedarf kann also schnell entstehen, nicht ohne Grund zählt Mülheim neben Düsseldorf, Essen und Oberhausen zu den 28 Luftqualitätsgebieten in Deutschland, in denen laut EU-Kommission anhaltend gegen NO2-Grenzwerte verstoßen wird.

25 000 Diesel-Pkw sind in Mülheim unterwegs

Hinzu kommt die Diesel-Problematik: Rund 25 000 Diesel-Pkw sind in Mülheim laut Kraftfahrt-Bundesamt unterwegs, rund 15 000 davon entsprechen der umstrittenen Norm Euro 5 und 6. Punktuelle Fahrverbote für Diesel könnten daher als Sofortmaßnahme sinnvoll sein, ein Tempolimit für die Aktienstraße böte aber mehrere Vorteile, meinen Experten: weniger Verkehrslärm und weniger Feinstaub sowie gerade weniger Stickstoffdioxide. Denn diese treten verstärkt bei hoher Beschleunigung aus. Ob aber die Maßnahme zur Umsetzung kommt, hängt zuvorderst an der Bezirksregierung Düsseldorf und der Politik. Doch dort, wie es aus informierten Quellen heißt, konzentriere man sich auf höher belastete Städte wie Düsseldorf und Essen, wo wegen Überschreitungen Klage droht. In der Politik gilt ein Tempolimit als „unpopulär“, nicht nur vor Bundestagswahlen.

Auch Anwohner und Ladeninhaber entlang der Aktienstraße sehen die Einführung von Tempo 30 mit gemischten Gefühlen.

Ein Tempolimit packt das Abgasproblem am falschen Ende an,
Ein Tempolimit packt das Abgasproblem am falschen Ende an, © Kerstin Bögeholz

„Ich glaube, ein Tempolimit packt das Abgasproblem am falschen Ende an, beim Otto-Normalverbraucher. Ich sehe vielmehr die Auto-Industrie in der Pflicht“, meint Anja Kraft, Inhaberin einer freien Tankstelle. Gerade auf einer Hauptverkehrsstraße erscheint es manchem widersprüchlich, selbst wenn der Lärm hier von allen Befragten als störend empfunden wird.

Jede Woche Fenster putzen

„Er ist fürchterlich laut, besonders durch die Pflastersteine an den Schienen“, klagt Apothekeninhaberin Karin Fine. Dass Tempo 30 gegen Schadstoffe helfen soll, „kann ich mir nicht vorstellen. Ich vermute, es ist besser, wenn der Verkehr schnell fließt.“ Für die Inhaberin des Blumengeschäfts aber sind die Schadstoffe offensichtlich: „Ich muss wegen des Verkehrs jede Woche die Fenster und Regale putzen, weil sie schwarz werden von den Abgasen. Ein Tempolimit finde ich gut, es gäbe weniger Lärm und Unfälle auf der Aktienstraße.“